Kapitel 76 - Viertel

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Der Weg in das Königreich der Jeongs war ein leichterer, als ich es angenommen hatte. Wir sind dank Hoseok unbemerkt durch eine Art Loch im Kraftfeld des Tores in die hinteren Viertel des Reiches gelandet. Wir wollten eigentlich durch den Haupteingang, aber da wir doch später als erwartet eingetroffen sind, hat uns Hoseok hier lang geführt. Dort hatte Junhong, der Kindheitsfreund von Hoseok, uns in Empfang genommen. Wir haben kurz geredet und dann musste Hoseok schon wieder wegschwimmen, in den Palast. Jetzt stehen – naja, treiben – Jimin und ich hier mit Junhong der uns etwas mustert.

„Dafür, dass ihr Menschen seid, scheint ihr euch ganz schön gut in euren neuen Formen zu fühlen", sagt er und lächelt, „wenn ihr auffliegt, dann jedenfalls nicht dadurch, dass ihr euch zu menschlich verhaltet." Ehrlich gesagt beruhigt mich das ungemein, ich kann den Stein, der mir vom Herzen fällt, sozusagen wirklich spüren. „Wir haben von den Besten gelernt", sagt Jimin schmunzelnd und auch ich muss, trotz der ernsten Situation, etwas grinsen. „Ich werde euch ein wenig durch dieses Viertel führen und euch eure Geschichten erzählen." Hoseok hat zusammen mit Junhong dafür gesorgt, dass wir in diesem Königreich eine Identität bekämen, damit uns sein Vater überhaupt in den Palast lässt.

„Ich glaube Hoseok-Hyung meinte etwas von einer Dame, die jetzt unsere Mutter ist, wenn ich mich richtig erinnere", überlege ich laut und sehe, wie Junhong nickt. „Sie ist eine Freundin meiner Mutter. Ihr Name ist Ha Jiwon, sie hat eigentlich zwei Söhne in eurem Alter, aber die sind vor ein paar Monaten geflüchtet, oder wie wir es offiziell nennen sollen: ausgeschwommen." Ich seufze etwas, auch wenn das Wortspiel lustig war, ist es traurig, zu hören, dass Bewohner hier flüchten. „Meine Familie ist ebenfalls eingeweiht und ihr seid schon seit ich zur Schule gehe gute Freunde von mir. Ihr habt den Prinzen schon einige Male getroffen und versteht euch gut mit ihm, habt aber noch nie etwas alleine mit ihm unternommen." Er schwimmt etwas vor und wir folgen ihm.

Während er uns weiter von unserem Leben erzählt, inspizieren Jimin und ich die Umgebung, in der wir uns befinden. Auch hier war es wunderschön. Es ist zwar um einiges dunkler, es wurden dunkle Baumaterialien und stark-saturierte Edelsteine benutzt, das ändert jedoch nichts an der Schönheit. Anders als in Halcyon ist hier jedoch ein Unterschied zwischen arm und reich zu sehen. „Sag mal, habt ihr hier Geld?", frage ich also, denn in Halcyon gibt es so etwas laut Jungkook ja nicht. Junhong seufzt. „Ja, aber leider haben die, die es am meisten brauchen, am wenigsten davon", antwortet er, was eigentlich so ziemlich nach der Menschheit an Land klingt.

Fast eine gesamte Stunde schwimmen wir umher, treffen auf unsere „Mutter" und schauen Junhong dabei zu, wie er seine Palastuniform, die aus zwei metallenen, breiten Ringen, die sich um seine Oberarme legen wie eine zweite Haut, anlegt. Dann erklärt er uns, dass wir uns jetzt auf den Weg zum Palast machen werden. Jimin und ich halten uns an den Händen, etwas, dass die Brüder von Jiwon wohl auch oft gemacht haben, weil sie sich so unglaublich nah standen. Aber eigentlich ist uns beiden klar, Junhong wahrscheinlich auch, dass wir Angst haben. Angst vor dem Ungewissen.

Wir schwimmen zum Palast, wo sich gerade Hoseok mit einem Mann, der ihm überhaupt nicht ähnlichsieht, unterhält. Ich kann meinen Blick natürlich nicht staunend die Fassade rauf und runter gleiten lassen, da ein Bewohner Merakis natürlich den Palast schon öfters gesehen hat, aber alleine schon die riesige Pforte ist erstaunlich. Sie ist aus dunklem Marmor gehauen, mit Diamanten und Rubinen übersäht. Griechische Schriftzeichen wurden hineingeschnitzt, Junhong hat uns erzählt, dass es ein altes Sprichwort ist, was so viel bedeutet wie: „Zu viele Meinungen versenken das Schiff".

Mein Blick gleitet zu dem Mann neben Hoseok. Er trägt eine Krone, aus Muscheln und funkelnden Brillanten bestehend. Hoseok selbst trägt eine Art Kranz, ebenfalls aus Muscheln und Edelsteinen, dazu trägt er eine lange Kette mit einem Stein mit dem gleichen Farbverlauf wie sein Fischschwanz ihn hat. „Pünktlich wie immer, Junhong", lachte er und umarmt seinen Freund, als hätte er ihn lange nicht mehr gesehen, „und du hast Dongyul und Dukhwan mitgebracht, wie abgesprochen." Wir grinsen ihn beide leicht unsicher an. „Hallo Prinz Hoseok", sagt dann Dongyul –ich meine, Jimin– und verbeugt sich gleichzeitig mit mir etwas.

„Ach hört doch auf!", lacht Hoseok und schlägt und spielerisch auf die Schulter, „ihr seid Freunde, Hoseok reicht." Der Mann neben ihm muss etwas lachen, als Hoseok das sagt. Jetzt, wo er lächelt, sieht er seinem Sohn auf einmal doch unglaublich ähnlich. „Also, Vater, Junhong hat erzählt, dass die beiden gut für den Job sind, also hier sind sie", erklärt Hoseok ihm dann und ich spüre den interessierten Blick von Soobaek auf mir, schaue ihm nur kurz in die Augen und senkte den Blick dann wieder, immerhin war ich ein guter Bürger Merakis. „Ich vertraue dem Urteil Junhongs. Er ist zwar gerade erst mit der Schule fertig, aber er hat sich bei uns bereits einen unglaublichen Namen gemacht. Training werdet ihr allerdings trotzdem bekommen", erklärt er und sofort verbeugen Jimin und ich uns tief.

„Vielen Dank, eure Majestät!", sage ich und Jimin nickt eifrig. „Ja, eure Majestät, wir werden unser Bestes geben!" Erneut lacht der König und ich kann aus dem Augenwinkel sehen, wie Hoseok seinen Vater leicht traurig lächelnd anschaut. Er hat uns erzählt, dass er kaum noch aus ganzem Herzen lacht oder gar lächelt. Und eben das sehen wir genauestens, als seine Miene sich verzieht, weil hinter ihm eine Stimme ertönt: „Nicht so schnell." Charon. Eindeutig.

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]Where stories live. Discover now