Kapitel 18 - Das Meer in Ölfarben

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„Suchen sie sich bitte alle einen geeigneten Platz aus und stellen sie dort ihre Materialien auf. Denken sie nur daran, genug Licht auf ihre Leinwand zu richten, da—", weist mein Kunstlehrer Mr. Hwang den Kurs an, doch ich höre schon nicht mehr zu. Ich habe meine Staffelei und Leinwand bereits in den Händen und begebe mich leise an einen geeigneten Platz. Geeigneter Platz bedeutet an dieser Stelle einen Platz direkt am Fenster. So wird genug Licht auf die Leinwand fallen und die Farben nicht verfälschen. Sollte es jedoch regnen oder sogar stürmen, habe ich immer noch die helle Lampe, welche in kaltem, weißen Licht, ähnlich dem natürlichen Tageslicht, erstrahlt. Ich bemerke, wie sich langsam alle anderen im Kurs ebenfalls bewegen und verschnellere meinen Gang etwas. Kaum habe ich mich hingesetzt, sehe ich auch schon, wie sich Jimin direkt neben mich setzt.

„Na, du böser Junge?", begrüßt er mich. „Dem Lehrer nicht ganz zum Ende zuhören, ich bin enttäuscht von dir, mein Kind", äfft er unsere gemeinsame Sportlehrerin nach und schüttelt dabei missbilligend den Kopf. Mein Mund verzieht sich zu einem Grinsen und ich muss sogar leicht lachen. „Wenn du nur gekommen bist, um mir das auszurichten, dann kannst du dir gerne einen eigenen Platz suchen, denn ich möchte hier sehr gerne konzentriert arbeiten", lasse ich ihn wissen und obwohl ich einen scherzhaften Ton an den Tag lege, ist uns beiden bewusst dass ich es ernst meine. Jimin hebt kooperierend die Hände. „Alles klar, Mr Kim, ich lasse sie ihr Kunstwerk in Ruhe erstellen." Ich verbeuge mich etwas und bedanke mich dabei, eine Angewohnheit die sich über die Jahre entwickelt hat. Anschließend sehe ich mich im Raum um, auf der Suche nach Farben. Mr Hwang hat uns im Prinzip alles frei gelassen, von der Beschaffenheit des Untergrundes bis hin zu den Farben, solange wir uns an das Thema halten.

„Malen Sie bitte etwas, mit dem Sie sich verbunden fühlen. Etwas, das in Ihnen ein bestimmtes Gefühl hervorruft, so stark wie nichts anderes. Es kann alles sein.Es kann eine Kindheitserlebnis sein, Ihre größte Angst, ein Traum. Doch seien Sie sich darüber bewusst, dass man immer ablesen kann, mit welchem Gefühl ein Maler sein Werk erstellt hat."

So hat er die Aufgabe beschrieben. Natürlich wusste ich sofort was ich malen wollte. Das Einzige, was mir immer wieder Halt gibt und mich nie im Stich lässt. Das Meer. Das Meer mit seinen unbändigen Wellen und seinem Rauschen. Ich hab noch keine Ahnung wie genau ich es umsetzen werde, aber ich weiß, welche Farben ich brauche. Klassischer Weise werde ich es mit Ölfarben kreieren, da diese für mich eine höhere Intensität haben, also stehe ich auf und gehe zu dem Regal, in welchem ich die ausgekundschaftet habe. Überrascht stelle ich fest, dass diese Schule eine Menge an Ölfarben hat, aber dennoch kein einziger Schüler dort mit mir steht. Ich frage mich woran das wohl liegt, als ich bereits die Präsenz meines Lehrers neben mir spüre.

„Sie sind sehe sehr mutig, dass Sie sich dich bei so einem Projekt direkt an die Ölfarben ran wagen", lässt er mich wissen, weshalb ich ihn verwirrt anschaue. „Wieso meinen sie das?", frage ich nach. „Ölfarben sind nicht gerade einfach zu handhaben, außerdem ist die Farbe sehr intensiv. Und natürlich weil Ölfarbe dickflüssiger und daher schwerer zu mischen ist", erklär mein Lehrer mir. „Aber gerade diese Punkte sind die, die ich an Ölfarben schätze. Und ich finde nicht, dass es etwas Schlimmes ist, die Farben nicht so leicht mischen zu können, da dadurch eher ein Mosaik Effekt entsteht. Also, nicht wortwörtlich, aber Sie verstehen sicherlich was ich meine", lege ich meine Art des Denkens dar. Mr Hwang nickt langsam, er scheint meine Worte zu verarbeiten. Ich suche mit meinen Augen von der Seite aus den Schrank weiter nach Farben ab. „Ich mag Ihre Art zu denken", gibt mein Lehrer schließlich von sich. „Ich erwarte großes von Ihnen." Mit diesen Worten ist er verschwunden.

Ehrlich gesagt kümmere ich mich um diese Erwartungshaltung recht wenig, stattdessen wende ich mich lieber der Farbsuche. Meine Finger streichen über die verschiedenen Tuben, bis ich einige Farben in einen herumstehenden Karton packe und diesen mit zu meinem Platz nehme. Dort bereite ich bereits wieder alles für den nächsten Schritt vor und beginne damit, die ersten feinen Linien mit Bleistift auf die Leinwand zu zeichnen. Nach 10 Minuten ertönt die Stimme meines Lehrers hinter mir. „Wer ist das, wenn ich fragen darf?" Ich zucke kaum merklich zusammen, jedoch verstehe ich seine Frage nicht. Ich drehe meinen Kopf leicht, um ihn ansehen zu können. „Wie meinen Sie das?", frage ich nach. Er wiederum nickt zu meinem Bild.

„Die Person dort. Wer ist es?", wiederholt er die Frage. Ich schaue auf meinen Leinwand und meine Augen weiten sich langsam und starre auf das, was vor mir steht. Ich habe nicht gemerkt, dass ich diesen Abend gezeichnet habe. Doch jetzt ruht mein verwirrter Blick auf dem Felsen, mitten im Wasser, mit einer Person drauf. Doch beimAnschauen dieses Bildes wird mir klar, warum ich es gezeichnet hätte. Da ich merke, dass Mr Hwang immer noch hinter mir steht, erhebe ich meinenStimme leicht. „Ich wünschte, ich wüsste es."    

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt