Chapter 113

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(Bild: James' Märchen von Beedle dem Barden)

Lily Evans P.o.V.:

"Ja?", stirnrunzelnd öffne ich die Haustür ganz, als ich die zwei Polizisten davor ausmache. Hinter den uniformierten Beamten steht eine ältere Frau mit vielen Falten und traurigem Blick. Besonders das grelle Licht der Wandleuchte direkt neben der Haustür betont ihr Alter unschmeichelhaft.
"Sind Sie Petunia oder Lily Evans?", fragt die weibliche Beamtin. Sie hat lange blonde Haare, sie aber unter ihrer Uniformmütze nach zurückgebunden. Ihre schlanke Figur wird von der schwarzen, eher auf Männer zugeschnittenen Uniform fast vollständig verdeckt.
Ich wende mich ihr zu und nicke langsam. "Lily", sage ich nur. Dann drehe ich den Kopf, um über meine Schulter nach Petunia zu rufen, die oben in ihrem Zimmer ist und sich bereits schlafbereit gemacht hat. Vernon ist bei ihr in ihrem Zimmer.
Erst als ich mich wieder den Polizisten und der Frau zuwende, fällt mir auf, dass es hinter dem Vordach in Strömen regnet. Düstere Gewitterwolken bedecken den Himmel und als ich sie nach einem kurzen Zögern, weil unsere Eltern nicht Zuhause sind und es nicht mögen, wenn Fremde in ihrer Abwesenheit im Haus sind, bitte ich sie herein.
Erstens sind es Polizisten und zweitens sehen sie alle viel zu ernst aus, als dass es nicht wichtig sein kann. Und meinen Zauberstab trage ich einsatzbereit in meiner Tasche.
Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus. Doch ich streiche mir die nervige Haarsträhne hinters Ohr und behalte die Fassung.
"Ist etwas passiert? Geht es meinen Eltern gut?"

Die Beamten unterdrücken es deutlich, einen Blick zu wechseln. Hinter mir höre ich Petunia die Treppe herunterkommen, doch ich wende mich nicht von den Polizisten ab. Meine Hände haben zu zittern begonnen. Rohe Angst nimmt von meinem Körper Besitz.
"Was ist passiert?", fragt ich nach. Es ist mir gleichgültig, ob ich unhöflich bin.
Petunias Schritte hinter mir verstummen.
Die Augen der Beamtin, die anscheinend das Sprechen übernimmt, richten sich auf meine Schwester während sie spricht. Vielleicht weil sie die Volljährige von uns beiden ist - in der Muggelwelt zumindest. "Wir müssen Ihnen eine traurige Nachricht überbringen. Es gab heute Abend vor zwei Stunden eine Explosion auf der Tower Bridge. Mehrere Autos sind daraufhin zusammengestoßen und einige sind sogar in die Themse gestürzt. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Eltern in diesen Unfall verwickelt waren und infolgedessen gestorben sind. Sie sind tot."

Ich habe ihre Worte gehört, doch in meinem Bewusstsein sind sie nicht angekommen. Es dauert Minuten, in denen ich Petunias Stimme und die der Beamtin höre, bis die Bedeutung dessen, was hier gerade passiert, zu mir durchdringt. Mum und Dad...
Sie sind gestorben während ich ferngeschaut habe!
Ein Schluchzen bricht aus mir heraus und ich presse mir die Hand auf den Mund. Meine Beine geben nach und ich sinke gerade so auf den Sessel hinter mir. Alle Blicke richten sich auf mich. Die ältere Frau mit den Falten kniet sich vor mich und reicht mir eine Tasse mit Tee. Mir fällt auf, dass es die Tasse ist, die Mum auf einem Flohmarkt gekauft hat als ich etwa zehn Jahre als war. Sie trinkt jeden Morgen ihren Kaffee aus dieser Tasse.
Nein, sie hat ihn jeden Morgen aus dieser Tasse getrunken. Vergangenheit.
Sie wird nie wieder Kaffee trinken. Oder durchs Küchenfenster zu Freya hinüberspähen. Dad wird nie wieder einen seiner schlechten Witze bringen. Mir nie wieder über den Kopf streichen, obwohl er weiß, dass ich das hasse. Obwohl er wusste.

Die Frau erklärt mir, dass sie vom Jugendamt ist und hier ist, um zu klären, was mit mir passiert bis ich 18 werde. Ich höre ihre ruhig gesprochenen Worte, nehme sie sogar größtenteils auf, doch sie sind mir vollkommen egal.
Tränen befeuchten meine Wangen, tropfen auf meine Hände und in den Tee, den ich niemals trinken werde. Nicht aus Mums Tasse.
Ich umklammere die Tasse so fest, dass meine Knöchel hervortreten.
Eine Hand legt sich auf meine Schulter und ich zucke zusammen. Die Frau sieht mich fragend an.
"Was?", frage ich mit heißerer Stimme. Mir fällt auf, dass mich alle anschauen. Auch Petunia, die rote Augen hat, doch keine Träne vergießt. Sie hat die Arme um ihren Oberkörper geschlungen, sieht aber dennoch unglaublich stark aus. Ich glaube, ich könnte mich nicht einmal auf den Beinen halten.
"Möchtest du vorerst bei deiner Schwester wohnen?"
"Ja", sage ich stumpf. "Natürlich will ich das."
Die Frau nickt. "Ich denke, es ist alles gesagt." Sie sieht erst mich, dann Petunia an. "Doch ich bleibe gerne, wenn jemand mit mir sprechen will. Ich bin Trauerbegleiterin und höre zu."

𝐁𝐥𝐚𝐜𝐤 𝐓𝐰𝐢𝐧𝐬 (ʰᵃʳʳʸ ᵖᵒᵗᵗᵉʳ/ʳᵘᵐᵗʳᵉⁱᵇᵉʳ ᶠᶠ)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt