Chapter 92

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(Bild: Wald am Rande von Hogsmeade)

Alexander Malfoy P.o.V.:

In den nächsten Tagen wird meine Selbstbeherrschung hart auf die Probe gestellt. Selena kann kaum schlafen und wenn sie einmal eingeschlafen ist, wacht sie kurze Zeit später schweißgebadet auf, den schlimmsten Ausdruck in den Augen, den die Person, die man liebt, haben kann. Sie läuft mit tiefen Augenringen durch die Gänge und starrt unentwegt Löcher in die Luft. Ich würde gerne an ihrer Seite sein, sie unterstützen und in den Arm nehmen.
Doch das geht nicht. Ich kann nur hinter verschlossenen Türen für sie da sein, wenn wir vor sämtlichen Blicken verborgen im Raum der Wünsche sind. 
Der Da-und-fort-Raum ist schon lange kein Raum in diesem Sinne mehr für uns. Er wurde im Laufe der Zeit immer mehr zu einer Art Wohnung. Mit hohen Decken und Fenstern, unserem kleinen Badezimmer und dem gemütlichen Wohnzimmer mit den bis zum Rand gefüllten Bücherregalen.

Um Selena aus ihrer Deckung zu holen, habe ich ihr vorgeschlagen, heute mit dem Selbstverteidigungstraining zu beginnen - Sport ist immerhin die beste Therapie. 
Selena sieht sogar einigermaßen motiviert aus, auch wenn die Stärke hinter ihren Augen nicht die selbe ist wie vor Adalars Angriff. 

In den nächsten drei Stunden besteht meine Rolle im wesentlichen daraus, den bösen Angreifer zu spielen, damit Sela und Lily Befreiungsstrategien aus Büchern nachmachen und üben können. Am Anfang ist das Gefühl, ihnen gegenüber erneut der Böse zu sein, gewöhnungsbedürftig, aber mit der Zeit wird es ziemlich lustig. Nun gut, außer der Teil, in dem mich Lily aus Versehen mit dem Ellenbogen ungebremst gegen die Brust trifft. Der blaue Fleck wird mich wohl für einige Tage begleiten.
Selena ist zu abgelenkt, um großartig Gedanken an den Wachmann zu verschwenden, was ihre Lebensgeister wenigstens für ein paar Stunden zurückholt, und Lily hat, wie ich am herauszufinden bin, einen hervorragend eigenen Humor. Jetzt weiß ich, wieso sie bei manchen überhaupt nicht beliebt ist. Man muss ihre Wellenlänge haben, um ihre Witze zu verstehen. Man muss sie kennenlernen, um ihre Gedankengänge zu verstehen. Sie ist einer dieser Menschen, die auf den ersten Blick eingebildet oder merkwürdig wirken und auf den zweiten die loyalsten und lustigsten Freunde werden können.

Bevor wir den Raum der Wünsche, der für unsere Zwecke zu einem Trainingsraum mit Matten auf dem Boden geworden ist, mit knurrenden Mägen verlassen, hält mich Sela am Arm auf. Lily ist schon durch die Tür verschwunden. 
"Ich... Kannst du mir einen Gefallen tun?" Anstatt mich anzusehen, spielt sie mit dem Vertrauensschülerabzeichen auf meiner Brust. 
"Alles", rutscht mir unwillkürlich heraus. 
Selenas Lippen wandern ganz automatisch nach oben. Sie schließt die Augen und schüttelt leicht den Kopf, noch immer ein Lächeln auf den Lippen. Als ich die sturmgrauen Augen wieder zu Gesicht bekomme, ist das altbekannte Leuchten für einige Sekunden zurück.
Ich will, dass es bleibt, also fahre ich fort:"Ich habe mich immerhin gerade von deiner besten Freundin verprügeln lassen."
Selena lässt von meinem Abzeichen ab und tastet nach der nur noch unterschwellig schmerzenden Stelle über meinem Brustbein. Dann lehnt sie den Kopf gegen mein Schlüsselbein und schließt die Augenlider. Eine unendliche Traurigkeit schein von ihr auszugehen.
Ich lege meine Arme um sie und ziehe sie ganz fest an meinen Körper. Sela tut es mir gleich. Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal so umarmt haben. So voller Schwäche und gleichzeitiger Stärke.

"Ich hab immer gedacht, ich wäre... gut genug, mich zu verteidigen. Dass ich nicht diejenige bin, der es passiert, dass sie vollkommen hilflos ist.", murmelt Selena dumpf nach einiger Zeit gegen meinen Umhang. Ich verstärke ohne darüber nachzudenken meinen Griff. Allein der Gedanke an Adalar, wie er sie bedroht und verletzt hat... Meine Hände werden mit jedem meiner zu schnellen Herzschäge schwitziger und in meinen Füßen brennt das Verlangen loszulaufen und Adalar eine reinzuhauen. 
"Danke, dass du das heute mit uns geübt hast.", reißt mich Sela aus meinen finsteren Gedanken.
"Und ich werde es noch hundert Mal mit euch üben." Ich streiche ihr eine Haarsträhne über die Schulter, klemme sie aber nicht hinterm Ohr fest, weil ich weiß, dass sie das nicht mag. 
Und irgendwann wird Adalar für Selenas Leid büßen, das verspreche ich mir in diesem Moment selbst. Irgendwann!

𝐁𝐥𝐚𝐜𝐤 𝐓𝐰𝐢𝐧𝐬 (ʰᵃʳʳʸ ᵖᵒᵗᵗᵉʳ/ʳᵘᵐᵗʳᵉⁱᵇᵉʳ ᶠᶠ)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt