Kapitel 7

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Katara POV

Mit einem Kübel in der Hand, ging ich zum Brunnen, um Wasser zu holen. Es war ein schwüler, heisser Tag. Die Sonne brannte auf meinem Nacken und der Durst war ein ständiger Begleiter. Leider war das Wasser ziemlich knapp. Es hatte seit Monaten nicht mehr geregnet und die Hitzewelle wollte einfach nicht enden.
Beim Brunnen angekommen, befestigte ich den Kübel an dem Seil und liess ihn dann runter fahren. Jedoch liess ich ihn nicht bis zum Wasser. Stattdessen schaute ich mich kurz nach anderen Menschen in der Umgebung um. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mich niemand beobachtete, bändigte ich schnell das Wasser vom Brunnen in den Kübel hinein. Als er voll war, zog ich ihn wieder hoch und lief zufrieden zurück zum Haus.
Drinnen sass Kya am Tisch und strickte. Verwundert runzelte sie die Stirn. „Das ging aber schnell."
Ich zuckte mit den Schultern und stellte den Kübel auf den Tisch ab. „Jahrelange Übung."
Misstrauisch beäugte sie mich. „Hast du etwa wieder Wasser gebändigt?"
Ich rollte mit den Augen und nahm mir einen Becher vom Schrank. „Was ist denn schon dabei? Niemand war in der Nähe. Ausser die Koalaschafe gehören auch zu den Spionen des Roten Lotus", witzelte ich und trank einen Schluck. Das Wasser war warm und erfrischte mich nicht besonders.
„Wieso musst du dich jedes Mal unnötig in Gefahr begeben", sagte Kya mit vorwurfsvoller Stimme und legte ihre Strickarbeit weg, „du gefährdest damit nicht nur dich, sondern auch mich und meine Familie!"
Ich schnaubte verächtlich und setzte mich auf einen Hocker. Meine Reaktion machte Kya nur noch wütender. „Wie kannst du dich uns gegenüber so respektlos verhalten? Wir haben dich aufgenommen, als du niemanden hattest und der Rote Lotus deinen Tod wollte. Dafür riskierten wir unser eigenes Leben, nur um dich zu beschützen und doch schätzt du uns kein bisschen."
Ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Du willst mir erzählen, dass ihr das aus freien Stücken getan habt? Der Feuerlord klopfte also an eurer Tür und hat ganz freundlich gefragt, ob er mich bei euch unterbringen könnte und ihr habt mich selbstverständlich mit grosser Freude in eure Arme geschlossen? Das ich nicht lache! Ihr hattet keine andere Wahl und das habt ihr mir in all den Jahren Tag für Tag deutlich gemacht! Also tu mal nicht so, als wärst du ein guter Mensch, die arme Waisenkinder aufnimmt und lass mich gefälligst in Frieden!"
Empört zeigte Kya mit dem Finger zur Tür. „Verschwinde sofort aus diesem Haus! Heute Nacht kannst du in der Scheune schlafen. Deine negative Ausstrahlung brauchen wir hier nicht!"
Ich fluchte leise und erhob mich dann ruckartig, sodass der Hocker krachend zu Boden fiel. „Lieber schlafe ich in der dreckigen Scheune, als eure Anwesenheit zu ertragen. Ihr könnt mich mal!"
Wütend verliess ich das Haus und rannte in Richtung Wald. Ich ging zum Fluss, wo ein Stück weiter ein Wasserfall sprudelte. Zumindest tat es das mal. Wegen der Trockenheit war der Fluss fast vollständig ausgetrocknet. Es war mein Lieblingsplatz, den ich immer aufsuchte, wenn ich eine Auszeit von meinen Mitmenschen brauchte.
Zornig setzte ich mich ins hohe Gras und vergrub mein Gesicht in die Knie. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Nicht aus Trauer, sondern Wut. Das kam leider ziemlich oft vor.

Ich bemerkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging, als ich plötzlich Schritte hinter mir vernahm. Ängstlich stand ich auf, um mich umzusehen. Zur Vorsicht nahm ich eine Kampfstellung ein. „Wer ist da?" fragte ich mit zittriger Stimme.
Erneut erklang ein lautes Knacken, woraufhin ich mich in die Richtung drehte, aus der das Geräusch gekommen war.
Mein Herzschlag beruhigte sich jedoch wieder, als mir bewusst wurde, um wen es sich bei der Person handelte. Erleichtert atmete ich aus. Vor mir stand ein grinsender Jet.
„Was ist los, kleine Wölfin?", er schmunzelte, "habe ich dich etwa erschreckt?"
Er nannte mich kleine Wölfin, seit ich ihm erzählt hatte, dass Wölfe meine Lieblingstiere waren. Danach behauptete er, ich hätte das Temperament eines Wolfes und sprach mich seither oft mit diesem Spitznamen an.
„Mich erschrecken? Niemals!" rief ich und verschränkte selbstsicher die Arme vor der Brust.
Er musste lachen. Doch als er mein verheultes Gesicht bemerkte, verstummte er wieder. „Was ist denn jetzt schon wieder passiert?" fragte er mit ernster Stimme.
Ich liess frustriert den Kopf hängen und hockte mich erneut ins Gras. „Immer das gleiche Jet."
Nachdenklich setzte er sich neben mich. „Hat sie dich wieder beim Wasserbändigen erwischt?" Ich nickte.
Jet war der einzige, der mich verstand und dem ich vertrauen konnte. Vor ungefähr einem Jahr, hatte er mich hier beim Wasserbändigen erwischt. Danach war ich gezwungen gewesen, ihm von meiner wahren Identität zu erzählen. Anders als die meisten Leute, nahm er es ziemlich locker und seither waren wir gute Freunde.
Er wohnte ein paar Kilometer weiter im Dorf, kam aber wie ich oft hierher, um sich abzuregen. Sein Stiefvater quälte ihn jeden Tag. Uns verband ein ähnliches Schicksal, was unsere Freundschaft so besonders machte.
Schweigend sassen wir also da, sahen zu, wie das wenige Wasser den Fluss runterfloss und hörten dem Orchester der Zirpen zu. Das taten wir ziemlich oft.
„Wieso verschwinden wir nicht einfach?", schlug er plötzlich vor, „wir lassen alles stehen und liegen und hauen einfach ab. Niemand kann uns aufhalten!"
Verdutzt hob ich eine Augenbraue. „Abhauen? Dein Ernst?"
„Wieso denn nicht? Uns braucht hier doch sowieso keiner. Niemand schert sich einen Dreck um uns. Wahrscheinlich würden sie es nicht einmal bemerken, wenn wir abhauen."
Jet schien von seiner Idee richtig begeistert zu sein. Motiviert stand er auf und streckte seine Hand aus, damit ich mich daran hochziehen konnte.
Nachdenklich sah ich ihn an. Eigentlich hatte er gar nicht so Unrecht. Mich hielt hier nichts. Ich war nur eine Last, die Kya und ihre Familie jeden Tag mit sich rumschleppen mussten.
Möglicherweise würde ich ihnen mit meinem Verschwinden sogar einen Gefallen tun.
„Machen wir es nun, oder nicht?" fragte er mich ungeduldig, „komm schon Katara. Gib dir einen Ruck!"
Ich musste lächeln und sah ihn mit funkelnden Augen an. „Na schön. Tun wir es. Hauen wir von diesem Drecksloch ab!"
Begeistert jubelte er und sprang wie ein Verrückter umher.
„Pschht! Nicht das uns jemand hört", ich kicherte amüsiert und legte einen Finger auf meine Lippen.
Er grinste erfreut und umarmte mich dann plötzlich total unerwartet. Ich verkrampfte mich kurz, entspannte mich dann aber gleich wieder und legte ebenfalls meine Arme um seinen Hals. Ich genoss die Wärme, die er ausstrahlte und schloss zufrieden die Augen.
Nach einer Weile liess er mich wieder los. Es erwärmte mein Herz, ihn so glücklich zu sehen. Leider kam das viel zu selten vor.

Wir planten unsere bevorstehende Flucht und gingen dann wieder getrennte Wege.
Meine Haut kribbelte vor Aufregung und ich zitterte unkontrolliert. Morgen Abend wollten wir es tatsächlich tun. Jet würde zwei Strauspferde klauen und ich besorgte das Geld und Essen. Wir hatten alles ins genauste Detail geplant. Niemand würde etwas bemerken.
Bei der Scheune angekommen, legte ich mich ins müffelnde Heu und dachte über unsere bevorstehende Flucht nach. Ans Schlafen war nicht zu denken. Dafür war ich viel zu aufgeregt.

Am nächsten Abend war es endlich soweit. Nachdem die Sonne endlich untergegangen war, packte ich eilig die Sachen, die wir für unsere Flucht benötigten, in einer Tasche.
Kya und ihre kleine Tochter waren bereits zu Bett gegangen. Ihr Ehemann, den ich persönlich am meisten verabscheute, war zusammen mit ein paar Freunden vor ein paar Wochen verreist, um in der Hauptstadt wichtige Einkäufe zu erledigen. Das vereinfachte alles.
Ich schlich mich unbemerkt aus der Scheune und rannte in Richtung Wald. Vorher blickte ich noch ein letztes Mal voller Verachtung zurück zum Haus, indem ich acht Jahre lang eingesperrt wurde. Danach drehte ich mich wieder um und kämpfte mich durch das dichte Dickicht. Ich konnte nicht den normalen Waldweg benutzen, da sonst die Gefahr bestand, dass mich jemand entdeckte und misstrauisch wurde.

Beim Fluss wartete Jet bereits auf mich. Er hatte die zwei versprochenen Strauspferde an einem Baum angebunden und lief aufgeregt auf und ab. Als er mich entdeckte, lächelte er erleichtert. „Na endlich! Du hast aber lange gebraucht. Ich dachte schon, Kya hätte dich erwischt."
Ich schüttelte den Kopf und öffnete meine Tasche, um ihm zu zeigen, was ich alles mitgebracht hatte. Er nickte zufrieden und band dann die Strauspferde los.
Ich nahm währenddessen zwei Wasserbeutel hervor, die ich an einen Gürtel befestigte und um meine Taille legte. Daraufhin füllte ich sie mit Wasser, indem ich es vom Fluss hineinbändigte. Jet schaute mir fasziniert dabei zu. Er selbst war kein Bändiger. Dafür kämpfte er ausgezeichnet mit seinen Hakenschwertern.
Als ich fertig war, versuchte ich mich unbeholfen auf eines der Strauspferde zu setzen. Jet musste mir schliesslich helfen, indem er mich an der Taille packte und mit einem schnellen Ruck hinaufzog. Bei seiner Berührung überkam mich plötzlich ein seltsames Gefühl, doch ich verdrängte es schnell wieder.
Nachdem ich endlich auf dem Tier sass, setzte er sich ebenfalls auf seins und wir ritten los.
Kurze Zeit später hatten wir den Wald hinter uns gelassen. Ich fühlte mich zum ersten Mal richtig frei. Meine Haare wirbelten im Wind und ich atmete die kühle Abendluft ein. Lächelnd blickte ich zu Jet. Ihm schien es ähnlich zu ergehen.
Wir ritten in irgendeine Richtung, nichtwissend wo wir eigentlich hinwollten. Hauptsache weit weg von diesem schrecklichen Ort.

Secret Love | Zutara FanfictionWhere stories live. Discover now