Kapitel 26: Freiheit

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Dima nickt und redet weiter. „Irgendwann wollte ich damit nichts mehr zutun haben. Wir haben uns dennoch einmal wieder getroffen. Größter Fehler den ich machen konnte. Die Kripo hatte uns und ich kam mit Glück und an die 400 Sozialstunden raus aus der Sache. Irgendwann hab ich dann halt mit Rap angefangen. Geld für ein richtiges Studio hatte ich nicht, also haben ich und ein Kumpel Läden ausgeraubt. Erwischt wurden wir nicht. Das war dann auch der Moment, an den ich mit den Drogendeals angefangen habe." Ich schaue leicht auf. Ein unbeschriebenes Blatt ist er also auch nicht. Er muss es ziemlich hart gehabt haben. Ich kuschel mich mehr an ihn. „Ich wusste ja das du krasse Scheiße abgezogen hast, aber so krass." Sagt Liam leicht ungläubig. Es entsteht eine kurze Stille. Ich spüre Dima's Hand, die langsam über meinen Rücken streicht. „Was ist denn mit unserem Vater passiert?" Liam bricht die Stille. „Ist im Knast." Antwortet er kurz. „Kommt aber bald heraus." Füge ich hinzu und sehe Dima nicken. „Echt? Ich will ihn kennenlernen!" Und wie Liam das will. Ihm hat unser Vater mehr gefehlt als mir. Diese Vaterrolle, die Liam hätte unterstützen sollen. Sie war einfach nicht da. Ich hatte Liam und unsere Mutter, für mich war es nicht ganz so schlimm. „Wenn ihr wollt können wir ihn ja zusammen abholen. Also sobald er rauskommt." Entgegnet Dima. Ich überlege kurz, nicke dann aber. „Und wie war es bei euch so?" Fragt er nun. Ich schaue zu Liam. Dieser nickt und beginnt zu reden. „Wir sind damals nach Berlin gezogen. Zoe und ich mochten es nicht. Wir kannten niemanden dort. Die Stadt war damals so gigantisch." Beginnt er. „Wir hatten das Gefühl, dass sie uns in die Knie zwingen will. Sie war so bedrohlich. Sie war nicht unserer vertrautes zu Hause. Nicht Osnabrück." Fahre ich fort. „Zu dieser Zeit sind Zoe und ich nähher zusammen gewachsen. Wir hatten keine Freunde dort. Wir wollten es aber auch nicht. Wir haben niemanden vertraut. Nur uns. Aufjedenfall hat unsere Mutter das bemerkt. Ihr ging es selber nicht gut dort. Sie hat hier und da mal gearbeitet. Nach 3 Jahren sind wir dann endlich wieder hier her gezogen. Dennoch war es nicht leicht. Wir kannten ja wieder keinen. Mussten wieder von vorne anfangen. Klar haben wir Freunde mit der Zeit gefunden, doch wirklich hundert Prozent vertraut haben wir nur uns." Ich nicke und setze mich wieder aufrecht hin. „Als ich dann 15 war kam sie mit Karl nachhause. Für uns war er nicht wie ein Vater. Er war eher eine Bedrohung! Zumindestens haben wir uns provoziert gefühlt, allein durch seine Anwesenheit." Sage ich. Dima bleibt stumm und nickt. „Warum wohnt ihr denn noch hier?" Ergreift er doch das Wort. „Eigentlich bin ich nur noch wegen Zoe hier." Sagt Liam. „Ich kann nicht mal mein Studium bezahlen, also bin ich leider noch 3 Jahre ungefähr auf sie angewiesen." Ich seufze und senke meinen Kopf leicht. Dima nickt nachdenklich. „Ich überleg mir etwas, wenn du willst." Sagt er. „Danke, aber ich glaube ich werde es überleben." Antworte ich und muss leicht lächeln. Die Tür geht