27 - Eine doofe Nudel

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Am Mittwoch war ich hundemüde da ich mir vor dem Einschlafen ewig lange den Kopf zerbrochen hatte was nun mit meinen Gefühlen los war. Glücklicherweise war ich nicht die Einzige. Trey gähnte mit mir um die Wette und Hannah klagte über Kopfschmerzen. Nur Michele nannte uns alle Weicheier und schien topfit zu sein.
Mr. Lee hatte noch immer seine Laune vom Vortag und wir alle waren froh am Abend nach Hause zu kommen. Da ich jedoch meiner Mom versprochen hatte noch im Laden vorbeizuschauen war der Tag für mich noch nicht vorbei.
„Janie Schätzchen!", freute sie sich als ich in den Friseurladen trat und kam hinter dem Kassentresen hervor. „Nah wie war die Arbeit?", fragte sie als sie mein Gesicht sah und schloss mich in die Arme.
„Das reinste Irrenhaus", antwortete ich und schmiegte mich an sie. „Ach Janie", sagte Mom und strich mir über den Kopf. Ich hatte sie vermisst.
Da Mom den letzten Kunden bereits bedient hatte half ich danach beim Aufräumen bevor wir in die Wohnung gingen wo Dad auf uns wartete. Ihm musste ich die frohe Kunde das ich einen Grand-Prix Live miterleben würde natürlich als erstes überbringen und er freute sich genauso wie ich.

„Weißt du Jane anfangs dachte ich wirklich dass ich mir sorgen machen müsse darüber dass du mit so einen reichen Pinkel ausgehst, aber ich sehe die Vorteile", sagte er später als wir uns hingesetzt hatten zwischen zwei Bissen Erbsen. „Henry!", empörte sich daraufhin Mom und verpasste ihm einen Klapps. „Sie ist doch nicht wegen dem Geld mit ihm zusammen!"
Ich kaute meinen Reis. Natürlich war ich das nicht. Aber der wahre Grund war auch nicht viel besser. „Ich sag ja nur", meinte Dad. Danach ließ er das Thema fallen und ich war froh das Josh nicht noch einmal erwähnt wurde.

Der Rest des Monats verging wie im Flug. Meine Aufregung wuchs und obwohl Josh und ich nicht über unsere Gefühle oder den Kuss gesprochen hatten, war ich nicht mehr so erpicht auf die Antwort. Irgendwie hatte sich das ein wenig von selbst geklärt, wenn auch nicht vollständig.
Josh hatte angefangen mir SMS zu schreiben und wir waren zu teilweise wirklich guten Gesprächen übergegangen. Ich erwischte mich immer öfter dabei dass ich mein Telefon anlächelte obwohl ich das gar nicht wollte und hasste mich dafür selbst. Ich konnte keine so doofe Nudel sein mich in einen Mann zu vergucken den ich kannte weil er mich beinahe überfahren und mit dem ich einen Vertrag für eine fake-Beziehung unterschrieben hatte. Dass wäre viel zu Klischeehaft.

Endlich war es soweit und das zweite Mai-Wochenende war gekommen. Ich hatte ein Talent immer im letzten Augenblick zu packen und suchte darum am Samstagabend nach einer geeigneten Tasche und fand bei El eine im Schrank. Sie sah aus als wäre sie noch nie benutzt worden, was vermutlich daran lag dass El sie tatsächlich noch nie benutzt hatte.
Danach musste ich mich erst einmal darüber informieren wie warm es in Barcelona zurzeit war. Erfreut stellte ich fest dass es zu dieser Jahreszeit anscheinend bereits um die zwanzig Grad sein sollten.
Beim packen viel mir ein das ich keine Ahnung hatte wie man am Grand-Prix gekleidet sein sollte. Bisher hatte ich diesen nur immer von der Couch aus mitverfolgt, da hatte niemand auf eine spezielle Garderobe bestanden. Ich packte wild durcheinander von Chic bis Lässig und fiel gegen kurz vor Zwei Uhr wie ein Stein ins Bett.

Obwohl ich kaum geschlafen hatte stand ich am Sonntag um sechs Uhr, als mein Wecker klingelte, Kerzengerade in meinem Bett. Ich freute mich wie ein kleines Kind. Endlich würde ich den Grand-Prix tatsächlich Live sehen.
Ich duschte mich, föhnte meine Haare, legte dezent Make-Up auf und entschied mich dann doch für einen Pullover für den Flug. Ich checkte meine Tasche und nippte während der ganzen Zeit an einem Kaffee. Dieser bewirkte dass ich noch hibbeliger wurde und um fünf vor Sieben bereits die Treppen nach unten stürmte um auf der Straße auf Josh zu warten. Was dank Joshs Überpünktlichkeit nicht lange war. Kaum stand ich vor der Tür fuhr der Wagen vor und Josh sah mich überrascht an als er ausstieg.
„Guten Morgen", begrüßte ich ihn und strahlte dabei wie ein kleines Atomkraftwerk.
„Den wünsche ich dir auch", sagte Josh. „Hattest du wieder ein El zum Frühstück?" Seine Mundwinkel zuckten amüsiert. „Nein heute nicht", antwortete ich.
Quentin war ebenfalls ausgestiegen und nahm mir meine Tasche ab, ich grüßte ihn und bedankte mich bevor ich einstieg.
„Warum bist du so aufgekratzt?", fragte Josh als wir losfuhren. Ich sah ihn an. „Weil ich seit ich klein bin davon träume an einem Grand-Prix Live dabei zu sein!", erklärte ich ihm. „Das war immer Dad's und mein Ziel."
„Warum seid ihr nie hingegangen?", fragte Josh und entlockte mir damit ein kleines Lachen. „Weil wir uns das nicht leisten konnten", gab ich dann zu und zuckte die Schultern. Wir waren immer über die Runden gekommen aber etwas mehr als hundert Pfund pro Ticket auszugeben war dann doch etwas zu viel gewesen. Josh sah etwas betreten weg. „Das war eine sehr reiche Frage von mir", gab er dann zu. Ich nickte langsam. „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung", entgegnete ich. Joshs Blick kehrte zu mir zurück und er hatte eine Augenbraue hochgezogen. „Und wann merkst du dass du frech bist?", feuerte er zurück und ich unterdrückte ein Lachen. „Ich habe keine Ahnung wovon du redest!", widersprach ich. Josh hatte nun ebenfalls ein Grinsen im Gesicht und schüttelte leicht den Kopf. Obwohl ich wollte konnte ich den Blick nicht von seinem abwenden.
Plötzlich war die Frage die mich die letzten Tage weniger beschäftigt hatte wieder omnipräsent: War unser Kuss echt gewesen?
Die Frage brannte mir auf der Zunge aber jetzt war definitiv der falsche Zeitpunkt um sie zu stellen. Ich wandte den Blick ab und räusperte mich. Kurzes Schweigen trat ein.
„Wie ist es dir die letzten Tage ergangen? Hat Mr. Lee sich beruhigt?", fragte Josh und manövrierte uns aus der unangenehmen Stille heraus. Bereitwillig gab ich ihm Antwort und erzählte von den vergangen Tagen. Mitten im Gespräch erreichten wir den City Airport, stiegen aus und Josh nahm seine, nur halb so große Tasche, von Quentin entgegen.
Ich streckte zwar die Hand nach meiner eigenen aus, aber anscheinend war ich nicht mehr dazu befähigt diese zu tragen. Stattdessen nahm Josh sie Quentin ab und verabschiedete ihn. Dieser wünschte uns einen guten Flug und wir betraten das Flughafengebäude.
„Ich kann meine Tasche auch selbst tragen", beharrte ich da ich nicht wollte dass die Leute dachten ich sei eine verwöhnte Prinzessin. Josh sah auf mich hinab. „Nur weil du es kannst, heißt es noch lange nicht dass du es auch musst." Ich seufzte. „Keine Chance dass ich sie selber tragen darf oder?", fragte ich und ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Nein", antwortete er schlicht und ging schnurstracks auf die Sicherheitskontrolle zu.

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