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Am Nachmittag befanden sich Kommissar Treibel und Praktikant Paul im großen Wohnraum eines exquisiten Bungalows.
Treibel stellte der Dame des Hauses, die wenige Stunden zuvor von einem Wahnsinnigen, wie sie sich ausdrückte, überfallen worden war, einige Fragen.
Der Täter hatte der Dame nichts getan, jedoch den Wagen und Kleidungsstücke, die zum Trocknen an der frischen Luft hingen, mitgehen lassen. Dazu Werkzeug und einige Flaschen Schnaps, was dem Kommissar seltsam erschien.
Um einen klassischen Raubüberfall konnte es sich nicht handeln, denn Bargeld und Schmuck hatten den Täter nicht interessiert.
Der Täterbeschreibung nach konnte es sich nur um den aus der Psychiatrie entflohenen Mörder handeln. Die Dame war sogar imstande, eine besonders detaillierte Beschreibung abzugeben, hatte sich der Täter der Frau gegenüber doch nackt gezeigt.
Paul hatte die Order bekommen, die Aussagen der Dame auf dem Notebook zu protokollieren.
Doch der Kommissar traute seinen Augen kaum, als er den Praktikanten mit einem flüchtigen Blick dabei ertappte, wie Paul in ein virtuelles Pokerspiel vertieft war.
Um ihn vor der Dame nicht bloßzustellen, fragte Treibel seinen Gehilfen, ob er denn mit dem Schreiben nachkomme, was Paul mit verlegenem Stillschweigen beantwortete.
Die Dame ließ es sich nicht nehmen, einen aromatisch duftenden Kaffee zu servieren, der sich als überaus stark erwies.

Schon bald entfaltete das Koffein seine Wirkung und schwirrte wie ein Fliegenschwarm im Kopf der Fahnder umher.
Treibel erfuhr am lebendigen Leib das, wovon er letzte Woche in einer Biografie über Balzac gelesen hatte. Nacht für Nacht hatte dieser Autor Dutzende von Tassen Kaffee  in sich hineingeschüttet, woraufhin ihm die Gedanken nur so zugeflogen waren.
Paul hatte ganz andere Probleme. Er hatte den starken Kaffee nicht vertragen und flüsterte etwas von Herzjagen und Übelkeit.
Und schon spurtete der Praktikant durch die offene Terrassentür, um sich draußen auf dem weißen Marmor zu übergeben. Das Mittagessen, ein saftiges Kassler mit Sauerkraut, und selbst der grüne Wackelpudding kamen halb verdaut zum Vorschein.
Dieser Vorfall war Treibel in höchstem Maße peinlich.
Höflich bat er die Dame für das Benehmen seines Praktikanten um Entschuldigung und gebot ihm barsch, das Erbrochene zu beseitigen.
Glücklicherweise zeigte die Frau Verständnis und brachte Eimer und Lappen.
Dann fuhr sie fort, detailgenau vom dreisten Überfall zu erzählen, wobei sie ständig vom eigentlichen Thema abkam.
Treibel zierte sich, ihren Redefluss zu stören, stand der Kommissar doch bei der Frau aufgrund der unangenehmen Begebenheit in einer gewissen Schuld.
Paul hatte unterdessen wieder Platz genommen und fuhr mit seiner Arbeit am Laptop fort.

Nach drei Stunden war die langatmige Befragung der Dame - es war schon fast Abend - zu Ende. Treibel und Paul waren darüber heilfroh, was sie sich nicht anmerken ließen.
Sie verabschiedeten sich und verließen den Bungalow.
Erleichtert, dass der monotone Redeschwall nun vorüber war, marschierten die beiden zu ihrem Wagen.

Der EntfloheneWhere stories live. Discover now