XVI

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Müde stocherte ich mit meiner Gabel auf meinem Teller herum. Ich schob die gebratenen Kartoffeln von der einen Seite des Tellers auf die andere, ohne auch nur eine in meinen Mund zu stecken.

"Bitte iss etwas." sprach Cyrian nun schon zum fünften Mal.

Ich spießte eine kleine Tomate an und führte sie zu meinem Mund. Sie schmeckte nach nichts.

" Du hast nun schon lange nichts gegessen, es ist wichtig dass du isst."

Ich erwiderte nichts sondern schob nun das Stück Fleisch auf meinem Teller hin und her. Ich rechnete es Cyrian hoch an dass er so freundlich und geduldig mit mir war, doch mein Magen rebellierte schon bei dem Gedanken an Essen.

"Dann rede wenigstens mit mir, was ist los? Was ist in Undervillage passiert? Oder war es mein Fehler, hätte ich nichts zu deinem Bruder sagen sollen?"

Meine Hand verkrampfte sich und ich hörte auf mit meinem Essen zu spielen. Das war die große Frage die sich in meinem Kopf breit gemacht hatte. Wollte ich überhaupt wissen ob mein Bruder lebt? Wollte ich ihn überhaupt wieder sehen?

Es gab schon genug unbeantwortete Fragen in meinem Kopf. Würde mein Bruder es noch schlimmer machen oder würde es mir helfen Gewissheit zu haben?

Wünschte ich mir das er am Leben war oder Tod?

Hoffte ich das er ein schönes Leben hatte oder nicht?

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich wie Cyrian aufstand und um den Tisch herum lief. Seine warme Hand schloss sich um meine verkrampfte und zeichnete sanft Kreise auf meinem Handrücken.

Seine silbergrauen Augen blickten mich fragend und besorgt an.

" Es ist zu viel. Es ist einfach alles zu viel." versuchte ich ihm klar zu machen. All die Dinge in den letzten Tagen hatten ihre Spuren auf mir hinterlassen. Ich konnte weder die Situation zu meinem Bruder noch die zu Cyrian einschätzen. Es machte mir Angst so viele Variablen in meinem Leben zu haben.

"Ich weiß, dass es viel auf einmal ist. Doch wenn du mit mir redest kann ich dir vielleicht helfen. Dir etwas von der schweren Last die du auf deinen Schultern trägst abnehmen. "

Nachdenklich musterte ich Cyrian. Konnte ich ihm erzählen was ich gesehen hatte? Wieso ich so zögerte nach meinem Bruder zu suchen? Nein. Auch wenn mein Gefühl mir sagte das ich ihm vertrauen könnte, wusste mein Verstand das dies nicht sehr klug sein würde. Meine Gefühle hatten mir auch immer gesagt das ich meine Familie vertrauen konnte, doch das war eine Lüge gewesen. Mein ganzes Leben war eine Lüge gewesen.

" Das kannst du nicht. Ich weiß selbst nicht ob ich meinen Bruder überhaupt sehen wollen würde. Noch kann ich ja nicht einmal die Situation mit dir einschätzen. " gab ich ehrlich zu.

" Es würde eh eine Weile dauern bis ich etwas über deinen Bruder in Erfahrung bringen könnte. Gehen wir doch Schritt für Schritt voran. Erst einmal schaust du dir die Situation mit mir an, dann kannst du immer noch entscheiden wie wir mit deinem Bruder verfahren sollen." schlug Cyrian vorsichtig vor.

" Und wenn mir die Situation mit dir nicht gefällt?" traute ich mich endlich Auszusprechen was ich schon von Anfang an dachte. Ich konnte die Anziehung zwischen mir und Cyrian nicht leugnen. Doch er sprach davon für immer beieinander zu bleiben. Was wenn ich das nicht wollte? Hatte ich überhaupt eine Wahl? Er war der König der Werwölfe. Er würde mich nicht wieder gehen lassen. Ich würde von ihm gefangen gehalten werden in einem goldenen Käfig , ohne nur die kleinste Chance zu haben all dem zu entfliehen.

" Du bist meine Mate" begann Cyrian nach einem Moment des Schweigens. " Es ist mir fast unmöglich nicht in deiner Nähe zu sein. "

Ich nickte. Genau das hatte ich mir gedacht.

" Du bist alles was ich habe, aber eines wird immer wichtiger sein. Das du in Sicherheit und glücklich bist. Wenn ich dich wo anders in Sicherheit weiß und du dort ohne mich glücklicher bist, werde ich dich gehen lassen."

Überrascht sah ich ihn an. Das hätte ich nicht erwartet. Obwohl, es gab vermutlich keinen sichereren Ort für mich als hier, also war es auch nur eine schöne Umschreibung von ihm um mir klar zu machen das ich hier bleiben würde.

" Bitte gib mir zumindest die Chance dich glücklich zu machen. Lass es zu und ich werde dich niemals enttäuschen. "

Bittend funkelten seine Augen mich an und ich noch bevor er seinen Satz beendet hatte, wusste ich wie meine Antwort lauten würde, denn ich war dem Gedanken ihn für immer an meiner Seite zu haben schon lange verfallen.

Ich nickte langsam mit dem Kopf. Schon fast zeitgleich zog sich ein breites Grinsen über sein Gesicht.

" Gut, sonst wäre unser Ausflug jetzt wohl ins Wasser gefallen."

"Ausflug? Wohin?" Ich schaffte es nicht meine Neugier zu unterdrücken.

" Das siehst du wenn wir da sind. Doch zuerst isst du noch etwas. Du bist viel zu dünn."

Ich verdrehte die Augen, begann aber tatsächlich wieder weiter zu essen. Irgendwo tief in mir schöpfte ich wieder Mut. Cyrian hatte mir wirklich sehr geholfen, auch wenn ihm das gar nicht so bewusst war.

Jetzt hatte ich einen Plan. Zuerst würde ich mich um die Sache mit Cyrian kümmern und dann würde ich entscheiden ob ich nach meinem Bruder suche oder nicht.


Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass man manche Dinge nicht so einfach planen kann und das die Vergangenheit die Zukunft oft schneller einholt als man gedacht hätte.



Heyho,

Ja heute gibt es wieder mal nur ein Übergangskapitel, aber die braucht eine Story nun mal auch :D . Ich hoffe dennoch dass das Kapitel euch gefällt uund wünsche euch noch einen schönen Freitag.

Grüßchen

Phlolli

Fight, Love or DieWhere stories live. Discover now