XV

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Der Klang von Cyrians Stimme weckte mich als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Verschlafen blickte ich ihn an und erinnerte mich nur noch verschwommen an die Zeit nach dem Schmerzmittel. 

"Guten Mittag, meine kleine Schlafmütze. Du musst etwas essen und trinken um wieder zu Kräften zu kommen, sonst könnte deine Erkältung noch schlimmer werden, hat der Arzt gesagt." Auffordernd lächelte mich Cyrian an.

" Der Arzt der mich mit Schmerzmittel ausgeknockt hat?" fragte ich trocken. Nicht unbedingt die Person der ich jetzt vertrauen würde.

"Das war keine Absicht, wir haben nur keine Ärzte für Menschen und das macht es etwas schwieriger abzuschätzen wieviel du brauchst. Aber keine Sorge ich habe schon veranlasst das ein Arzt im Bereich der menschlichen Medizin ausgebildet wird. " erklärte mir Cyrian. 

Schmerzvoll kniff ich die Augen zusammen als eine Erinnerung den Nebel in meinem Kopf durchbrach. Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit meinem Bruder wenige Wochen vor dem Krieg. 

Wir saßen in meinem Zimmer und unterhielten uns. Das hatten wir früher oft getan. Für Geschwister hatten wir uns überraschend wenig gestritten. Er erzählte mir, das er später einmal Arzt werden wollte um die Menschen zu retten und zu beschützen. Ich hatte ihn dafür so sehr bewundert. 

Jetzt wurde mir erst bewusst was mein Bruder mir damals eigentlich erzählt hatte. Er wollte nicht Arzt aus Nächstenliebe werden , sondern Arzt bei ihnen. Er wollte genau wie der Rest meines Dorfes die Verbrechen an den Werwölfen unterstützen, deshalb hatte er so oft von Medizin gesprochen. 

Ich versuchte den Gedanken an meinen Bruder, der in einem Arztkittel im Keller des Rathauses über einen sterbenden Werwolf stand, abzuschütteln.

Ich schüttelte den Kopf nach links und rechts in der Hoffnung dieses Fantasiebild aus meinem Kopf verbannen zu können, doch es half nicht.

"Hey, was ist los?" Cyrians Stimme erschreckte mich , ich hatte schon ganz vergessen das er noch immer da war. 

"Er wollte Arzt werde. Er wollte für diese verdammten Schweine Arzt werden." 

Es war keine Trauer mehr in mir, stattdessen verspürte ich nur rasende Wut. Aufgebracht fuhr ich mir durch die Haare und sprang schon fast aus dem Bett. 

" Er war mein Vorbild, immer wollte ich so sein wie er." 

Kopfschüttelnd lief ich im Zimmer auf und ab. 

" Er war immer so herzlich und nett. Er hat mich vor allem und jedem beschützt. Einmal hat er sich mit dem Nachbarsjungen geprügelt weil dieser mir die Zunge herausgestreckt hatte." 

Ich wusste das Cyrian keine Ahnung davon hatte was ich da überhaupt redete, aber aus irgendeinem Grund sprach ich dennoch laut. Vielleicht weil es mir half meinem ganzen Ärger Luft zu machen. 

Für einen kurzen Moment wünschte ich mich zurück in die Arena. Wütend auf einen Box Sack einschlagen zu können oder eine Runde das Schwert zu schwingen.

Wie so oft in den letzten Tagen stand auf einmal Cyrian vor mir und schwang mich auf seine Arme. Dann setzte er sich in Bewegung und verließ das Zimmer. 

"Ich kann auch selbst laufen." murrte ich, war mir aber ziemlich sicher das Cyrian das nicht interessieren würde.

"Ich weiß, aber der Arzt sagte du sollst dich schonen und aufgebrachtes auf und ab laufen ist kein schonen. " 

Ich schwieg und musterte Cyrian. Er war fast schon übernatürlich schön. Das strahlen seiner Augen, seine vollen Lippen und seine markanten Wangenknochen. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach seinem Gesicht aus und fuhr über seine Bartstoppeln. 

In so einer kurzen Zeit war nun so viel passiert, dass ich noch gar keine Zeit hatte meine Gedanken im Bezug auf Cyrian zu ordnen. Ich wusste zwar nun das mein Vater und mein Bruder alles andere als gute Menschen waren, doch was ist mit den anderen? Meine Mum stand nicht in dem Buch und sie war sicher nicht die einzige. Was war mit all den guten Menschen, die wegen Cyrian ihren Tod gefunden hatten? Die er versklavt hatte? 

Konnte ich diesem Mann wirklich trauen? Nein, das konnte ich nicht. Egal wie sehr alles in mir schrie das er mich niemals belügen würde, ich kannte Cyrian nicht. Woher sollte ich wissen das diese ganze Mate - Geschichte war ist? 

Das unangenehme Pochen in meinem Kopf kehrte zurück. Ich schloss kurz die Augen und atmete durch. Um die Sache mit Cyrian konnte ich mich auch noch kümmern wenn meine Kopfschmerzen endlich weg waren, denn anscheinend würde Cyrian nicht so einfach verschwinden. 

"Wen meintest du mit er?" tatsächlich schwang in Cyrians Stimme ein Hauch Eifersucht mit. 

"Meine älteren Bruder" gab ich zu. Ich blickte in Cyrians silberne Augen und sah die Schuld die daran lag. Er wusste genau das er die Schuld an dem Tod meiner Familie trug. 

" Er hieß Thomas Cleeves." ich wusste selbst nicht warum ich weiter erzählte. " Er zog mit den anderen in den Kampf. Er war erst vierzehn." 

Eine einzelne Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und tropft auf den kalten Boden. 

Ruckartig blieb Cyrian stehen.

" Er war erst vierzehn?!" fragte er noch einmal nach. " Dann ist er aus wölfischer Sicht noch ein Kind gewesen!" 

" Aus menschlicher auch." antwortete ich. 

"Nein, du verstehst nicht was ich meine." mit leuchtenden Augen fixierte Cyrian mich. " Wir haben keine Kinder getötet, sie wurden begnadigt. Dein Bruder ist vielleicht noch am Leben!" 


Fight, Love or DieWhere stories live. Discover now