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Ab geht die Post. Ich drücke auf die Tube.
Schade um den Käfer, der mir tausendmal lieber gewesen wäre als dieses Scheiß-Bullenauto.
Sally zolle ich ein dickes Lob. Sie habe sich gut verkauft gegen die beiden Kerle und sei für mich die zweite Lara Croft.
Und eine Karateka mit grünem Gürtel, ergänzt Sally mit einem Lachen.
Um ungeschoren von hier wegzukommen, brauchen wir ein anderes, ein unauffälliges Fahrzeug. Ein Polizeiauto taugt dazu nicht.
Ich werde mich einfach dem nächsten Wagen, der uns entgegenkommt, in die Quere stellen.

Gesagt, getan.
Das golden lackierte Sportcoupé muss scharf bremsen. Die Reifen quietschen.
Ein Schickimicki-Typ  steigt aus, ist ziemlich geladen.
Er baut sich vor mir - ich habe den Wagen ebenfalls verlassen - auf und brüllt, ob ich denn nicht alle Tassen im Schrank hätte. Wenn der Kerl nicht blitzartig auf die Bremse gelatscht wäre, hätte es einen Riesen-Crash gegeben.
Die Glubschaugen des eitel parfümierten Schönlings quellen über von dem Gebrüll und ich habe die Befürchtung, dass sie gleich aus den Höhlen kullern.
Weil der Typ, die Hände zur Faust geballt, sich überhaupt nicht mehr beruhigen kann und fortwährend nur noch schreit, komme ich gleich zur Sache, zücke die Knarre und halte sie ihm vor die Birne.
Ich erkläre, dass das keine Spielzeugkanone sei. Er solle keine Sperenzien mache und einfach nur auf dem Rücksitz seines Wagens Platz nehmen. Das sei schon alles.
Provokant fragt mich der Wichtigtuer, ob ich denn überhaupt wisse, mit wem ich es zu tun hätte.
Ich antworte, dass ich das natürlich wisse. Mit einem aufgeblasenen Klugscheißer aus der Provinz, der sich für den Nabel der Welt halte.
Ich brülle den Knülch an, dass er jetzt endlich die Klappe halten solle. Seinen Affenschrott könne er woanders ablassen.
Weil mir der Wortwechsel zu dumm wird und außerdem jederzeit ein Auto aufkreuzen kann, packe ich das Großmaul und schmeiße es auf den Rücksitz seines Flitzers.
Sally steigt mit hinten ein und hält den Typen, während ich das Gepäck umlade, mit der Knarre in Schach.
Neidlos muss ich anerkennen, dass dies ein wirklich schick aufgemotzter Schlitten ist: mit Heckspoiler, 17-Zoll-Felgen und tiefer gelegt.

Dann knall ich mich hinters Steuer.
Sally reicht mir erst mal auf meine Bitte hin die Whiskyflasche, die sie aus einer der Taschen kramt. Einen guten Schluck zur Beruhigung habe ich mir jetzt verdient.
Dann sausen wir los. Endlich eine Maschine, die was zieht.
235 PS, wie der Kerl prahlt, um mich jedoch im gleichen Atemzug zu ermahnen, bloß nichts einzusauen. Auch solle ich dem Schnösel keinen Kratzer in den Lack machen, denn dieses Coupé hege und pflege der Kerl wie seinen Augapfel.
Okay, ich verspreche es Herrn Großkotz.
Solche Schwätzer sind mir nicht unbekannt. Dieser Typ gehört zu der Sorte Mensch, die das Maul nur auftut, um den inneren Müll abzuladen.

Ich hab's geahnt: Nun versucht der lebensmüde Kerl auch noch, Sally die Knarre zu entreißen.
Auf dem Rücksitz kommt es zu einem wilden Gerangel.
Nicht ungefährlich, denn leicht kann sich dabei ein Schuss lösen.
Doch Sally hat die Lage schnell unter Kontrolle.
Als der Trottel meine Sally daraufhin einen Giftzwerg nennt, reicht's mir! Finito! Ich haue dem Kerl die angebrochene Whiskyflasche über die Rübe.
Endlich hält er die Klappe. Nur schade um den Whisky, die Flasche war noch halb voll.
Ich weise Sally an, den Typ gut im Auge zu behalten, denn schon in wenigen Minuten werde er wieder zu sich kommen.

Die flotte Kiste ist auch innen mit allem Pipapo ausgestattet: Dutzende Schalttasten am Lenkrad, Büffelleder, Marken-Präser im Handschuhfach...
Als ich gerade all den Schnickschnack unter die Lupe nehme, schlingt mir der verrückte Typ, der wieder bei Bewusstsein ist, plötzlich den Arm um die Kehle.
Ein solch übler Würgegriff ist grundsätzlich nichts Neues für mich und ich weiß mich dagegen zu wehren. Neu ist jedoch, dass ich in dieser misslichen Lage mit 140 Sachen unterwegs bin.
Ich habe die Straße vor mir kaum noch im Blickfeld und bekomme allmählich keine Luft mehr.
Sally zögert zu schießen, versucht, den Würgegriff mit Beißen und Kratzen zu lösen. Doch vergeblich. Daher greift sie zu härteren Bandagen und rammt dem Kerl eine Glasscherbe der zerbrochenen Whiskyflasche in den Arm.
Der Kerl lässt meine Kehle sofort los, doch zu spät.
Ich kann den Wagen gerade noch massiv abbremsen, aber nicht mehr verhindern, dass er mit ohrenbetäubendem Krachen gegen eine Birke donnert.
Der Airbag wird ausgelöst und verpasst mir einen hammerharten Schlag ins Gesicht. Das Wageninnere gleicht einer Räucherkammer.
Noch benommen drehe ich mich um, will sehen, wie es meiner Sally geht. Der Typ ist mir im Moment - ehrlich gesagt - scheißegal.
Ich bin heilfroh, als ich merke, dass Sally ansprechbar ist.
Sie meint, mit ihr sei alles okay. Sie sei nur mit dem Oberkörper irgendwo angeprallt, doch zum Glück an dieser Stelle gut gepolstert.
Ich stemme die verbeulte Tür auf und betrachte den entstandenen Schaden von außen.
Leider ist die Achse gebrochen - wohl das endgültige Aus für die Kiste.
Der verrückte Kerl, der mit seinem Unfug für den ganzen Schlamassel verantwortlich ist, hängt bewusstlos im Rücksitz und blutet aus der Stichwunde am Oberarm.
Sally kriecht aus dem Coupé und gemeinsam verfrachten wir den Schnösel auf den Fahrersitz.
Das kann uns einen leichten Vorsprung verschaffen. Denn die Helfer werden zunächst denken, dass der Kerl selbst am Steuer gesessen hat, und gegenteiligen Beteuerungen keinen Glauben schenken, sobald man die zerbrochene Whiskyflasche entdeckt.
Das Versprechen, keinen Kratzer in den Schlitten zu machen, habe ich gehalten, denn einen Kratzer kann man das wirklich nicht nennen.

Der EntfloheneWhere stories live. Discover now