29 - Grün, so weit das Auge reicht

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„Ist mir die Überraschung gelungen?", fragte er belustigt und ich lachte ungläubig. „Ja, auf jeden Fall." Josh bog in die Auffahrt des Reihenhauses, das ich mal mit El besucht hatte. Was für eine Überraschung hatte er geplant dass sie bei ihm zuhause stattfand? Josh stieg aus und schob das Garagentor zurück. Josh Arthur Banks - derselbe Typ welcher eine eigene Computerfirma hatte und Bordsysteme für die Formel 1 entwickelte öffnete sein Garagentor von Hand. Irgendwie war das die größte Überraschung.
Als er sich zurück ins Auto setzte musste er wohl meinen erstaunten Blick bemerkt haben.
„Habe ich es tatsächlich geschafft dich sprachlos zu machen?", neckte er mich. „Keine Chance", wiedersprach ich, während er den Wagen in die Garage fuhr. „Kommt noch", kündigte er an bevor er aus dem Auto stieg, um den Wagen herumkam und mir die Tür aufhielt. Ich griff nach der Hand die er mir hinstreckte und das leichte Flattern in meiner Magengegend war wieder da. Verstärkte sich noch als Josh meine Hand nicht losließ sondern fester umschloss. Ich sah zu ihm hoch und er lächelte mich an. „Bist du bereit für deine Überraschung?", fragte er. Damit verscheuchte er jegliche Schmetterlinge und ich nickte aufgeregt. Sein Lächeln wurde breiter und er zog mich mit sich.
Das Haus war dunkel und ohne Josh wäre ich vermutlich mehr als einmal in etwas hineingestolpert. Und dann blieb Josh plötzlich stehen und ich stolperte stattdessen gegen ihn. „Ich denke du solltest die Augen zu machen", sagte er etwas atemlos und klang aufgeregt. Ich konnte ihn kaum erkennen, war mir aber sicher dass er einen riesen Spaß an der Sache hatte. Brav schloss ich die Augen und spürte den feinen Lufthauch auf dem Gesicht als Josh anscheinend vor meinem Gesicht herumwedelte.
„Nicht gucken!", befahl er noch einmal und nun war ich die, die grinste. Das hier war ein Josh den ich bisher nur sehr selten erlebt hatte. Der ab und zu zwischen all unseren Unterhaltungen ein bisschen durchgedrückt hatte aber nie ganz zum Vorschein gekommen war. Anscheinend hatte er nun entschieden mir diese Seite zu zeigen. Josh stoppte und griff dann nach meinen Schultern um mich zu drehen. „Genau so stehen bleiben", gab er an und seine Hände verschwanden von meinen Schultern. Ein paar Sekunden vergingen, ich hörte ihn kurz rumoren, dann drang schwaches Licht an meine Augenlider.
„Augen auf", hörte ich Josh etwas entfernt und ich tat wie geheißen. „Überraschung", kam es noch von ihm aber ich hörte ihn nur schwach. Ich war vollkommen überwältig von dem Anblick der sich mir bot.
Vor mir war ein Meer aus grünen Pflanzen, große, kleine, dicke, dünne, mit farbigen Blüten und langen Ranken. Dazwischen waren goldene Luftballons angebracht welche in einer leichten Briese tanzten. Goldene Buchstaben, welche das Wort Happy Birthday bildeten, wurden von einer perfekt ausgerichteten Beleuchtung in Szene gesetzt, welche auch alles andere in ein warmes Licht tauchte. Gerade so als würde die Sonne durch die Glaskuppel scheinen welche das ganze Umfasste. Es war eine Art Wintergarten, aber in der Runden und extragroßen Ausführung. Inmitten der ganzen Pracht stand ein kleiner, runder Tisch mit einem weißen Tischtuch, einer roten Rose und gedeckt für zwei Personen.
Josh stand etwas am Rand und beobachtete mich wie ich langsam ein paar Schritte in das blühende Wunder hineinmachte. Nun hatte er mich wirklich sprachlos gemacht. „Ich dachte mir nachdem du gesagt hast dass du ungern in schicken Restaurants isst, möchtest du vielleicht eher etwas ruhigeres zum Geburtstag", sagte Josh und war mir plötzlich ganz nah. „Happy Birthday Jane, ich hoffe es gefällt dir." Verwundert sah ich in sein leicht unsicheres Gesicht. „Du hast gewusst dass ich Geburtstag hatte?", fragte ich, mehr rhetorisch, denn es war offensichtlich der Fall. Aber mein Gehirn war gerade zu sehr mit der Schönheit des Raums beschäftigt um zu denken. Ein kleines Lächeln erschien. „Natürlich habe ich es gewusst, warum sollte ich den Geburtstag meiner Freundin vergessen?" Ich blinzelte. Freundin. Er hatte Freundin gesagt. Ganz ohne Zusatz. Mir wurde warm und aus erstem Impuls schlang ich die Arme um Joshs Mitte. Es war nicht so das sonst niemand an meinen Geburtstag gedacht hätte. Aber das Josh sich derart nach meinen Wünschen richtete hatte ich nicht erwartet. „Danke", murmelte ich an seiner Brust als er die Umarmung erwiderte.
„Dann gefällt es dir?", fragte er. Ich lehnte mich zurück um sein Gesicht zu sehen.
„Das ist die schönste Überraschung seit langem", gestand ich ihm ehrlich. „Danke Josh." Ich meinte es von ganzem Herzen. Er hob die Hand und strich mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. „Mit solchen Komplimenten wartest du besser bis nach dem Essen, du kannst es nämlich nicht zurücknehmen."
„Du hast gekocht?", fragte ich. Josh runzelte leicht die Stirn. „Natürlich, dachtest du wir bestellen Pizza?", fragte er zurück. Ich verkniff mir ein Grinsen über seine Antwort und das Kribbeln war wieder da. Noch nie hatte ein Mann, außer Dad, für mich gekocht. Noch nie.
„Also, hast du Hunger?", fragte Josh und blickte auf mich hinab. Ich nickte. Das war sein Startzeichen. Er führte mich zum Tisch, platzierte mich auf dem Stuhl und breitete die Serviette auf meinen Beinen aus. Von der ganzen Aufmerksamkeit wurde mir beinahe schwindlig.
Während wir aßen unterhielten wir uns über belangloses. Zuerst gab es einen einfachen, gemischten Salat mit einer leckeren Sauce. Das Brot welches Josh dazu servierte war warm.
„Sag mir nicht dass du das selbst gebacken hast", staunte ich. „Dann sage ich es nicht", kam die Antwort und zum zweiten Mal verschlug es mir die Sprache. Der Herr konnte also auch Brot backen. Ich staunte immer mehr.
Noch mehr staunte ich jedoch als er den Hauptgang servierte. Meine Augen glänzten bestimmt wie in einem Cartoon. „Mac n' Cheese?", rief ich erstaunt als Josh den Teller vor mir abstellte. „Ich mag mich erinnern dass du das sehr gerne magst", antwortete Josh. Ich sog genüsslich den Duft des geschmolzenen Cheddars ein. „Ich liebe es!" Josh lachte. „Dann hab ich ja nochmal Glück gehabt." Er schenkte uns ein Glas Wein dazu ein und es war perfekt.
Nachdem ich meinen Teller restlos leergegessen hatte, fühlte ich wie das Käsekoma mich langsam einholte. Ich lächelte zufrieden unterdrückte ein Gähnen.
„Möchtest du den Rest des Hauses sehen?", fragte Josh als er aus der Küche zurückkehrte. Ich drehte mich zu ihm um und schüttelte die Müdigkeit ab. „Unbedingt!", willigte ich ein. Er streckte mir die Hand hin und ohne zu Zögern griff ich danach.
Mit meiner Hand fest in seiner tourte er mit mir durch das Haus und kommentierte alles als würden wir uns eine Ausstellung ansehen. „Hier sehen sie die Küche welche nun nicht mehr aussieht als hätte ein Krieg darin getobt", präsentierte er die klassische, englische Küche. Danach folgten das Wohnzimmer, ein Esszimmer und der zweite Stock. Ich lachte über Joshs Kommentare, stellte aber immer mehr ein entscheidendes Detail fest. Es war ein stinknormales Reihenhaus. Ohne technischen Schnickschnack. Es gab einen Fernseher und ein Arbeitszimmer mit einem PC. Ansonsten konnte ich keinerlei höhere Technik entdecken. Kein Sprachassistent, keine elektrischen Fensterläden oder sonstigen Schnickschnack. Dafür umso mehr Pflanzen. Es gab wohl keinen Raum der ohne etwas Grünes ausgekommen wäre.
„Bewirtschaftest du die Pflanzen eigentlich alle selber?", fragte ich als ich auf dem Fensterbrett neben der letzten Tür noch mehr Pflanzen entdeckte. Josh folgte meinem Blick. „So ziemlich", antwortete er. „Mrs. Earl, meine Nachbarin, hilft mir aus wenn ich nicht da bin." Er lächelte wie jemand der liebte was er tat. Ich hatte ihn nicht für einen Pflanzenfanatiker gehalten.
„Du überrascht mich immer mehr Josh Banks." Sein Blick kehrte zu mir zurück. „Ebenso Jane Smith", gab er zurück und sein Blick ruhte auf meinem Gesicht.
