Kapitel XXIII: Sarah und Martin

3.3K 76 3
                                    


Der Abend war unspektakulär gewesen, genauso wie der Samstag. Amber hatte nach seinen Medikamenten komatös in der Ecke gelegen, wollte fast nicht raus, während Jan und ich einfach nur die Zweisamkeit genossen hatten. Und natürlich den Haushalt. Hier ein wenig einkaufen, wenn auch in der nächstgrößeren Stadt und nicht im Dorf, dort ein wenig Wäsche machen. Er musste den Rasen mähen, ich kümmerte mich um das Essen. Sehr Klischee lastig, aber das war nicht schlimm. Das bisschen Ruhe brachte mich wieder zurück in die Realität, die ich nur allzu gern verdrängte, wenn ich bei ihm war. Weit weg von den Sorgen der Arbeit, meinen Freundinnen, die mich nicht richtig verstanden oder meiner Mutter, die langsam Terror machte, weil sie herausgefunden hatte, dass ich nicht mehr in Berlin war und wissen wollte, warum ich so lang bei einem fremden Mann blieb. Tja, ihr Problem. Nicht meines.

Am Sonntag hatten wir uns dann noch einmal ein paar Zahlen vorgenommen, hatten ein wenig geplant und gerechnet. Mir machte das Spaß und Jan war froh, dass es fertig war. Denn, wie er mir am Sonntagabend eröffnete, hatte er am Mittwoch einen kleinen Hinterhalt auf mich vor. Und dafür benötigte er von der Arbeit ein wenig Freiraum.

Auch wenn er mir nicht ganz erzählen wollte, was es war, ahnte ich es spätestens als ich neben ihm am Esstisch saß und eine Nachricht von Martin, das war sein Kumpel, der den Schwertkampf machte, eintrudelte. Bezüglich Mittwoch. Ich tat natürlich so als hätte ich nicht hingesehen -immerhin nahm er es mir ab. Und die Vorfreude wollte ich ihm nicht nehmen, auch wenn eine kurze Suche auf meinem Handy meine Idee bestätigte: Es war Sommer, es war warm und aktuell liefen die vielen Mittelalterfestivals im ganzen Land.

Jan, als selbst erkorener Ritter, nahm da wohl ab und an teil, wenn es hieß: Ab zum Schwertkampf! Jedenfalls stand für Mittwoch, da war die Eröffnung des Mittelalterdorfes, in dem laut Website auch viele Leute tatsächlich das alte Leben nachempfinden konnten und ‚campen', eben jener auf dem Plan. Und so wie ich das sah, hatte Jan geplant, dass wir gemeinsam einen Abstecher machten. Es war nicht mein erstes Mittelalterfestival, aber ich freute mich ein wenig, dass er mir mehr von sich zeigen wollte. Mehr von seinem Hobby. Außerdem freute ich mich auf halbnackte, schwitzende Männer in stählerner Rüstung – oder so ähnlich zumindest.

Der Montag und entsprechende Dienstag verliefen relativ ereignislos. Wir mussten zwar mit Amber zum Tierarzt, der den Verband wechselte, sich die Wunde ansah und auf ein leichteres Schmerzmittel umstieg, ansonsten war Jan am Arbeiten und ich las, kümmerte mich um das Essen und genoss einfach nur seine Nähe. Nach der durchaus sexreichen Woche zuvor, war ich fast schon glücklich, dass meine wunde Mitte sich ein wenig erholen konnte. Auch wenn ich spätestens am Dienstagabend langsam unruhig wurde. So lang hatte er mich bisher noch nie hingehalten.

Als er mich dann am Mittwochmorgen in aller Herrgotts Frühe weckte, so gegen 5 Uhr, damit ich noch duschen konnte, wollte ich ihm fast den Mittelfinger zeigen. Aber das tat ich nicht. Stattdessen watschelte ich brav ins Bad und ließ das heiße Wasser über meinen Körper laufen, während Jan schon mit Amber draußen war. Er wollte mir noch immer nicht verraten, wo er hin wollte. Aber ich hatte ihn schon so weit, dass er mir verraten hatte, dass wir Amber bei seinen Neffen lassen würden – die sich natürlich ungemein freuten. Hoffentlich tat das der kleine Hund auch.

Trotz des frühen Aufstehens und dem Abladen des Hundes kamen wir nicht vor 10 Uhr an unserem Ziel an. Das lag zum einen daran, dass das Festival weiter weg war. Zum anderen war es wie immer auf Festivals: Voll. Voll genug, dass wir glücklich waren einen Parkplatz zu ergattern, während ich mir immernoch halbwegs dankbar war, dass ich ein Kleid angezogen hatte, in dem ich auf dem Sitz rumlümmeln konnte.

„Du wirkst wenig überrascht", stellte Jan fest, als er den Motor abstellte und dann einen Seitenblick zu mir warf. Zögerlich grinste ich und zuckte dann mit den Schultern.

„Was soll ich sagen. Ich hatte es irgendwie im Gefühl. Du, als Ritter. Dann ist das riesige Festival hier. Und du hast dieses längliche Paket hinten ins Auto geschmuggelt und ich wette, da sind deine Schwerter drin. Kämpfst du für mich, mein großer Ritter?", erklärte ich mein Wissen und klimperte dann – hoffentlich süß – mit den Augen.

Er schnalzte leicht auf, schnappte sich dann aber meine Hand und küsste die Rückseite, einen Blick zu mir werfend.
„Um die Hand der holden Maid? Selbstverständlich werde ich das tun", gab er leicht scherzhaft zurück und musterte mich zögernd.

„Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich? Es spielt auch ein wenig Musik und das Festival hier ist immer gut gemacht."

„Ich bin mir sicher, dass wir beide viel Spaß haben werden. Und auch wenn ich nicht so der Mittelalterfan bin, so Sonnenkönig mäßig wäre eher mein Stil mit großen Reifröcken und nicht atmen können wegen des Korsetts, freue ich mich, dass du mir etwas mehr von dir zeigst. Von dir und deinem Hobby", erklärte ich sanft und erwiderte den Blick. Das reichte ihm wohl, denn er beugte sich zu einem scheuen Kuss hinüber und stieg schließlich aus.

Seufzend schlüpfte ich in meine Schuhe und folgte ihm dann. Er holte gerade eine kleine Reisetasche heraus, die er sich über die Schulter hängte und nahm dann die Schwerter hinaus, reichte mir gleichzeitig eine Hand. Dann machten wir uns über das Feld auf den Weg zum Schaustellereingang, wie Jan so schön sagte. Als Kämpfer bekamen wir VIP Armbändchen und gehörten nicht zum normalen Fußvolk. Das fand ich gut: Denn es gab richtige Klos für mich und wohl auch Händlerrabatte, obwohl ich keiner war.

Sobald mein Bändchen erstmal um mein linkes Handgelenk hing, war Jan auch schon auf und davon. Wie immer, wenn er irgendwo hin kam, wo er sich wohl fühlte, kannte er Leute und die Leute kannten ihn. Hier ein Hallo, da ein kurzes Pläuschchen. Wäre ich allein die Strecke gegangen, hätte ich höchstens 20 Minuten gebraucht. So waren wir fast eine Stunde unterwegs, ehe Jan vor einem mittelgroßen, weißen Zelt hielt.

Ich runzelte verwirrt die Stirn, als er ohne sich anzukündigen einfach eintrat und mich hinterher winkte. Eigentlich war das nicht meine Art, aber Jan schien den Besitzer zu kennen, also vertraute ich ihm.

Innen war das Zelt zunächst mit einem Stück Unterboden ausgelegt, auf dem weiter drinnen dann eine Art Fell lag. In der linken, hinteren Ecke befand sich ein unglaublich großes, mindestens zwei Mal zwei Meter Bett. Drum herum drapierten sich Sitzkissen, Kisten und ein großer Tisch, auf dem Stoffe lagen, sowie ein paar Kerzen.

„Wird ja auch langsam mal Zeit", ertönte eine recht helle Männerstimme aus der rechten Ecke vom Tisch und ehe ich mich versah, hatte Jan einen Mann, der kaum größer war als ich selbst, im Arm, klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken.

„Martin, lang nicht mehr gesehen. Entschuldige bitte. Der Stau", erklärte er ihm und räusperte sich dann. Martin drehte automatisch den Kopf, musterte mich und grinste dann breit.

„Ah, das Herzblatt. Endlich lern ich dich auch mal kennen, Elena. Er hat mir so lang in den Ohren gelegen. Schön, dass du jetzt auch dazu gehörst. Ich bin Martin", meinte der Blonde und drückte auch mich kurz, was ich zaghaft erwiderte.

„Freut mich, Martin. Du bist also der Schwertkämpfer, der Jan zum Ritter gemacht hat", versuchte ich locker zu antworten und bekam nur schallendes Gelächter von dem kleineren Mann.

„Er ist ein Krieger, aber kein Ritter. Wenn du dir scheinende Rüstung erhoffst, kommst du bei ihm nicht so weit. Hast du ihr dein Outfit noch nicht gezeigt, für den Tag?", wandte er sich an Jan, der sich kurz räusperte und dann seine Tasche auf den Tisch stellte.

„Du hast dein Outfit dabei?", warf ich Jan spielerisch vor, aber da schritt Martin ein.

„Na, du hast ja noch keins. Aber keine Sorge. Ich bin zufälligerweise Schneider und Jan war so schlau und hat mir deine Kleidergröße verraten. Also habe ich dir etwas mitgebracht. Zum Ausprobieren sozusagen. Sarah holt es grad noch aus dem Auto", erklärte er mir und schnappte sich dann Jans Schwerter, scheinbar um festzustellen, dass diese nicht so geschliffen waren, wie erhofft, denn wortlos nahm er sie mit nach draußen.

Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf, während Jan mich liebevoll musterte. Das war nicht wirklich meine Welt. Aber für ihn würde ich das gern mitmachen.

„Du bist unglaublich tapfer", meinte er schließlich leise und küsste mich auf die Stirn, ehe er auch einfach anfing sich umzuziehen. Dem sah ich zugegebenermaßen unglaublich gern zu, aber es war trotzdem befremdlich, dass er sich in diesem Zelt, das dann wohl Martin und besagter Sarah gehörte, einfach auszog. Zumindest für mich.

„Ah schau an. Da sind ja die Nachzügler", ertönte eine weitere weibliche Stimme vom Zelteingang. Ein kurzer Blick und mir wurde klar, dass das Sarah war. Hatte Martin ein Halsband, wenn auch aus Leder und deutlich unscheinbarer als sonst, getragen, dann stand vor mir nun eine dominante Partnerin, denn der Ring an ihrem Finger zeigte es ganz eindeutig. Außerdem trug sie selbst ein Mittelalterkleid, dass sich hervorragend um ihre weibliche Figur schmiegte und legte dann vor mir auf den Tisch ebenfalls einen Ballen an Stoff ab.

„Hallo Sarah", erwiderte Jan, umarmte sie aber nicht. Ich brauchte nicht lang um festzustellen, dass zwischen den Beiden etwas in der Luft hing, aber ich war mir unsicher was. Da war keine sexuelle Anspannung, wie vielleicht vermutet. Eher etwas anderes, das ich nicht zuordnen konnte.

Sie nickte ihm zu, legte ihm kurz eine Hand auf den Arm und wandte sich dann mir zu. War ihr Lächeln bei ihm fast ein wenig abgeflaut, strahlte sie nun um so mehr, als sie mich in den Arm nahm und sich mir vorstellte.

„Hallo Elena. Ich bin Sarah, Martins Frau und für heute die Dame, die dir ins Kleid helfen wird, wenn der Krieger sich verzogen hat. Und danach schlendern wir ein wenig über den Markt und ich quetsch dich aus, wie langweilig das Leben so ist, während die Männer sich anfangen aufzuwärmen, damit sie sich besser die Köpfe einschlagen können", erklärte sie mir fröhlich und bevor ich auch nur die Chance hatte zu antworten, schnappte sie sich das Kleid und drückte es mir in die Hand.

„Schau mal. Das Grün wird hervorragend an dir aussehen. Und dann nehmen wir den Gürtel dazu und binden ihn dir so ein bisschen wie die Khaleesi um die Brüste und alle werden den Kopf nach dir umdrehen, was sagst du?"

Ich zögerte kurz. Das war offensiv und mega touchy. Und irgendwie mochte ich sie auf Anhieb. Dom hin oder her. Sie war mir sympathisch und ich freute mich, sie an meiner Seite zu haben, wenn Jan irgend nen Scheiß machte.

