XI

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Ich lief nun schon seit Stunden durch diesen verdammten Wald und nichts kam mir auch nur ansatzweise bekannt vor. Am Anfang war ich mir relativ sicher gewesen dass ich in der richtigen Richtung unterwegs war, doch inzwischen hatte sich das geändert. Die Sonne war bereit dem Horizont hinauf und wieder hinunter geklettert, also war ich nun schon einen Tag unterwegs. 

So weit ich es dem Buch entnehmen konnte, sollte ich eigentlich nur ein paar Stunden brauchen, doch erst ziemlich spät ist mir auf gefallen dass bei dieser Zeitangebe auch von der Geschwindigkeit eines ausgegangen wurde. 

Anfangs hatte ich die Kulisse des Waldes bewundert. Die großen Bäume die von strahlend grünem Moos bedeckt waren schufen zusammen mit den leuchtend bunten Wildblumen einen märchenhaften Anblick. Doch nach einiger Zeit legte sich meine Begeisterung. Die großen Bäume ließen kaum Sonnenlicht durch ihr dichtes Blattwerk und die Wildblumen stachen mit ihren Dornen durch meine Schuhe. Jetzt in der Dunkelheit schien es unmöglich ein paar Schritte zu gehen ohne über eine Wurzel zu stolpern. 

Eigentlich müsste ich mein Ziel langsam erreicht haben, wenigstens war ich noch keinem Wolf begegnet. Anscheinend schienen sie sich jetzt wo sie die Städte erobert hatten nicht mehr soviel in den Wäldern auf zu halten. 

Das größte Problem war allerdings mein ungutes Gefühl in der Magengegend. Mein ganzer Körper schien zu schreien, dass ich umdrehen und zurück gehen sollte, dass es falsch war Cyrian zu verlassen und einfach so abzuhauen. Meine Gedanken schienen sich nur um ihn zu drehen. Um seine Stimme, sein Lächeln, seine Augen. 

Ich sollte ihn aus tiefsten Herzen hassen. Er war schuld an dem Tod meiner Familie , er hatte mich entführt und die Menschheit fast vollkommen ausgelöscht. 

Dennoch konnte ich nicht anders als mir vorzustellen wie es wäre wenn seine perfekten, warmen Lippen auf die meinen treffen würden. Wie es wäre in seinen Armen einzuschlafen und am nächsten morgen neben ihm aufzuwachen. 

Je mehr ich mich von ihm entfernte umso stärker schien alles in mir nach ihm zu rufen. Nach seiner Nähe, seiner Zuneigung. 

Dennoch setzte ich immer wieder ein Fuß vor den anderen. Ich würde mir niemals verzeihen, wenn ich meine Chance endlich die Wahrheit herauszufinden einfach weg werfen würde. 

In Gedanken versunken merkte ich gar nicht wie sich die Umgebung um mich herum veränderte. Das Grass wurde niedriger, die Bäume weniger und die Wildblumen verschwanden. Der Weg Trampelpfad dem ich nun folgte ging immer steiler nach unten. 

Mir fielen wieder ein warum Undervillage seinen Namen hatte. Es lag unter dem Wald. 

Ich beschleunigte meinen Schritt und schon wenig später vielen mir Dinge auf die mir bekannt vor kamen. Eingeritzte Symbole in den Bäumen und Blumen die früher in unserem Garten gewachsen waren. 

Ich rannte schon fast als ich die Dächer meiner alten Heimat erblickte. Endlich war ich wieder zu Hause, an dem Ort an dem alles gut gewesen war, an dem Ort an dem ich glücklich gewesen war. 

Mit entsetzen stellte ich fest dass von meiner Heimat kaum noch etwas übrig geblieben war. Die Straße war mit einer dicken Schicht Asche überzogen und die meisten Häuser nieder gebrannt. Ich erinnerte mich an die Bäckerei die links neben mir gewesen war. Die Tochter der Bäckersfrau war in meinem Alter gewesen und wir hatten manchmal mit einander gespielt. 

Nun konnte man nur noch grob die Umrisse des Hauses erkennen. Langsam lief ich den bekannten Weg entlang. Wenn auch das Rathaus zerstört wäre, war der ganze Weg umsonst gewesen. Mir viel kein andere Ort ein, an dem ich nach Informationen suchen sollte. 

Die Straße teilte sich nun auf und ich musste mich für einen Weg entscheiden. Links würde ich nach wenigen Metern mein altes Haus erreich und das Rathaus lag in der anderen Richtung. 

Es viel mir überraschend leicht mich für den rechten Weg zu entscheiden. Ich war nicht sicher ob ich es ertragen würde mein altes Haus zu sehen, oder eben nicht zu sehen und zu wissen das von meinem alten Leben nur noch Asche und Staub geblieben war. 

Ich folgte dem Weg in Richtung Rathaus langsam. Ich erinnerte mich an die Leute die in den zerstörten Häuser gewohnt hatten und an die Geschäfte in die ich als Kind gegangen war. Der Metzger hatte mir immer eine Scheibe Wurst geschenkt wenn wir bei ihm eingekauft hatten. Direkt daneben war der Friseursalon. Die alte Frau die den Laden geleitet hatte war eine schrecklich grimmige Person gewesen, doch Haare schneiden hatte sie gut gekonnt. So ging es weiter. Ich erinnerte mich an die Apotheke, an den kleinen Supermarkt und alles andere. Ich war überrascht wie gut ich mich zwischen den zerstörten Gebäude zurecht fand.

Am schlimmsten war es wohl meinen Kindergarten und die Grundschule zu sehen. Die beiden Gebäude standen neben einander, doch nur noch der Spielplatz verdeutlichte das dort einmal Kinder unterwegs gewesen waren. 

Zu meiner Erleichterung schienen die Gebäude am Rande der Stadt zerstörter zu sein als die im inneren. Das erhöhte meine Chance ein unzerstörtes Rathaus zu erblicken.

Tatsächlich hatte ich Glück. Das Rathaus sah zwar schrecklich mitgenommen aus, aber es stand noch da. An den Backsteinen schlängelten sich Efeuranken hinauf und die Fenster waren zerstört, doch sonst sah es so aus wie früher. 

Ich betrat das Gebäude durch die herausgerissene Tür. Erst jetzt merkte ich wie gespenstisch die anhaltende Stille war.

Eigentlich wollte ich die rechte Treppe nach oben gehen. So weit ich wusste, sollten dort die Büros der wichtigen Leute gewesen sein. Doch gerade als ich meinen rechten Fuß auf die erste Stufe setzte viel mir auf, das die Treppe auch nach unten ging. Von weitem viel das gar nicht auf. 

Angespannt folgte ich der Treppe nach unten. Recht schnell wurde mir klar, dass wenn es Geheimnisse gab, sie hier aufbewahrt wurden. Ängstlich schlich ich den dunkeln Flur entlang. Rechts und links reihten sich schwere Holztüren aneinander , doch sie alle waren verschlossen. 

Erst ganz am Ende des Ganges ließ sich die letzte Tür rechts problemlos öffnen. Das quietschende Geräusch der Tür brannte in meinen Ohren.

Doch noch schriller war der Schrei den ich ausstieß als ich das innere des Raumes erblickte. 

Fight, Love or DieWhere stories live. Discover now