Kapitel 5 - Toni

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Königin Dorea führt mich nach draußen in den Garten. Auch wenn alles einen Blaustich hat und bei weitem nicht so grün und leuchtend, wie an der Oberfläche ist, sieht der Garten doch hübsch aus. Es wirkt alles sehr kühl und erst da fällt mir auf, dass es hier unten warm ist. Weit wärmer, als es so tief unter dem Meer sein sollte. Wir nehmen auf einer Bank Platz und die Königin lächelt mich an.

»Ich bin froh, dass du dich so entschieden hast«, sagt sie nach einer kleinen Weile.

»Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber ich denke, dass du Kilian glücklich machen könntest.« Augenblicklich werde ich rot. Wie kann sie so etwas annehmen, wo ich doch erst seit drei Tagen hier bin? Und hat sie Kilians Gesicht am ersten Tag nicht gesehen? Es war nicht zu übersehen, dass er mich verabscheut.

»Ich glaube unsere Gesetze verunsichern dich, Toni«, spricht sie weiter. »Du musst jedoch wissen, dass sich schon vieles geändert hat und ob du es glaubst oder nicht, vieles von dem was in Atlantis passiert ist, ist auf meinem Mist gewachsen.« Überrascht von der Wortwahl der Königin ziehe ich beide Augenbrauen hoch. Sie lächelt mich an und spricht weiter: »Veränderungen müssen langsam und schleichend geschehen. Man darf nicht alles von heute auf morgen über den Haufen werfen, dann wird das Volk misstrauisch und fühlt sich nicht mehr sicher.« Ich nicke, auch wenn ich nicht weiß, was sie mir damit sagen möchte. In meinem Gesicht müssen lauter Fragezeichen stehen, denn die Königin fährt fort: »Was ich damit sagen will ist, dass du die Möglichkeit haben wirst, etwas in Atlantis zu verändern. Aber du musst es so machen, dass es nicht auffällt. Der Einzige der davon wissen muss ist Kilian. Denn eine Ehe, egal ob aus Liebe oder aus Vernunft geschlossen, kann nur bestehen, wenn es keine Geheimnisse gibt.« Wieder nicke ich und gleichzeitig frage ich mich, ob Königin Dorea aus Liebe oder Vernunft geheiratet hat. Jedenfalls scheint sie etwas mit ihrer Zeit als Regentin angefangen zu haben. Sie meint sie hat Gutes getan und trotzdem herrscht in Atlantis noch strengstes Mittelalter. Aber vielleicht hat sie ja Recht und die Veränderungen müssen wirklich langsam von statten gehen. Seufzend schaue ich auf meine Hände und weiß nicht ob und was ich sagen soll. Die Königin lächelt mich warm an und ich habe das Gefühl mit ihr über alles reden zu können.

»Ich habe Angst«, platze ich heraus ohne zu wissen wo die Worte her kommen. »Was wenn ich mich nicht einfügen kann? Ich habe so viel Zeit damit verbracht, meiner Tante zu entkommen um endlich frei zu sein und nun bin ich hier und muss mich Gesetzen unterordnen, die bei uns schon lange abgeschafft wurden. Ich wurde völlig anders erzogen. Und ich möchte meine Erziehung nicht vergessen, ich will ich bleiben.«

Die Königin seufzt und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Glaub mir, so schlimm ist es gar nicht. Und dass du Kilian heiratest geschieht eigentlich nur zu deinem Schutz. Das Volk würde es nicht dulden, wenn ein Terraner unter uns leben würde. Ohne Schutz, ganz allein. Und ein anderer Atlanter könnte dir nicht den Schutz bieten, den Kilian dir geben kann. Außerdem ist Atlantis nicht die einzige Stadt.«

Mein Blick schnellt zu der Königin. »Was soll das heißen?«

»Atlantis ist zwar die größte versunkene Stadt, aber es gibt noch achtzehn weitere Städte. Jede stellt ein eigenes kleines Königreich dar. Und die Könige der anderen Städte, hätten dich getötet. Sie hätten gar nicht verhandelt. Du hättest nicht einen Blick auf die Stadt werfen können. Und wenn du Kilian nicht heiratest, könnten sie dich als leichtes Ziel ansehen. Also versuche doch dies hier wie einen Neuanfang zu sehen.«

Die Nachricht, dass es noch weitere Städte wie Atlantis geben soll, muss ich erst verdauen. Aber das ändert nichts daran, dass ich mich selbst aufgeben muss, wenn ich überleben will.

»Ihr könnt das leicht sagen, Majestät.« Ich weiß nicht ob es richtig ist, sie so anzusprechen, aber es ist die Einzige Anrede die mir einfällt. »Ihr seid hier aufgewachsen, Ihr kennt nichts anderes. Lope war auch total entsetzt, als ich ihr sagte, wie es an der Oberfläche läuft.« Die Königin lacht leise bevor sie sagt: »Erst einmal möchte ich, dass wir uns duzen. Immerhin wirst du meine Schwiegertochter werden. Also ich bin Dorea.« Sie hält mir die Hand hin. Verdutzt nehme ich sie und antworte: »Toni.«

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