auf und meine Mutter kommt herein. „Oh Hallo Dima." Antwortet sie. Ich schaue sie etwas abwertend an. Sie hat mir jahrelang meinen Bruder verschwiegen. Jahrelang. Sie hat ihn nicht erwähnt und auch von unseren Vater hat sie nichts erzählt. Liam sitzt still da und versucht sich zusammen zu reißen. Dima streichelt über meinen Arm und spannt sich etwas an. Auch für ihn muss es nicht leicht sein. Seine Mutter steht vor ihm. "Soll ich euch etwas zu Essen machen?" Fragt sie. „Nein danke. Wir essen nachher bei Freunden." Antworte ich schnell und trocken. „Oh okay. Na dann." Antwortet sie und setzt zum gehen an. „Mama warte doch mal bitte. Ich hab da mal eine Frage." Beginne ich. Sie dreht sich um und schaut mich an. „Was gibt es denn Zoe?" Fragt sie nett. „Haben Liam und ich eigentlich noch andere Geschwister?" Frage ich. Sie zögert leicht. „Wie kommst du denn darauf Kleine?" Liam seufzt leicht neben mir und will gerade anfangen zu reden. „Nur so. Du bist doch unsere Mutter. Du würdest uns das doch erzählen oder nicht?" Frage ich weiter provokant. Ich will es aus ihren Mund hören. „Ich.. Ich würde euch alles was euch gut tut erzählen." Antwortet sie. „Was soll das bitte bedeuten?" Hacke ich nach. Ich spüre langsam Wut in mir aufsteigen. Nicht mal jetzt sagt sie die Wahrheit. „Wir reden später weiter. Ich hab zutun." Versucht sie das Gespräch zu beenden. „Nein. Wir reden genau jetzt weiter!" Sage ich etwas lauter wütend. „Zozo lass gut sein." Höre ich Dima neben mir beruhigend sagen. „Zozo?" Sagt meine Mutter leise. „Nein lass ich nicht. Du bist unsere Mutter. Was denkst du dir dabei uns 15 Jahre lang unseren Bruder zu verschweigen?" Sie steht geschockt da. „Ich hab ihn euch nicht verschwiegen." Sagt sie. „Natürlich hast du das! Du hast Jahre lang nichts von ihm erzählt! Auf dem Bild von mir und ihm hast du behauptet es sei ein Bekannter von einer Freundin von dir! Was denkst du dir dabei?" Schreie ich sie fast an. Liam legt eine Hand auf meine und versucht beruhigend drüber zu streicheln. Er selber jedoch muss auch ziemlich wütend sein. Ich bewundere ihn so sehr für seine Selbstbeherrschung. „Zoe, Liam hört zu. Das ist nicht so einfach. Ich wollte euch Dima nicht verheimlichen. Ich wollte dich nicht verheimlichen. Das musst du mir glauben!" Sagt sie leicht verzweifelt. „Ich weiß gar nicht mehr was ich dir glauben kann und was nicht. Ich hab es so satt hier." Antworte ich. Die Wohnungstür öffnet sich und Karl betritt die Wohnung. „Was ist denn hier los?" Fragt er. „Was hier los ist? Unsere Mutter hat uns unseren Bruder verschwiegen. Das ist los!" Meldet Liam sich zu Wort. Er hasst Karl. Manchmal glaube ich, dass Karl ihn auch hasst. „Zügel deinen Ton, Bengel." Wendet er sich an Liam. „Rede nicht so mit meinem Bruder. Du hast ihm überhaupt nichts zu sagen!" Mische ich mich ein. Karl schaut mich wütend an. „So nicht Fräulein. Solange du unter meinem Dach wohnst-„ ich unterbreche ihn. „Es ist verdammt nochmal nicht dein Scheiß Haus! Du wohnst bei uns und nicht wir bei dir. Du bist auch nicht mein Vater." Kontere ich wütend. „Ich habe mich jahrelang um euch gekümmert und so dankt ihr es mir? Wisst ihr was euer Vater ist? Er ist ein Verbrecher! Ein Scheiß Junkie." Schreit er. „Halts Maul!" Giftet Liam. „Sein sie ruhig. Man urteilt nicht über Menschen die man privat nicht kennt." Sagt Dima und versucht ruhig zu bleiben. „Wer bist du eigentlich und was mischt du dich da ein!" Fragt Karl wütend. „Es geht dich einen Scheiß Dreck an." Antwortet Liam. „Hört doch bitte auf." Meine Mutter steht hilflos im Raum. Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und versucht den Konflikt zu lösen. „Ihr beruhigt euch jetzt und dann kommt ihr in 10 Minuten in das Wohnzimmer. Und du gehst besser jetzt." Sagt Karl. „Er geht nicht." Antworte ich. „Zoe ich will das jetzt nicht ausdiskutieren!" Ruft er wütend. „Gut. Ich nämlich auch nicht." Provoziere ich ihn zurück. Meine Mutter versucht Karl zu beruhigen und aus dem Zimmer zu bringen. „Das wird Konsequenzen haben." Höre ich ihn noch sagen. Ich gehe zur Tür und schließe ab. „Ein Scheiß wird es haben." Sage ich leiser und gehe zu meinem Schrank. „Was hast du vor Kleine?" Fragt Dima. „Liam Plan D ist glaube ich jetzt an der Reihe." Er nickt und geht Richtung Tür. „Plan D? Zozo was ist hier los?" Fragt er und legt eine Hand auf meiner Schulter. Ich hole eine Tasche aus meinem Schrank und schmeiße meine Uni Sachen hinein. „Liam und ich hau'n ab. Ich bleib keine Sekunde länger hier." Ich gehe zu meiner Kommode und werfe die wichtigsten Klamotten herein. „Und wo wollt ihr hin?" Ich nehme meine Kosmetik Tasche und packe sie dazu. „Wir finden schon was." Antworte ich und überlege was noch fehlt. „Ihr könnt erstmal bei mir unterkommen." Antwortet er. Ich packe mein Geld und Ladekabel dazu. „Du bist der Beste." Ich grinse und umarme ihn. „Ich kann doch meine Geschwister nicht im Stich lassen." Er zieht mich näher an sich und streicht über meinen Rücken. „Wie sieht der Plan jetzt aus?" Fragt er. „Wir gehen zu Liam. Mit seinen Sache schleichen wir uns raus und gehen vor. Er geht dann nachher zu unseren Eltern und sagt das wir kein Bock mehr darauf haben und abhauen. Dann kommt er uns hinterher." Erzähle ich es ihm. Er nimmt meine Tasche und wirft sie sich über. „Was wenn sie ihn nicht gehen lassen?" Fragt er. „Liam kommt schon raus. Zu Not wohnen wir im ersten Stock. Er könnte auch aus dem Fenster klettern." Dima nickt und folgt mir leise in Liams Zimmer. „Bereit?" Fragt er mich. Ich nicke und nehme seine Tasche entgegen. Sie war um einiges leichter als meine. Kein Wunder. Er hatte auch keine Bücher oder sowas drin. „Ihr könnt übrigens erstmal bei mir unterkommen." Sagt Dima. Liam nickt lächelnd. Ich atme nocheinmal tief durch und umarme ihn dann. „Viel Glück dir. Wir warten an der Ecke." Sage ich. Er erwiedert sie. Nachdem wir uns gelöst haben schaut er mich lächelnd an. „Wir schaffen das. Alles wird gut." Er richtet seinen Blick auf Dima. „Pass auf sie auf bis ich da bin." Dieser nickt ernst. Zusammen gehen wir aus dem Zimmer zur Haustür. Ich öffne sie leise und wir schleichen heraus in die Freiheit. In ein Leben ohne Karl und meiner Mutter.

Der Schein trügt | Johnny Diggson FF [Überarbeitet]Where stories live. Discover now