Kapitel 4 - Killian

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Während meine Mutter Toni aus dem Raum führt, kann ich nicht anders als ihr hinterher zu sehen. Dass sie tatsächlich nach der Hochzeitsnacht gefragt hat, amüsiert mich immer noch ein bisschen. Es zeigt, dass sie zumindest eine Prüfung bestehen wird.

Ich seufze und mein Vater sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Was denkst du, Kilian?« fragt er und ich weiß nicht was ich antworten soll. Die Aussicht auf die Hochzeit fasziniert mich nicht gerade. Wobei das noch nicht einmal an Toni liegt, sondern einfach daran dass ich mich damit abgefunden hatte Alexandra zu heiraten. Ich habe mich mit ihr angefreundet und auch wenn wir keine tieferen Gefühle zu einander hegen, was nach vier Treffen sowieso unmöglich ist, so wusste ich woran ich bin. Alex ist zurückhaltend und wurde so erzogen, dass sie sich einem Mann unterordnet. Das Leben mit ihr wäre unkompliziert gewesen und ich hätte meine Freiheiten behalten können.

Mit Toni wird nichts unkompliziert. Sie wurde völlig anders erzogen und ist in einer Welt aufgewachsen, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Das wird sie nicht so einfach ablegen können. Sie wird es gar nicht ablegen wollen.

Wieder seufze ich und als mein Vater mich mit hochgezogenen Augen an sieht, wird mir bewusst, dass ich seine Frage noch nicht beantwortet habe.

»Nichts wichtiges«, gebe ich schroffer als beabsichtigt zurück und verschwinde dann aus dem Thronsaal, bevor er noch etwas sagen kann.

Vor der Tür sehe ich noch, wie Toni und Mutter in den Garten verschwinden, also nehme ich die entgegengesetzte Richtung.

Mein Weg führt mich in den Tempel des Poseidons, wo ich immer in Ruhe nachdenken kann. Vater hat mir die Gründe erklärt, warum eine Hochzeit so wichtig ist und ich verstehe sie auch. Ich habe noch nicht einmal Angst davor eine Fremde zu heiraten. Alexandra wäre auch noch eine Fremde gewesen.

Mein Problem ist, dass es ausgerechnet Toni ist. Eine Terranerin, die so ganz andere Gebräuche kennt als wir hier in Atlantis. Sie wird sich nicht einfach so meinem Willen unterwerfen. Sie wird für ihre Rechte eintreten und damit vielen Leuten auf die Füße treten.

Außerdem macht es mir Sorgen, dass schon der erste Anblick so intensiv war. In meinem ganzen Leben habe ich immer dafür gesorgt, dass mir niemand außer meiner Familie zu nah kommen konnte. Selbst meine Freunde stehen mir nicht so nah, dass ich schwach werden könnte. Nur Lope hat sich in mein Herz geschlichen. Als wäre sie eine große Schwester, obwohl sie jünger ist als ich. Bei dem Gedanken an meine beste Freundin überkommt mich ein warmes Gefühl. Doch als König muss ich stark sein. Atlantis führt die anderen Städte an und auch wenn die Könige alle gleichberechtigt sind, so wiegt das Wort des Königs von Atlantis doch immer ein bisschen schwerer. Ich darf nicht zulassen, dass wir diese Macht verlieren.

Aber Antonia löst etwas in mir aus, dass ich nicht beschreiben kann. Ihre Augen, ihr Wesen, ihr ganzes Sein ruft nach mir. Und etwas in mir antwortet. Der unnahbare Kilian, konnte eine Frau nicht sterben lassen, weil seine Gefühle die Kontrolle übernommen haben. Als ich sie dort treiben sah, mit Panik in diesen unglaublichen Augen, zog sich mein Herz zusammen. Es hat die Führung übernommen und mich dazu gebracht sie zu retten. Egal mit welchen Ausreden ich mich vor allen anderen rechtfertige, am Ende war es doch mein Herz, das mich dazu brachte. Denn obwohl ich wusste, dass sie nicht sterben konnte, da die Verwandlung schon einsetzte, tat allein der Gedanke an ihren Tod unendlich weh. Diese Empfindung verwirrt mich auch jetzt noch. Wie kann man einem Menschen, den man gerade das erste Mal sieht, so nahe sein?

Und nun muss ich für meine Taten gerade stehen. Es ist besser wenn ich Toni so weit wie möglich aus dem Weg gehe. Sollte es wirklich zu dieser Hochzeit kommen, dann kann ich immer noch entscheiden wie es weiter geht, aber im Moment muss ich stark sein. Ich darf mir nichts anmerken lassen.

»Kilian« Vater steht vor mir und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. Irgendetwas stimmt nicht.

»Komm in den Thronsaal«, sagt er, dreht sich um und geht ohne eine Antwort abzuwarten.

Im Thronsaal angekommen, sehe ich Mutter und Vater auf ihren Thronen sitzen. Beide sehen aus als hätten sie rohe Muscheln schlucken müssen.

»Setz dich«, fordert Mutter mich auf und ich gehorche.

»Es gibt Probleme im Rat«, kommt mein Vater gleich auf den Punkt. »Wir haben einige Widersacher, die nicht wollen, dass Toni in Atlantis bleibt, geschweige denn dich heiratet. Sie haben Angst, dass Jason sich rächen könnte.«

Stirnrunzelnd frage ich: »Wie kommst du darauf?«

»Ich habe meine Spione, die einiges verlauten lassen«, erklärt mein Vater, ganz der König. »Es wird nur gemunkelt, denn keiner weiß wer der Drahtzieher ist. Aber meine Spione hörten wie sich zwei Mitglieder des Rates darüber unterhielten, was man in dieser Situation unternehmen könnte. Einer sprach davon, dass sich der »Chef«, so nannten sie ihn, schon was einfallen lassen würde. Wenn nötig würde er Toni irgendwie aus dem Weg räumen.«

Wut steigt in mir auf, während ich zuhöre. Wie kann es jemand wagen ihr zu drohen, wo doch alles danach aussieht, als würde sie die nächste Königin werden?

»Wer waren die beiden Ratsmitglieder? Du musst sie zur Rechenschaft ziehen«, verlange ich barsch. Doch Vater schüttelt nur bedauernd den Kopf.

»Das geht nicht«, sagt er. »Dann würde der Verräter wissen, dass wir ihm auf der Spur sind. Außerdem würden wir dann gar nicht mehr an Informationen ran kommen. Und wer weiß wie weit sein Netzwerk reicht.«

Das leuchtet ein, macht das Ganze aber nicht besser. Es ärgert mich, dass Toni mir so wichtig ist, dass ich mir Sorgen um sie mache. Das macht mich schwach.

»Du musst sie beschützen lassen«, befehle ich meinem Vater energischer als beabsichtigt, was ihn dazu bringt eine Augenbraue hoch zu ziehen. Er schweigt eine Sekunde, verengt seine Augen kurz zu Schlitzen, bevor sie sich weiten und sein Gesichtsausdruck sich ändert, als er eins und eins zusammenzählt.

»Dir liegt etwas an ihr«, stellt er fest und ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus, dass ihn jugendlicher wirken lässt.

»Blödsinn!«, rufe ich empört. Dass er mich so leicht durchschauen konnte gefällt mir gar nicht. Außerdem weiß ich selbst nicht, wo dieser ausgeprägte Beschützerinstinkt her kommt.

Vater grinst nur und sagt: »Du musst in ihrer Nähe bleiben und sie beschützen.«

Vehement schüttele ich den Kopf. »Nein. Ich werde nicht mehr Zeit in ihrer Nähe verbringen als unbedingt nötig. Es reicht schon, dass ich sie heiraten muss.«

»Du hast sie gerettet«, erinnert er mich. »Und du musst auch die Verantwortung übernehmen. So ist es nun einmal und das wusstest du auch vorher, Kilian.«

Alles in mir sträubt sich gegen seine Worte auch wenn ich weiß, dass er Recht hat. An seinem Gesicht erkenne ich, dass Widerspruch nichts bringen wird. Ich kenne meinen Vater gut genug um zu wissen, wann ich verloren habe. Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als mich in Tonis Nähe aufzuhalten.

»Hast du Alexandra und ihrem Vater bereits Bescheid gegeben?«, wechsele ich das Thema, denn ich möchte nicht derjenige sein müssen, der diese Botschaft überbringt.

Vater nickt. »Ich habe heute Morgen über den Kommunikator mit ihm gesprochen. Er war nicht halb so enttäuscht wie ich dachte. Meiner Meinung nach, war er ganz froh, seine Tochter nicht nach Atlantis schicken zu müssen.«

»Und was hat er zu Toni gesagt?«

Meine Eltern wechseln einen Blick. »Nun ja... Er war zwar froh, dass er Alex nicht wegschicken muss, aber das ein Halbwesen ihren Platz einnimmt, empfand er als Beleidigung.«

»Und was willst du dagegen tun?«, frage ich, denn ich weiß sehr genau, dass ein beleidigter König uns das Leben unnötig schwer machen kann und Lanme ist keine kleine Stadt. Ihr Einfluss reicht weit.

»Vor deiner Hochzeit wird es ein Bankett geben. Dazu laden wir alle Könige ein. Ich hoffe, dass es ihn ein wenig besänftigt, wenn er mein Ehrengast wird.«

Ich hebe die Augenbrauen und mein Vater winkt ab. »Ja ich weiß, der Plan hat einige Schwächen, aber warten wir erst einmal ab, was passiert.«

»Wie du meinst«, entgegne ich. Er muss wissen was er tut. Noch ist es nicht meine Aufgabe die Entscheidungen zu treffen.

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