„Hübsch. Aber meinst du nicht meine Brüste sind etwas größer als die von Emilia Clarke? Die ist doch so winzig und schmal", gab ich zweifelnd wieder, während sie schon am Anhalten des Gürtels war.

„Stell dich nicht so an. Zieh dich aus, dann wird das schon", meinte sie keck und grinste dann schief. Ich wollte gerade noch etwas an Jan wenden, aber der hatte uns einfach allein gelassen. Auch gut.

Sarah hatte am Ende Recht gehabt. Das Grün stand mir hervorragend und das Band, dass sie irgendwie kunstvoll um meinen Oberkörper geschlungen hatte, ließ es ein wenig sexy wirken, obwohl ich vollständig angezogen war. Das Haar hatte sie mir ganz schnell zu einem Zopf gebunden, der nun leicht über meine Schulter fiel. Und ich hatte einfach nur die Hände in meinem Haar genossen.

Danach hatten wir uns einen kleinen morgendlichen Happen gegönnt, bestehend aus selbstgebackenem Brot und frischem Käse, ehe die Männer uns verlassen hatten. Und wir waren einfach losgeschlendert. Das Areal des Festivals war riesig. Neben dem kleinen Dorf, in dem die Leute wie im Mittelalter leben konnten, gab es ebenfalls eine authentisch gehaltene Ladenmeile, ebenfalls aus Zelten bestehend, in dem man ungefähr alles kaufen konnte vom Spanferkel bis hin zur neuen Handtasche.

In der Mitte gab es einen Zentralen Kampfplatz, auf dem Jan später leiden würde und links außen an der Seite von diesem Platz begann der Marktplatz, der wohl mit Tischen und Bänken um eine große Bühne herum ausgestattet wurde, wo später Musiker und weiteres auftrat. Außerdem gab es diverse Lagerfeuer, die man schon vorbereitet hatte für den ersten Tag des Festivals. Alles in Allem war die Atmosphäre gigantisch.

Es war nicht zu vergleichen mit diesen kleinen Dingern, die von Stadt zu Stadt zogen, wo man eigentlich dieselben Fressbuden hatte wie auf dem Weihnachtsmarkt. Hier war es ganz anders, was wahrscheinlich nicht zuletzt an meiner Begleitung lag. Denn auch wenn wir nur wenige Stunden miteinander allein verbrachten, verstanden Sarah und ich uns super. Wir lasen ähnliche Bücher, schauten ähnliche Serien und liebten beide das Meer.

Über Sex redeten wir nicht. Nicht ein einziges Wort, aber das war auch nicht weiter schlimm. Stattdessen bummelten wir, kauften Schmuck – von dem Geld, dass Jan mir noch mit einem eindeutigen Blick und sowas wie ‚Kauf dir, was immer du gern hättest' zugesteckt hatte und saßen schließlich bei einem Glas Kirschmet in einem süßen Tonbecher am Rand des Spektakels und sahen dabei zu, wie sie langsam den Platz für den Kampf vorbereiteten.

Die Kämpfer, unter anderem unsere Partner, standen alle oberkörperfrei in Lederhosen in Reih und Glied. Man kannte sich wohl, redete, spaßte miteinander. Jan warf ab und an einen Blick zu mir hinüber, als er uns endlich entdeckt hatte, aber ansonsten waren wir unter uns. Und das war irgendwie verdammt schön. Immerhin kannte sie Jan schon länger, wie sie mir erzählte. Sie waren mal in dieselbe Grundschule gegangen, hatten sich aber nach der Realschule aus den Augen verloren, ehe Martin ihn mal angeschleppt hatte.

Und Martin und Jan waren eben sehr gut befreundet. So sah man sich öfter. Ich hatte damit zwar immernoch keine Information was zwischen den Beiden nicht stimmte, aber ich konnte das Handauflegen an seinem Arm so deutlich besser einschätzen. Und ich war erstaunt, wie jung sie aussah, dafür, dass sie nur drei Jahre jünger war als Jan selbst.

„Hör auf mir zu schmeicheln", grinste sie und warf sich ihr fast schwarzes Haar über die linke Schulter, fummelte nebenher etwas aus meinem Haar heraus und deutete dann auf einen ausgesprochen attraktiven Adonis, der sich gerade mit Jan zusammentat.

