Chapter 102

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(Bild: Malfoy Manor)

Alexander Malfoy P.o.V.:

Wieder einmal kann ich mich eine ganze Nacht lang nur in meinem Bett herumwälzen. Welch eine Ironie, dass ich bei Dunkelheit hellwach bin und sobald die Sonne aufgeht todmüde. 
Aber so war es schon immer. In Malfoy Manor zu schlafen ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit.
Mit weit geöffneten Augen starre ich an die hölzerne Decke meines Zimmers. Wie gerne ich jetzt mit Selena zusammen sein möchte. Sie sieht immer so friedlich aus, wenn sie schläft, selbst wenn sie sich im Schlaf mehr herumwälzt als ich es je für einen Menschen für möglich gehalten hätte. 
Ein Lächeln hat sich ganz automatisch auf meine Lippen geschlichen. Allein der Gedanke an sie lässt mein Herz flattern und meine Mundwinkel nach oben wandern. 

Ein Stockwerk tiefer zerbricht ein großes Glas auf Steinboden, es hallt im ganzen Haus wieder, und ich sitze mit einem Mal aufrecht im Bett. 
Als mir klar wird, dass meine Zimmertür noch immer geschlossen ist und ich noch immer allein in meinem Zimmer bin, lasse ich mich langsam wieder in meine Kissen sinken. Den Blick ununterbrochen auf die Tür gerichtet. Wieder spüre ich mein Herz, doch diesmal schlägt es schneller als das eines verängstigten Hasen bei einer Treibjagd.

Ich wünschte, Sela könnte mich jetzt sehen. Sie würde mich auslachen, während sie sich gleichzeitig an mich kuscheln würde, weil sie genau weiß, wie sehr mich die Angst in diesem Haus beherrscht. Wie einsam meine Familie mich macht. Oh man, ich vermisse sie so. 
Dabei waren es erst drei Tage, die ich sie nicht gesehen habe. Seit der Nacht auf dem Spielplatz.

Bevor mich die Sehnsucht mit voller Wucht treffen kann, schwinge ich meine Beine aus dem Bett und greife nach meinem Morgenmantel am Bettende. Mühsam unterdrücke ich den Gedanke an Selenas Gesichtsausdruck, würde sie mich in diesem grünen Samtmorgenmantel sehen und suche mir stattdessen einen der teureren Umhänge aus meinem Kleiderschrank aus. Heute ist Sonntag, weswegen der Dresscode auf einem höheren Niveau festgesteckt ist. 

Sobald ich auch meine Frisur gerichtet habe, setzte ich mich einige Minuten lang in den Sessel neben meinem Bett. Zurückgelehnt in die weichen Polster und mit geschlossenen Augen versuche ich meinen Geist zu leeren.
Okklumentik lag mir schon immer, doch nach dem, was passiert war, muss ich noch besser werden. Ich lege mir Bilder zurecht, die ich zeigen kann und verlasse mein Zimmer erst, als ich so ruhig bin, wie es mir in diesem Haus möglich ist.

Am oberen Treppenabsatz halte ich inne. Vater steht neben der geschlossenen Tür zum Salon, einen Scherbenhaufen zu seinen Füßen. Er schimpft vor sich hin, während Dobby mit zitternden Fingern die Scherben des wertvollen Spiegels, der gestern Abend noch an der Wand hing, zusammensetzt. 
Ich weiß nicht, wer den Spiegel zu Bruch gehen hat lassen, ob Vater oder Dobby, doch alles in mir sträubt sich dagegen, jetzt nach unten zu gehen und meinem Vater meine Anwesenheit auf den Besen zu binden. Also drehe ich mich um und gehe den Weg zurück, den ich gekommen bin. Frühstück hin oder her. 

Mutters Zimmertür steht wieder einen spaltbreit offen, und kurzerhand schiebe ich sie weiter auf, um zu sehen, ob sie wach ist.
Die Vorhänge sind zugezogen, sodass nur einzelne Sonnenstrahlen ihren Weg ins Zimmer finden. In ihrem Licht tanzen die Stabkörner fast wie zu einer unhörbaren Melodie. Der erdrückende Geruch von Krankheit liegt in der Luft und das blasse Gesicht, das auf Mutters Kissen ruht, scheint viel zu friedlich, als dass sie nicht schlafen würde. 
Ich will schon die Tür wieder hinter mir zuziehen, als Mutters Stimme ertönt:"Alexander?" 
Die Schwäche in ihrer Stimme reißt mir wie immer in den letzten Tagen den Boden unter den Füßen weg, doch ich fasse mich, atme tief ein, drücke die Schultern zurück und betrete den Raum.
"Guten Morgen, Mutter. Wie geht es dir?"
Mutter lächelt leicht als ich mich auf den Besucherstuhl neben ihrem Bett setze. Die letzten Tage habe ich praktisch jede von Vater und Lucius unbeobachtete Minute hier verbracht. 
"Ach, du bist so erwachsen geworden.", weicht sie mir mit einem schwachen Lächeln aus. Ich wünschte, ich könnte ihr nicht ansehen, wie viel Kraft ihr das Sprechen kostet. 
Zögerlich nehme ich ihre knochige Hand von der Bettdecke und lege meine Hände um ihre kalten Finger. Ihre Hand ist wie immer weich, doch auch kränklich schmal und kraftlos.

𝐁𝐥𝐚𝐜𝐤 𝐓𝐰𝐢𝐧𝐬 (ʰᵃʳʳʸ ᵖᵒᵗᵗᵉʳ/ʳᵘᵐᵗʳᵉⁱᵇᵉʳ ᶠᶠ)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt