Kapitel 52 - Schatten

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Normalerweise ist es einfach, auf den Felsen zu kommen, besonders da er nicht hoch ist, aber durch meine Aufregung brauche ich heute etwas länger. Eine Weile sitze ich auf dem Felsen und schaue den Mond an. Ich sollte aufpassen, nicht zu lange zu machen, immerhin ist morgen wieder Schule. Leise summe ich eine Melodie vor mich hin, während ich einem Schatten dabei zusehe, wie er der Wasseroberfläche näherkommt. Kurz darauf erscheint auch schon Jungkooks Haarschopf, lächelt mich an, ich lächle zurück. „Kannst du die Muschel annehmen, Tae?", fragt mich Jungkook und hält mir seine Errungenschaft entgegen, was mich die Augen weiten lässt. „Also, so groß hätte sie jetzt auch nicht sein müssen", lachte ich, als er mir eine Jakobsmuschel mit einem Durchmesser von knapp 40 Zentimetern überreicht, sodass das Wasser jedoch in ihr enthalten bleibt. „Ich kann ja nichts dafür wenn du nur groß sagst", meckert er spielerisch und springt auf den Felsen, wobei die Verwandlung schnell abläuft und er sich sofort an mich lehnt.

Die Muschel steht neben mir. „Also, Kolumbus, was haben Sie aus fremden Welten zu berichten?", kichert Jungkook und erwärmt mein Herz. „Wie kann es sein, dass du Kolumbus kennst, aber dann ficken und Tagesfläche sagst?" Er schaut mich verwirrt an. „Ficken ist doch das Wort wenn man miteinander schläft, das haben so ein paar Halbblüter Jungen mir zumindest gesagt", erklärt er sich und ich muss lachen. „Ja das stimmt, aber das ist eins der Worte die man lieber nicht sagt, weil das asozial klingt", erläutere ich und er weitet die Augen.„Ich bringe diese Jungs um", murmelt er und ich küsse seinen Scheitel. „Tagesfläche, ist das auch so ein asoziales Wort? Du musst wissen, ich habe eure Sprache früher zwar durch Reisen an Land gelernt, aber seit dem Fluch muss ich mich auf andere verlassen, deshalb bleibt mir oft nichts anderes übrig, als denen eben zu vertrauen." „Naja, es gibt Tageslicht und Oberfläche, du hast die Wörter einfach nur vermischt", schmunzle ich und kraule seinen Kopf ein wenig. „Oh, ach so", sagt er nur.

Einen Moment lauschen wir den Wellen und der Atmung des anderen. „Also, was hast du alles so zu erzählen, was du mir persönlich sagen wolltest?" Ich hole tief Luft. „Naja, wie gesagt, meine Großmutter war wohl eine Sirene, deshalb kennt meine Familie das Meer, weißt du? Meine Mutter und mein Großvater kannten dich schon als kleines Baby, meine Großmutter hat Bilder von dir gezeigt, dem ‚kleinen, süßen Thronfolger-Baby'", grinse ich und er haut mich mit rosa Wangen. „Was denn, das bist du immer noch, mein kleines, süßes Thronfolger Baby", lache ich, höre bei seinem Blick dann aber schnell auf, nicht dass er mich gleich vom Felsen stößt. „Naja auf jeden Fall ist sie wohl gar nicht gestorben, sondern in dem Krieg damals entführt worden, weißt du?", er weitet die Augen. „Weißt du denn von wem?" Ich schüttle den Kopf. „Mein Großvater vermutet seit jeher die Meraki als die Schuldigen, aber sie wurde in dem Königreich wohl nie gefunden." Jungkook nickt langsam und nachdenklich, drückt sich näher an mich. „Das tut mir so leid für dich, für euch, Tae."

Ich seufze einmal leise und spiele mit seinen Haaren. „Naja, auf jeden Fall habe ich etwas von ihr geerbt weißt du?" Er weitet die Augen und schaut mir direkt ins Gesicht. Ich schlucke einmal.
„Also einerseits fühle ich mich oft halt einfach in der Nähe von Wasser viel wohler, als an Land und es beruhigt mich", fange ich an, „aber da gibt es noch etwas." Ich hole tief Luft und schaue auf die Muschel mit Wasser. Jungkook folgt meinen Blick und scheint bemerken, dass ich mich konzentriere. „Das kann nicht sein", haucht er, doch ich antworte nicht. Mein Großvater hat mir erzählt, dass ich einfach auf mein Herz hören soll, und durch die geerbten Fähigkeiten seiner Frau würde der Text nur aus mir heraus fließen. Und genau das tut er, ich fange vorsichtig an zu singen. „I've been staring at the edge of the water, 'Long as I can remember, never really knowing why", fange ich an, ihm zu erklären, den Blick auf dem kleinen Teich in der Muschel.

„I wish I could be the average son, But I come back to the water, no matter how hard I try." Langsam brodelt das Wasser in der Muschel etwas und Jungkook zieht die Luft ein, starrt darauf. „Every turn I take, every trail I track, Every path I make, every road leads back To the place I know, where I can not go, where I long to be", offenbare ich meine ehrliche Meinung zur See. Ich sammle noch einmal ein wenig Energie, woraufhin ich mit kräftiger Stimme weiter singe. „See the line where the sky meets the sea? It calls me! And no one knows how far it goes." Zwei größere Tropfen steigen aus der Muschel hinaus und schweben etwas in der Luft. „If the wind in my sail on the sea stays behind me", die Tropfen steigen weiter auf und umkreisen sich langsam. „One day I'll know... If I go there's just no telling how far I'll go", die Tropfen fallen mit einem Platschen weder in die Muschel, ich schaue zu Jungkook, der noch paralysiert darauf schaut.

„Koo?", frage ich doch in dem Moment beginnt er zu singen. „I know everybody on your island seems so happy on this island; Everything is by design", singt er und die Wellen um uns herum beginnen bereits mehr zu rauschen, was schon irgendwie unfair ist, aber er ist immerhin ist er auch eine Sirene. „I know everybody on this island has a role on this island; So maybe you should roll with yours", er schaut in meine Augen und lächelt mich an, macht mir klar dass es okay ist, zu zweifeln, dass es okay ist, dem Ruf des Meeres folgen zu wollen. „See the light as it shines on the sea? It's blinding!" Er hat recht, es ist wunderschön. „But no one knows, how deep it goes", die Wellen steigen langsam um uns herum auf, wie damals in der Grotte. „And it seems like it's calling out to you, so come find me!", er nimmt meine Hand in seine, während er das sagt, scheint froh zu sein, dass ich ihm damals gefolgt bin. „And let you know, what's beyond that line, will we cross that line?"

Ich weite meine Augen, ja, ich will! Ich will diese Grenze mit ihm überbrücken, ich will wissen was es alles gibt. Wir schauen uns an, während die Wellen uns in einen Kokon auf diesem Felsen gewickelt haben, singen zusammen weiter, während wir unsere Hände halten. „See the line where the sky meets the sea? It calls me!", aus der Muschel steigen wieder die beiden Tropfen auf. „And no one knows how far it goes", die Tropfen verformen sich, eine Person und ein Meermann. Tanzen schemenhaft umeinander herum. „If the wind in my sail on the sea stays behind me", der Kokon bewegt sich schnell um uns, Wind fährt durch unsere Haare, die Figuren kommen sich näher. „One day I'll know, how far I'll go", nach einem leichten Kuss der Figuren fallen die Tropfen und die Welle mit einem lauten Platsch wieder in die Behältnisse zurück. Doch Jungkook und mich stören die Tropfen nicht, welche nun auf uns hinab prasseln und uns erneut nass machen, denn alles was zählt, sind unsere Lippen, die sich nun erneut zu einem sanften Kuss verbinden.

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Für die, die es nicht wissen, Süd-Korea ist eine (Halb-)insel, deswegen der Part mit dem "on your island"

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Kimchi_Real

Under The Sea ♛ TaeKook [completed; Hobby Award, Fishriver Award]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt