Kapitel 1 - Schweiß und Tränen

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Seufzend nehme ich den nächsten Karton in die Hände, um ihn die Treppen hochzutragen. Ich hasse Umziehen, was vielleicht daran liegt, dass wir schon zu oft umgezogen sind. Doch diesmal bleiben wir, zumindest sagt das mein Vater. Er habe hier wohl eine dauerhafte Stelle bekommen. Mich würde es jedenfalls freuen, wenn wir in einem Jahr nicht schon wieder umziehen würden. Die Gegend scheint echt in Ordnung zu sein, viel gesehen habe ich allerdings noch nicht. Nachdem wir angekommen sind, hat uns meine Tante direkt vom Bahnhof abgeholt und uns zunächst bei sich schlafen lassen, bevor heute dann der LKW mit unseren Sachen angekommen ist. Und jetzt räumen wir ihn - zu meinem Bedauern - in der prallen Hitze aus.

Mit einem erneuten Seufzen stoße ich meine Zimmertür auf und trage den Karton hinein. In der Mitte des Zimmers stelle ich ihn ab, während ich mich im Zimmer umschaue. Sofort fällt mir der Balkon ins Auge, mit Sicht hinaus aufs Meer. Zwar ist es leicht versteckt hinter ein paar Häusern, jedoch sehe ich sofort das herrliche blau der See. Ich öffne die Tür und trete hinaus. Ich hatte bereits gehört, dass Sokcho eine sehr schöne Stadt sein soll, doch habe ich nicht damit gerechnet, dass das Meer mich so überwältigen würde. Schon aus dieser Entfernung kann man den extrem hellen Sand sehen und ich stelle mir vor, wie er sich zwischen meinen Fingern anfühlt. Ich höre in meinen Gedanken schon förmlich die Wellen um mich schlagen, spüre, wie die Algen sich an meine Haut schmiegen.

„Gefällt es dir, Taehyung?", höre ich die sanfte Stimme meiner Mutter, woraufhin ich mich von dem Anblick losreiße. Ich gehe wieder ins Zimmer und lächle meine Mutter an.  „Ja, es ist wundervoll", sage ich und schaue mich erneut im Zimmer um. Auf einen Schlag kann ich mir sogar richtig gut vorstellen wie alles hier drin aussehen wird. Ein Schub der Motivation ergreift mich. „Dein Vater und ich haben etwas für dich, magst du runter kommen?", fragt sie mich und ich nicke. Zusammen gehen wir runter und mein Vater wartet bereits auf uns. Anschließend werde ich auch von ihm gefragt, ob mir das Haus gefällt. „Ich habe noch nicht alles gesehen, aber mein Zimmer finde ich toll", erkläre ich, „wo sind eigentlich die andern beiden?"

Mein Vater schmunzelt. „Die beiden sind einkaufen, sie wollten sich vor dem Ausladen drücken", erklärt er, was mir ein Lachen entlockt. Typisch meine Geschwister. Bloß keine Körperarbeit. „Ich bleibe hier, keine Angst, aber Ma- Mutter meinte, ihr hättet etwas für mich." Ich wollte erst Mama sagen, jedoch habe ich mich noch schnell verbessert. Mein Vater ist zwar nicht sonderlich streng, allerdings achtet er auf Disziplin in der Sprache. Er möchte, dass wir uns später gut ausdrücken können, in sämtlichen Lebenslagen. Wozu eben auch gehört, Mutter und Vater zu sagen. Wenn ich mit meiner Mutter alleine bin, darf ich sie allerdings auch einfach Mama nennen. „Das stimmt, komm her mein Großer", sagt er und winkt mich zu sich. Ich komme seiner Bitte nach und stelle mich zu ihm.

Er zieht ein Tuch weg und ich halte überrascht die Luft an. Darunter steht ein Surfboard. Und zwar genau das, welches ich mir schon seit knapp zwei Jahren wünsche. Es ist ein Shortboard, also deutlich kürzer als mein Altes. Ich hatte eine Zeit lang ein Fish-Board, das war noch etwas größer und hatte hinten eine Einkerbung. Doch dieses Shortboard sieht aus wie ein Wassertropfen. Ich trete langsam an das Board heran und berühre es sanft und vorsichtig mit meinen Fingern. Ich streiche die Kanten entlang und ertaste die Oberfläche. Sie wurde nicht komplett geglättet, was ein Vorteil für den sicheren Stand ist. Ich fahre die Muster auf dem Brett nach und bestaune ihre Präzision. Die komplette untere Hälfte des Brettes ist in einen Aquarell-Look getaucht. Die verschiedensten Blau- und Türkistöne vermischen sich und verblassen nach oben hin langsam. Dafür verzieren Linien die obere Hälfte. Diese Linien wurden schattiert wie Wellen und bilden das Wort Dream, welches sich dann langsam auflöst.

„Es ist wunderschön, nein, es ist perfekt", hauche ich leise und schaue meine Eltern an. Mir steigen die Tränen in die Augen als ich realisiere was sie für mich getan haben. Dieses Board ist nicht gerade günstig, das weiß ich, weil ich seit zwei Jahren dafür spare. Es war wie ein Traum, auf dessen Erfüllung ich hinarbeite. Dieses Board ist ein handgearbeitetes, ein Unikat. Ich hole den Abstand zu meinen Eltern wieder auf und umarme sie beide gleichzeitig. „Danke, danke euch, ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie sehr ich euch danke", sage ich leise und schluchze einmal auf. Ich habe schon Ewigkeiten nicht mehr vor Freude geweint. Ich vergrabe meinen Kopf im Oberteil meines Vaters, der mir mit einem leisen Lachen über den Kopf streicht.

„Versuch bitte nur, es nicht direkt kaputt zu machen, okay?", sagt er mit einem Schmunzeln als ich meinen Kopf hebe, was mir ebenfalls ein Lachen entweichen lässt. Die Geschichte, wie ich mein allererstes Board schon nach dreimaliger Benutzung komplett zerstört habe, wird er mir wahrscheinlich immer vorhalten. „Mache ich, Vater, ich verspreche es", sage ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Und jetzt hopp-hopp", sagt meine Mutter, „je schneller die Kisten im Haus sind, desto schneller kannst du dein Board austesten."

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें