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Hauptkommissar Treibel kamen Zweifel, ob es dieser Jacques Dubois, der sich vorhin schnell mit einem „Au revoir!" verabschiedet hatte, mit der Wahrheit so genau nahm.
Nicht den leisesten Hinweis auf die Flüchtigen hatte man trotz stundenlanger Suche in dem Waldstück, wo Dubois angeblich dem Pärchen begegnet war, finden können.
Lediglich ein Schuhabdruck im schlammigen Bachufer hatte für einige Minuten ein bisschen Hoffnung geweckt, sich aber dann als der von Paul erwiesen.

Zurück in der Wohnung, verbrachte Treibel die halbe Nacht damit, sich in die Gedankenwelt des Mörders zu versenken und kam zum Ergebnis, dass sich der Täter mit seiner Freundin nur in Richtung der Großstadt aufgemacht haben konnte. Dort würde das Pärchen versuchen, erst mal eine Zeit lang unterzutauchen.

Aus diesem Grund luden Treibel und Paul am nächsten Morgen eine Karte der Großstadt auf den Rechner und versuchten, die Ausfallstraßen, die man besonders im Auge behalten musste, zu ermitteln.
An diesen Straßen würde es notwendig werden, den Verkehr genau zu observieren, an besonders heiklen Stellen sogar eine Polizeikontrolle zu errichten.

Die beiden Ermittler machten sich auf in die Großstadt, die vierzig Kilometer von der Landarztpraxis, in der die Ganovenbraut behandelt worden war, entfernt lag.

Dort klapperten die Ermittler systematisch Hotels und Herbergen ab, in denen sich das gesuchte Pärchen einquartiert haben konnte.
Dazu hatte Treibel auf  einem Stadtplan einen Rundgang markiert, auf dem 83 % aller in Frage kommenden Übernachtungsmöglichkeiten lagen.
Mit dieser Aktion hatte der Kommissar seinem Spitznamen „Die Denkmaschine", den er aufgrund der schnellen Auffassungsgabe schon während der Schulzeit erhielt, wieder alle Ehre gemacht.

An diesem Vormittag waren die beiden Fahnder schon fleißig gewesen, hatten im Eiltempo 31 Hotels und Gästehäuser - jedoch ohne Erfolg - abgeklappert.
Paul spürte bereits stechende Schmerzen in den Beinen, was er aber seinem Vorgesetzten nicht mitzuteilen wagte.
Jetzt um die Mittagszeit befanden sich die Ermittler, nachdem sie soeben einen wie ausgestorben wirkenden Rummelplatz passiert hatten, im hässlichen Bahnhofsviertel. Ein Heer zwielichtiger Gestalten, das sich hier vor fragwürdigen Etablissements und Klubs herumtrieb, begaffte die Fahnder in ihren schwarzen Anzügen wie Wesen von einem anderen Stern.
Vorbei ging es an einem Scherzartikelladen, in dessen Schaufenster dem Kommissar die verschiedenen Tröten ins Auge fielen und er kurz verwundert über einen Apparat, der sich eine „Furzmaschine mit Fernbedienung" nannte, stehenblieb.
Das fand der Kommissar höchst albern, was Paul in seiner Meinung bestärkte, dass sein Vorgesetzter ein bierernster Mensch ohne Sinn für Humor war.
Und in gewisser Weise hatte Paul recht damit. Treibel waren Komödien und Faschingsveranstaltungen zuwider, obwohl er früher durch seine Gattin des Öfteren mit solchem Unsinn konfrontiert und sogar einmal genötigt worden war, eine Karnevalssitzung in der Verkleidung als Winnie-Puh zu besuchen.

Treibel und Paul hatten die nächste Station, die Nummer 32, erreicht. Eine heruntergekommene Absteige, deren brüchiger Putz bereits von den Wänden fiel. Die Fassade war mit einem Graffiti besprüht, das wohl ein pinkelndes Kamel darstellen sollte. Auch die Eingangstür erwies sich als beschädigt. Offenbar war das Schloss herausgebrochen.

Der ungepflegte Mann an der Rezeption, der durch seinen extravaganten Spitzbart und den langen ungewaschenen Haaren auffiel, erklärte den Zustand der Tür damit, dass vergangene Nacht ein Spezialkommando das Hotel gestürmt und drei Mafiosi überrumpelt habe. Einer der Typen sei dabei hopsgegangen.
Paul staunte.
Treibel hingegen hielt den verlotterten Kerl für einen verrückten Sprücheklopfer.
Zudem fielen Treibel die weiten Pupillen in den geröteten Augen des Mannes auf, was ihn als Haschisch-Konsumenten auswies. Offensichtlich erklärte dies seine bizarren Hirngespinste.
Treibel hielt dem Kerl das Fahndungsfoto der beiden Flüchtigen vor die Nase.
Der betrachtete es kurz und meinte lapidar, dass er diese Leute nicht kenne, auch noch nie gesehen habe.
Wieder Fehlanzeige!
Paul strich dem Mischlingshund, der sich vor ihm auf dem Boden wälzte, noch kurz übers Fell, bevor sich die Ermittler verabschiedeten und Kurs auf Quartier Nummer 33 nahmen.

Der EntfloheneWhere stories live. Discover now