„Mein Gott. Das ist so ein Schnösel. So ein arrogantes Arschloch, aber heiß ist er. Aber lass ihn bloß nicht in deine Augen schauen, dann verpisst der sich nie wieder. Hatten wir alles schon mal", plapperte sie, während ich auf das Armband aus Metall starrte, dass ich mir gekauft hatte. Ein Handgehämmerter Ring aus irgendetwas silbernem. Nicht teuer, aber hübsch. Und hoffentlich nicht insgeheim in China bestellt.

„Wollt ihr uns gar kein Glück wünschen?", holte mich Jans Stimme aus meinen Gedanken. Er hatte sich aufgewärmt, was man an dem Schweiß auf seiner Brust sehen konnte. Aber er war nicht aus der Puste, strahlte mich regelrecht an, während Martin Sarah einen innigen Kuss schenkte. So gar nicht unterwürfig.

„Ich denke nicht, dass du das brauchst, so gut wie du bist", erwiderte ich grinsend und stand ebenfalls auf um mir einen zarten Kuss geben zu lassen. Jan war zufrieden, was man an dem Strahlen seiner Augen deutlich sehen konnte.

„Hör auf mir zu schmeicheln. Wenn mir mein Weib schon kein Glück wünscht, wer weiß, ob ich dann heil vom Kriegsfeld heimkehre?", frotzelte er dramatisch und brachte mich damit zum Grinsen.

„Dann sei vorsichtig und lass dich nicht treffen, mein edler Ritter", neckte ich ihn und sah ihm zufrieden zu, wie er einen Kuss auf meinen neuen Armreifen hauchte, den dabei natürlich einmal absegnete und dann mit Martin wieder verschwand. Sie würden erst später kämpfen, denn das Turnier würde insgesamt fast drei Stunden in mehreren kleinen Runden und einigen Pausen gehen.

Sarah zog amüsiert eine Augenbraue hoch, als ich zaghaft mein Gesicht zu ihr wandte, dann breit grinsen musste.

„Was denn?"

„Dich hat es aber auch hart erwischt", freute sie sich und kippte sich den restlichen Schluck Met hinter den Kopf. Wortlos nahm sie mir meinen ab und verschwand dann in der Menge, während ich verzückt auf den Mann starrte, der mir Schmetterlinge im Bauch bescherte.

Als sie wiederkam war das Turnier schon gestartet, wenn auch mit zwei nicht so starken Kämpfern. Es waren Anfänger, die viel um sich herum liefen, sich wohl auch ein wenig vor dem Schwert des anderen fürchteten. Sarah drückte mir derweil etwas zu Essen und einen neuen Becher voller Met in die Hand, den ich dankend annahm und ihr dann eine Zusammenfassung der letzten Minuten gab. Ein bisschen wie Fußball unter Männern, nur eben, dass diese hier fast alle ansehnlich und halbnackt waren.

Es dauerte fast eine Stunde, ehe Jan das erste Mal dran war und bei jedem Schritt, jedem noch so kleinen Schlag, schlug mir das Herz im Halse. Er war gut, keine Frage. Groß und stark und hatte das Schwert wunderbar im Griff. Aber die Sorge, es könne ihm etwas passieren, wenn der andere ihn schwer traf, erfasste mich doch. Sarah nahm das Ganze etwas gelassener. Immerhin kämpfte man um Entwaffnung und nicht um das Leben. Aber sie kannte das ja auch.

So sehr ich auch angespannt war, so sehr freute ich mich mit Jan und der Menge an Zuschauern, die ihm laut zujubelten, als der erste Kampf geschafft war. Und bei dem zweiten ebenfalls. Insgesamt schaffte er acht Runden, ehe er zu Boden ging. Ein Sani lief herbei, aber bevor ich aufspringen konnte, hatte Sarah mich schon am Arm festgehalten.

„Er wurde nur am Arm getroffen. Hol tief Luft, Elena. So ist gut. Es geht ihm gut und er kommt gleich zu uns rüber, wenn er das Pflaster hat, ok?", redete sie beruhigend auf mich ein, während ich zaghaft nickte und nervös Jan beobachtete, der immer wieder auf Fragen des Sanis nickte und sich schließlich am Oberarm herumfummeln ließ.

Nicht viel später kam er tatsächlich zu uns hinüber. Er hatte es gerade so auf den neunten Platz geschafft. Das war eine solide Leistung, wenn auch nicht so herausragend, wie er es gern gehabt hätte. So ließ er sich wortlos neben mir nieder und gab mir die Chance besorgt über das große Pflaster an seinem Arm zu streichen, ehe er mich in seinen Arm zog und mich fest küsste.

Es ging ihm gut. Das war nur die Aufregung.

„Das war herausragend. Du warst super", nuschelte ich schließlich und hörte sein leises Brummen.

„Das war schon mal besser, aber jedes Mal, wenn ich einen Blick auf dich geworfen habe, hat es mich aus dem Konzept gebracht, weil ich mir überlegt habe, was ich noch alles mit dir anstellen will", brummte er mir regelrecht ins Ohr und bescherte mir damit eine Gänsehaut.

Immerhin war auch ich seit Tagen nicht mehr gekommen und verdammt, der Schwertkampf war heiß gewesen.

„Braucht ihr n Zimmer?", fragte Sarah neben uns keck. Während ich breit grinste, konnte ich Jans abwägenden Blick regelrecht spüren, ehe er zustimmend brummte und dann aufseufzte.

„Nein, aber ich brauche in jedem Fall gleich erstmal eine Dusche. Wie steht es um Martin?"

Martin gewann das Turnier ebenfalls nicht. Er schlug sich besser als Jan, aber bei ihm reichte es nur für den vierten Platz. Zumindest hatten die beiden so die Chance gemeinsam duschen zu gehen und dann wenig später in frischerer Kleidung, aber nicht weniger mittelalterlich zurück zu uns zu stoßen.

Sarah und ich hatten etwas fürs Abendessen gekauft und machten uns gerade auf den Weg zu ihrem Zelt, wo wir uns gemeinsam um das Lagerfeuer niederlassen wollten. Arg romantisch, aber irgendwie hatte sich zwischenzeitlich ein leichter Schwips breit gemacht, der zwar mittlerweile wieder verflogen war, mich aber zu dem Zeitpunkt munter hatte zustimmen lassen, wie toll so ein Lagerfeuer doch war. Eigentlich war ich aber nur ein Fan von Marshmallows.

Der Topf hing schließlich über dem Feuer, das Brot lag neben der Glut, damit es noch einmal warm wurde, als Sarah Jan bat ihr bei irgendwas zu helfen und mich auf das Essen aufzupassen. Was ich natürlich auch gern übernahm, aber nicht weniger kritisch einen Blick zu den Beiden warf, als sie langsam in Richtung des Waldrandes schlenderten, auf dessen Lichtung wir uns befanden.

Martin holte mich schließlich aus meinen Gedanken, gab mir eine kleine Pause vom Kochen und erzählte mir schließlich, was er so schneiderte. So wie es schien, war er der kreative Kopf von Beiden. Sarah war Angestellte beim Finanzamt und passte in Teilzeit auf ihre beiden Kinder auf, die mittlerweile alt genug waren, dass sie nicht immer Lust hatten mitzukommen.

Es gab einen kurzen Exkurs zum Thema Kinder, den ich grinsend annahm um ihn dann zu fragen, wo er seine Schneidersachen denn verkaufte. So wie ich es verstanden hatte, waren es hauptsächlich Kostüme. Er sprach ein wenig von Stammkunden und einer Szene, aber so richtig wurde mir das nicht klar. Einen Laden hatte er jedenfalls nicht und die Website, die er mir zeigte, war ungefähr von 1995. Ebenso wie die Ladezeit.

„Ach du scheiße", seufzte ich und strich mir die lockeren Strähnen aus dem Zopf nach hinten, während Martin gequält nickte.

„Habe ich doch gesagt. Das Ding ist total veraltet, aber irgendwie weiß ich nicht wie das besser geht und Sarah ist was das angeht ein wenig streng. Sie unterstützt mich aber, verlangt aber, dass ich mich bei solchen Sachen selber informiere und ich habe so überhaupt keine Lust zu schauen, wie man Webseiten programmiert."

„Das musst du auch gar nicht haben. Es gibt diverse Anbieter, über die man in einem einfachen Baukastensystem eine Homepage erstellen kann. Hast du einen Laptop hier?", fragte ich, während ich im Kochtopf rumrührte. Martin zögerte, holte dann aber einen kleinen Macbook heraus, machte ihn an und reichte ihn mir rüber.

