Epilog - Martha

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In aller Seelenruhe sehe ich mich in der geräumigen Halle von Orlands Villa um. Annalies springt um mich herum wie ein aufgescheuchtes Küken. Es ist so herzerwärmend, dass sie unbedingt möchte, dass ihr Zuhause mir gefällt.

„Gefällt es Ihnen, Maj..." Ich schaue sie streng an. „...Martha. Gefällt es dir, meinte ich natürlich." Ich lächele nachsichtig. Annalies gehört zu den Menschen, die nichts im Leben für selbstverständlich nehmen. Das zeigt ihr Eifer beim Lernen und ihre Ehrfurcht denen gegenüber, die einen hochkarätigen Titel tragen. Henna und ich arbeiten beide daran, ihr zu zeigen, dass wir auch nur Menschen sind. Und mit der Nachricht über Esthers und Orlands Hochzeit haben wir beide beschlossen, dass Annalies von nun an zur Familie gehört und uns dementsprechend ansprechen soll. Auch wenn das arme Mädchen zunächst völlig überfordert war von dieser Vorstellung.

„Es ist sehr schön hier", sage ich aufrichtig. „Ich würde den Palast jederzeit gegen ein kleineres Haus tauschen. Aber sag das bloß nicht Titus."

Annalies lächelt verschwörerisch. „Nein, mach ich nicht." Ich glaube ihr kein Wort. Mein Schützling hat die unbedarfte Art, alles irgendwann auszuplaudern. Und doch nimmt es ihr niemand übel.

Ich höre hastige Schritte und erblicke einen Bediensteten, den ich am ehesten als Butler einordnen würde, der aber vermutlich mehrere Aufgaben hier im Haus übernimmt. Er knetet nervös seine Hände und meint peinlich berührt: „Majestät, Baroness, ich muss ausdrücklich um Entschuldigung bitten. Ich habe die Türglocke nicht gehört, absolut unverzeihlich. Wer hat Ihnen denn geöffnet?"

„Das war so ein nettes Hausmädchen", antworte ich beruhigend lächelnd. „Hedwig, wenn ich mich richtig erinnere. Und bitte machen Sie sich keine Umstände, ich nutze gerne die Zeit, um mich in fremden Häusern ein bisschen umzusehen. Wie ist eigentlich Ihr Name?" Der Diener sieht mich verdattert an und weiß offenbar nicht, wo ihm der Kopf steht.

„Das ist Ernst", klärt Annalies mich auf. „Und er nimmt jede seiner Aufgaben sehr ernst." Die Baroness freut sich über ihren Wortwitz, während Ernst langsam seine Fassung wieder gewinnt.

„In der Tat. Und, Majestät, ich bin bereit mir allerlei Umstände zu bereiten, um für Sie einen angenehmen Aufenthalt zu gewährleisten." „Wenn das so ist", erwidere ich gut gelaunt, „würde ich Sie bitten, mich einfach mit Frau von Calia anzusprechen. Mein Mann und ich verzichten in informellem Rahmen gerne auf unsere Titel und der Grund unseres Besuches ist ja eine Familienfeierlichkeit. Apropos, wo sind eigentlich meine Schwester und ihr Zukünftiger?"

„Im Studierzimmer...", gibt Ernst uns Auskunft, leicht überfordert von der Situation. „Sie haben gerade eine mehr oder weniger geschäftliche Auseinandersetzung mit Edwin Karden." „Das ist der Vater von dem, den ich heiraten sollte", wirft Annalies unwillig ein. „Und Onkel Orland streitet immer mit ihm. Ich wette, er würde ihn am liebsten vor die Tür setzen."

Ich werfe der Baroness einen verschwörerischen Blick zu. „Wenn das so ist, sollten wir ihm vielleicht dabei helfen. Ich bin gut im Streiten." Annalies kichert. „Ich weiß, das sagt der König auch immer." Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Ach, tut er das?" Die Angesprochene errötet ertappt und ich zwinkere ihr zu. „Keine Sorge, du hast kein Geheimnis ausgeplaudert, Annalies. Wo ist denn nun dieses Studierzimmer?"

„Wenn Sie erlauben, Majestät – Frau von Calia – begleite ich Sie dorthin." Ich schüttele abwehrend den Kopf. „Vielen Dank, das ist überhaupt nicht nötig. Annalies kennt sich ja bestens aus. Aber vielleicht könnten Sie meinem Mann mit den Pferden und dem Gepäck helfen? Wir sind nur mit unserem Kutscher gereist und die beiden könnten ein Paar helfende Hände sicherlich gebrauchen."

Ernst sieht mich an, als hätte er nun endgültig versagt in seiner Arbeit als Butler und Diener und eilt schleunigst davon. Ich höre ihn bruchstückhaft murmeln: „Meine Güte... der König... die Pferde..."

Die GouvernanteWhere stories live. Discover now