Kapitel 10 - Kira

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Die nächsten zwei Tage nach der Hochzeit verbringe ich damit Toni zu beschatten. Ich traue ihr immer noch nicht, auch wenn nichts darauf schließen lässt, dass sie all das hier geplant hat. Um sie besser beobachten zu können, schleiche ich mich in ihren Unterricht ein.

Während Lady Melas die Namen der vergangenen Königsfamilien herunter rattert, malt Toni in ihrem Büchlein herum, ohne sich auch nur im Geringsten für die Ausführungen zu interessieren.

»Lady Antonia, haben sie mir überhaupt zugehört?«, meckert Lady Melas los und Toni schaut auf.

»Nein, habe ich nicht«, gibt sie unumwunden zu und Lady Melas muss sich zusammenreißen um keinen Wutanfall zu bekommen, während ich mir das Lachen verkneifen muss und erkenne dass Toni ziemlich direkt ist.

»Darf ich auch fragen warum?«, fragt die Lady nach. Toni antwortet ohne aufzuschauen: »Dürfen Sie.« sagt dann jedoch nichts weiter und Lady Melas schüttelt nur mit dem Kopf und fährt im Unterricht fort.

»Lady Antonia, bei einer Audienz kommt eine Frau zu Euch und beschwert sich, dass sie nach 22 Uhr das Haus nicht verlassen kann, weil sie weder verheiratet ist, noch einen Bruder oder einen Vater hat. Was ratet Ihr ihr?«, fragt unsere Lehrerin.

Toni zieht eine Augenbraue hoch, als würde sie sich fragen, ob Lady Melas diese Frage ernst meint, dann antwortet sie: »Ich rate ihr, eine Änderung des Gesetzes zu beantragen.«

Lady Melas Gesicht wird weiß, wie der Marmor zu ihren Füßen.

»Lady Antonia, das kann nicht Euer Ernst sein!«

Toni schaut die ältere Dame unschuldig an und sagt: »Warum nicht? Wir leben im 21. Jahrhundert. Frauen können ganz gut allein auf sich aufpassen. Was sollte ich ihr denn Ihrer Meinung nach raten?«

Toni stützt das Kinn auf eine Hand und hebt beide Augenbrauen, während sie auf die Antwort von Lady Melas wartet.

»Natürlich, dass sie sich einen Ehemann suchen soll. Oder den König darum bitten soll, einen für sie auszusuchen.«

Selbst ich muss bei dieser Aussage eine Augenbraue heben.

»Sehen Sie, das ist der Grund warum ich Ihnen nicht zuhöre«, gibt Toni zurück und wendet sich wieder ihrem Büchlein zu. Ich werfe einen Blick auf die Zeichnung. Sie hat den Palast detailgetreu eingefangen. Talent hat sie, stelle ich bewundernd fest. Doch meine Bewunderung löst sich schnell in Luft auf, als ich mich daran erinnere, warum ich hier sitze. Nämlich nur um herauszufinden, was sie wirklich plant. Ich mag sie nicht und das wird sich niemals ändern.

Ihre Schuld ist es, dass König Jason uns sein Wohlwollen entzogen hat. Und es würde mich auch nicht wundern, wenn sie der Grund wäre, weshalb es in Atlantis immer mehr Beben gibt. Wir haben schon viel zu viele Riffe verloren und der Schutzschild kann nicht ausgeweitet werden, weil niemand weiß wie das geht. Der Zugang zu den Katakomben ist versperrt und egal was Mutter und Vater versuchen, er lässt sich nicht öffnen. Und selbst wenn sie dort hineinkommen, dann weiß immer noch niemand, was zu tun wäre. Und Silas will einfach nicht mit der Sprache herausrücken, was er in seinen Büchern finden konnte.

Lady Melas beendet den Unterricht für heute und ich verlasse den Raum.

Auf dem Flur verstecke ich mich hinter einer der großen Säulen um abzuwarten, wohin Toni sich als nächstes wendet. Sie geht in Killians und ihren Flügel und ich folge ihr unauffällig.

Als wir in ihrem Flügel sind, verstecke ich mich in den Nischen der Türen, die zu den einzelnen Zimmern führen und folge ihr so bis zum Wohnbereich. Vorsichtig schaut sie in den Wohnraum, als wollte sie sich vergewissern, dass Kilian nicht da ist und geht dann hinein. Ich bleibe an der Tür stehen und spähe zu Toni hinüber. Das Wohnzimmer ist fast genauso groß, wie das meiner Eltern. Während die Wand, gegenüber der Tür vollständig aus Fenstern besteht und gewölbt ist, kann man links durch eine Tür ins Schlafzimmer und angrenzende spätere Kinderzimmer gehen. Rechts gelangt man in den Salon. Toni ist im Schlafzimmer verschwunden, daher nutze ich die Gelegenheit mich in dem Wohnzimmer umzuschauen. Auf der linken Seite hängen über einer Kommode sehr viele Bilder. Ich kann Toni und ihren Vater auf einigen Bildern erkennen, die Frau muss ihre Mutter sein. Ich drehe mich von den Bildern weg.

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