„Zeig mal", bat er mich und daraufhin zeigte ich ihm meinen favorisierten Anbieter. Binnen weniger Sekunden hatte ich eine angemessene Startseite gebaut. Hier ein bisschen Text, dort ein bisschen Blabla. Ein Kontaktformular und eine Galerie, die ich mit Bildern von Martins Rechner speiste. Wenn er das wirklich alles geschneidert hatte, dann wer er ein verdammtes Genie. Neben den Mittelaltersachen waren da auch echte Prinzessinnenkleider. Ein wenig Disney sozusagen.

„Das hast du auch gemacht?", fragte ich schließlich fast schon überwältigt, als ich ein Bild von Claires rotem Ballkleid von Outlander fand. Das war vielleicht nicht ganz das Original, aber es kam schon unglaublich gut daran.

„Hmm, letztes Jahr. Eine Sonderanfertigung. Hat Ewigkeiten gedauert, aber die Kundin war zufrieden", erklärte er mir und lächelte zögerlich.

„Du bist unglaublich gut, Martin. Hast du mal darüber nachgedacht dir Instagram zuzulegen? Du würdest wirklich viele Leute erreichen. Vor allem auch die, die bereit sind dafür Geld auszugeben", schlug ich ihm vor, während er sich nachdenklich auf der bärtigen Unterlippe herumkaute.

„Hmm, ich denke, da muss ich mich noch einlesen", wich er aus.

„Ich kann es dir zeigen", bot ich ihm an, aber er schüttelte dankbar den Kopf.

„Du hast mir grad ne scheiße geile Website zusammengezimmert in einer halben Stunde, für die ich bei jeder Agentur Unmengen bezahlt hätte. Und das sieht Bombe aus und ist schon viel mehr, als ich das je erwarten durfte. Du hast definitiv etwas gut bei mir, Elena. Instagram machen wir wann anders. Erstmal pack ich den Rechner weg, das sieht Sarah nämlich nicht gern und dann schauen wir, wo die beiden sich hin verzogen haben. Ich freue mich zwar, dass sie sich endlich aussprechen, aber, naja", meinte er seufzend und fuhr sich durch das längere Haar.

Lächelnd überreichte ich ihm den Rechner und nickte schließlich. Wir hatten ja Zeit. Instagram musste man aktiv betreiben, sonst brachte das eh nichts.

„Hatte ich dir nicht den Rechner für die Woche verboten?", ertönte hinter uns Sarahs Stimme gefährlich spitz. Spitz genug, damit ich mich ebenfalls umdrehte und einen verschreckten Blick auf die beiden warf, die Martin nun musterten. Jan amüsiert, Sarah offensichtlich böse, denn Martin sank fast augenblicklich auf seine Knie und senkte demütig seinen Kopf.

„Verzeih mir, Miss, aber Elena hat mir mit einer neuen Website weitergeholfen und das konnte ich mir nicht entgehen lassen", bat er demütigst um Vergebung, während ich mir nicht sicher war, ob ich fasziniert oder erheitert sein sollte. Klar, Jan hatte diese besondere Wirkung auf mich, bei dem ich mich auch hingab. Aber Martin hatte den ganzen Tag nicht auch nur die Spur von Demut gezeigt und jetzt flehte er regelrecht darum, dass sie seine Entschuldigung annahm.

„So, hat sie das? Und du hast das, obwohl es ihr freier Tag ist, natürlich einfach mal ausgenutzt, hm? Findest du das wirklich in Ordnung, Martin? Wo Jan dir doch seine neue Partnerin vorstellen wollte?", zischte sie regelrecht. Ich wollte schon einspringen, als sie ihre Hand in sein Haar vergrub, aber es war Jan, der mich aufhielt.

Mit einem schnellen Schritt war er bei mir, packte mich deutlich gröber als sonst im Nacken und zwang mich dazu ihn anzusehen. Er räusperte sich, um meine volle Aufmerksamkeit zu bekommen, während ich verschreckt wie ein Häschen zu ihm nach oben schaute.

„Regel Nummer fünf, Elena. Wenn ein fremder Master oder eine Mistress, nenn sie wie auch immer, ihren Sub zurechtweisen, demütigen oder bestrafen, dann darfst du nur dann eingreifen, wenn du dir sicher bist, dass sein Leben in Gefahr ist oder dass eine Abmachung gebrochen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, hat der fremde Master, dessen Autorität du in Frage stellst, das Recht dich für die Unterbrechung und Demütigung zu bestrafen. Wie lauten also deine Regeln?"

