XXXII

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Nachdenklich betrachte ich die Frau, die ein paar Jahre ältere als ich war, während sie emsig abwäscht. Schweigend stehen wir neben einander. Schon fast mechanisch greife ich nach dem nassen Geschirr und trockne es mit einem Stück Stoff ab. 

Schon als ich die Frau meines Bruders zum ersten Mal gesehen hatte, war mir aufgefallen was für eine Schönheit sie war. Ihre goldenen Locken, die ihr herzförmiges Gesicht sanft umschmeicheln passen gut zu ihren bernsteinfarbenen Augen. 

Doch je öfter ich sie betrachtet hatte umso mehr vielen mir kleine Einzelheiten auf, die ganz und gar nicht zu der jungen Frau passten. Die dunkle Schatten unter ihren Augen betonten die Glanzlosigkeit ihrer Augen. Sie lächelte viel, doch es wirkte nie richtig echt. 

Von Tag zu Tag schien es ihr schlechter zu gehen, doch als ich sie darauf angesprochen hatte, hatte sie geschickt vom Thema abgelenkt. Auch ich hatte das Thema fallen gelassen, immer hin kannten wir uns kaum, wieso sollte sie mir erzählen was sie belastet?

Doch nun, wie wir schweigend neben einander stehen und abwaschen, formt sich langsam ein Gedanke in meinem Kopf. 

Zuerst ist es nur ein lächerlicher, kleiner Verdacht, doch je öfter ich darüber nachdenke umso wahrscheinlicher scheint meine Vermutung. 

Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Ohne weiter darüber nachzudenken entweicht die Frage meinem Mund: " Du hast einen Mate".

Erst als ich es ausgesprochen habe, fällt mir auf das es mehr eine Feststellung als eine Frage ist. 

Erschrocken unterbricht Kate ihre Tätigkeit, beinahe wäre ihr das Glas das sie gerade abwäscht aus den Fingern geglitten. 

"Was?" murmelt sie heißer. 

Schon allein ihr Tonfall macht mir klar, dass ich recht haben muss. 

" Ich war heute mit Thomas bei den Zellen, in denen die Wölfe sitzen, die hier ihre Mate gefunden haben. " erwidere ich nüchtern. 

"Das hat nichts mit mir zu tun." erklärt Kate mit harter Stimme, doch ich hört den Schmerz dahinter und bin mir der Lüge bewusst.

"Ich kenne den Ausdruck in den Augen. Die Wölfe in den Zellen haben ihn, ich sehe ihn bei mir, wann immer ich in den Spiegel schaue und auch du hast ihn. " murmle ich und blicke in die bernsteinfarbenen Augen meiner Schwägerin. 

"Weiß er es?" frage ich nach einem Moment der Stille.

"Thomas?" hakt sie nach. "Nein." 

Spätestens jetzt wusste ich das meine Vermutung der Wahrheit entsprach. 

Ich sehe wir sich Tränen den Augen von Kate sammeln und ihre Hände beginnen zu zittern. "Du wirst es ihm erzählen oder? "

Sofort schüttle ich den Kopf. Immerhin wusste ich doch genau wie sie sich fühlte. Aufgewachsen mit dem Wissen das die Wölfe das pure Böse waren und dann plötzlich diese Zuneigung zu empfinden. 

"Liebst du meinen Bruder?" frage ich dann leise. Ich weiß selbst nicht welche Antwort ich erwarte oder warum ich das überhaupt wissen will. 

"Ja oder nein. Ich weiß es nicht mehr. Ich habe ihn immer geliebt, wirklich. Meine Hochzeit war der glücklichste Tag meines Lebens. Zusammen mit Neros und Joffreys Geburt. Doch irgendwie ist jetzt alles anders." 

Verzweifelt fährt Kate sich durch die goldenen Locken. Mir fällt auf das sie plötzlich viel älter auf mich wirkt. 

"Vermisst du deinen Mate?" fragend sieht Kate mich an. 

Ich weiß nicht was ich antworten soll. Natürlich vermisste ich Cyrian, aber darüber zu sprechen machte es nur noch realer und damit schmerzhafter.  Ich entschied mich einfach nur zu nicken. 

Gerade als ich den Mund wieder öffnen wollte, um eine weitere Frage zu stellen, höre ich das bekannte Geräusch der Haustür. Hastig wende ich mich wieder dem nassen Geschirr zu und Kate tut es mir gleich. 

Thomas betritt mir Nero und Joffrey die Küche. Zur Begrüßung drückt er Kate einen kurzen Kuss auf die Lippen und verstrubbelt mir grinsend die Haare. 

Kate und ich lächeln zurück und werfen ein kurzes "Hallo" in die Runde. Joffrey verschwindet relativ schnell wieder und auch Thomas zieht sich zurück. Nur Nero bleibt in der Küche und beobachtet uns kritisch. 

Er kann uns unmöglich gehört haben, doch irgendwas scheint ihm nicht zu gefallen. Der dunkelhaarige Junge beobachtet mich allerdings schon seit meiner Ankunft mit Adlersaugen. 

"Alles in Ordnung, mein Schatz?" fragt dann auch Kate, als sie merkt wie ihr Sohn uns beide fixiert. 

Nero nickt nur und verschwindet aus der Küche. Im Gegensatz zu seinem Bruder spricht er nie besonders viel. 

Ich tausche einen kurzen Blick mit Kate bevor wir uns weiter an den Abwasch begeben, als wäre nie etwas geschehen. 

Doch für mich ändert dieses Gespräch einfach alles. Kate könnte eine richtige Verbündete sein, ihr geht es wie mir. 

Doch damit bleibt immer noch ein Problem. Ich weiß nicht was ich will. Selbst wenn ich hier Leute finde, die auf meiner Seite sind, was möchte ich überhaupt erreichen? Will ich zu Cyrian zurück? Selbst wenn ich das schaffen würde, wäre dafür alle Menschen hier sterben. 

Doch ich konnte mich doch auch nicht mit den Leute hier gegen die Wölfe verbünden. Nur der Gedanke daran Cyrian zu betrügen ließ mein Herz schmerzhaft zusammen zucken. 

Was will ich wirklich? 

Ein leiser Seufzer entweicht mir. Ich wünschte ich wüsste es, denn langsam werde ich mich entscheiden müssen. Doch vorher steht noch ein viel wichtiger Ereignis bevor. In wenigen Tagen wird entschieden ob ich die neue Anführerin werden würde oder ob ich sterben würde. 

Ich wusste nicht woher nach all der Zeit mein Kampfgeist zurück kam, doch plötzlich war ich mir sicher, dass ich noch nicht bereit war von dieser Welt zu gehen. 

Ich atmete tief durch und ignorierte den besorgten Blick von Kate, die meinen inneren Kampf still beobachtete. 

Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Es war endlich Zeit für mich etwas zu unternehmen. Ich konnte nicht mehr länger ignorieren was hier gerade passierte. 

Ich brauchte einen Plan, ich brauchte Verbündete und ich brauchte Cyrian.  

Fight, Love or DieWhere stories live. Discover now