Seine Stimme war kalt und schneidend, aber in seinem Blick lag so unglaublich viel Wärme, als ich mich in seine Berührung schmiegte. Es war ungemein verwirrend. Wir hatten einige Tage keinen Sex gehabt nach unserer intensiven Session und nun, nachdem wir die Tage quasi auf Augenhöhe verbracht hatten, schaltete er einfach so um, fesselte mich mit seinem Blick. Eine Augenbraue hoch gezogen, die Stimme wieder vibrierend, dass es direkt zwischen meine Beine strahlte. Und dabei waren wir in der Öffentlichkeit. Die beiden konnten uns sehen, konnten mitbekommen, wie er mich demütigte, sich über mich stellte.

Trotzdem holte ich tief Luft und nickte zum Verständnis, brauchte kurz um mich zu sammeln.

„Regel Nummer eins: Ich darf nicht lügen. Regel Nummer zwei: Nicht zu lang schlafen. Regel Nummer drei: Ich soll deinen Anweisungen Folge leisten und Regel Nummer vier: Ich muss mich nach dem Orgasmus bedanken. Regel Nummer fünf lautet, ich mische mich nicht in fremde Spiele ein, nur wenn es eine bedrohliche Situation ist und ich es mit dir geklärt habe, Jan."

Fast augenblicklich wurde sein Gesicht sanft. Seine Augen sprühten nahezu vor Stolz, während er sich langsam nach unten beugte und dann liebevoll seine Lippen auf meine drückte.

„Du bist ein so braves Mädchen, Elena. Du weißt nicht, wie glücklich du mich machst", hauchte er mir entgegen und zog mich dann in seinen Arm. Ich war verwirrt, aber das Lob holte mich direkt ab, erwärmte mich, ließ mich prickeln. Das Gesicht an seiner Brust vergraben, atmete ich tief seinen Geruch nach frisch geduscht, seinem Duschgel und dieser Note, die nur Jan hatte und die mich unglaublich verrückt machte, ein.

„Danke, Jan", nuschelte ich schließlich und warf dann einen vorsichtigen Blick zu Sarah, die Martin fest im Haar gepackt hatte und ihm wütend etwas entgegen zischte, ehe sie ihn eindeutig Richtung Zelt schubste, wohl um das Laptop wegbringen zu lassen.

Kaum, dass er sich bei ihr entschuldigt hatte, schwang ihre Stimmung wieder um. Zumindest blickte sie mich nicht finster an, lächelte nur lieb, als sie mich in Jans Armen entdeckte und legte kurz ihre Hand auf meinen Arm, der an Jans Rücken lag. Dann nahm sie sich den Löffel und rührte das Essen um, so als wäre nichts gewesen.

Aber es war etwas gewesen und das sah man insbesondere an Martin. Er hatte eine andere Rolle eingenommen, denn als er wiederkam und uns Teller brachte, ließ sie ihn auf dem Boden vor dem Baumstamm, der mit Sitzkissen ausgestattet war, knien. Und Martin schien keinen Scham zu kennen. War er gerade eben noch der normale Mann gewesen, kniete er nun, die Handflächen nach oben zeigend, den Kopf tief gesenkt, breitbeinig dort und veränderte seine Position auch nicht, als Sarah das Essen verteilte.

Ich zögerte sichtlich das Essen mit den anderen beiden zu beginnen. Immerhin aß Martin selbst nicht, hatte keinen Teller und schaute weiter demütig vor sich auf den Boden. Es dauerte eine Weile, ehe Sarah, fast schon abwesend ein wenig Brot in das Essen tauchte und es ihm dann vor die Lippen hielt. Und Martin aß, brav, leise und still. Das verwirrte mich ziemlich, aber Jans Blick war Antwort genug, als er mich sanft am Arm berührte und dann auf die Schüssel vor mir deutete. Sarah aß und auch er hatte schon einen Löffel genommen, als wäre es das normalste der Welt für ihn. Und vielleicht, ganz vielleicht, war es das auch.

Die Hand in meinem NackenWhere stories live. Discover now