„Wer hätte gedacht dass wir einmal so hier stehen", überlegte ich Laut. „Ich nicht", fügte ich an. Josh nickte. „Ich auch nicht", gestand er ein. Dann streckte er seine noch freie Hand nach meiner aus. „Aber ich bin froh dass wir es tun", fuhr er fort und fuhr mit dem Daumen über meine Handrücken. Unsere Blicke waren fest in einander verhakt und seine Worte ließen die Luft zwischen uns beinahe hörbar knistern. „Ich auch", brachte ich knapp hervor. Dann sagten wir eine ganze Weile nichts und sahen einander nur an. Genossen das Kribbeln das über den Hautkontakt hin und her rieselte und eine wohlige Erregung auslöste.
„Ich habe noch ein Geschenk für dich", brach Josh das Schweigen. Ich blinzelte und brauchte einen Moment um seine Worte zu verarbeiten. „Ich dachte das Abendessen sei das Geschenk", antwortete ich. Josh grinste. „Das auch", bestätigte er. „Aber ich hab da noch was für dich."
Er ließ meine eine Hand los nur um mich an der anderen sanft hinter sich herzuziehen. Zurück in seinem Wintergarten platzierte er mich zurück auf meinem Stuhl. „Bin gleich zurück." Er verschwand in Richtung Küche und kehrte kurz darauf mit einem Teller zurück. Darauf war eine Schale platziert, deren Inhalt verdächtig nach Schokoladenmouse aussah, und daneben brannte eine kleine Kerze. Ohne mein Zutun hoben sich meine Mundwinkel.
„Ich erspare dir das singen, damit verschone ich uns beide", sagte Josh und stellte den Teller vor mir ab. „Aber du darfst dir trotzdem etwas wünschen."
„Danke Josh", brachte ich hervor bevor ich meine Kerze auspustete. „Hast du das etwa auch selbst gemacht?", fragte ich ihn und zeigte auf das Schokomouse. Er nickte stolz und legte dann eine kleine, blaue Schachtel mit passend hellblauer Schleife neben den Teller.
„Es ist nichts aufregendes", sagte er nur dazu. Ich sah leicht Kopfschüttelnd zu ihm hoch. „Das glaube ich dir nicht. Die ganze Überraschung heute war aufregend." Nun war es an Josh die Mundwinkel zu verziehen, er sagte aber nichts weiter dazu. Ich griff nach der Schachtel und zog die Schleife auf bevor ich den Deckel öffnete. Mein Atem stockte.
Auf schwarzem Samt lag eine goldene Kette in Form einer Sonne. Es war exakt die Kette welche mir in Barcelona besonders gut gefallen hatte.
„Wow", machte ich. „Sie ist wunderschön." Ich nahm sie vorsichtig aus der Schachtel und hielt sie gegen das Licht. Der Perlmutring um die Sonne schimmerte in allen Farben. Ich stand auf und schlang die Arme um Josh. „Danke!", murmelte ich.
„Frauen sind alle gleich", murmelte Josh leise. Ich lehnte mich zurück und sah fragend zu ihm hoch. „Kaum glitzert es werdet ihr schwach", erklärte er mir und ich wusste dass er es zwar nicht ganz ernst meinte, es aber doch ein Fünkchen seiner Wahrheit beinhaltete. Ich schüttelte den Kopf über seine Logik. „Ich glaube du hast ein wenig ein falsches Bild von Frauen", erwiderte ich Kopfschüttelnd. „Ich bin keine doch keine Elster." Damit brachte ich Josh zum Lachen, doch ich war noch nicht fertig. „Ich freue mich doch nicht darüber weil es glitzert sondern weil es von dir kommt", fuhr ich unbeirrt fort, während ich ihm direkt in die Augen schaute. Joshs Miene wurde nachdenklich und er gab meinen Blick ruhig zurück. Es war als würde er innerlich etwas mit sich ausmachen, dann hob er eine Hand an meine Wange.
„Ich glaube deswegen mag ich dich", sagte er während er mir über die Haare strich. Ich blinzelte. Hatte ich ihn gerade richtig verstanden? „Was?", rutschte es mir heraus. Ein Lächeln erschien auf Josh Gesicht, so warm und einnehmend das mir beinahe die Luft wegblieb. Er fasste mein Gesicht mit beiden Händen und ich hatte keine andere Wahl als mich im grün seiner Augen zu verlieren.
„Ich mag dich, Jane. Sehr sogar", wiederholte er seine Worte mit fester Stimme. Etwas Warmes breitete sich in meiner Brust aus. Etwas das nichts mehr mit aufgeregten Schmetterlingen zu tun hatte. Ich schwebte. Zumindest fühlte es sich so an.
„Das tue ich auch", brachte ich knapp hervor. „Dich mögen meine ich", faselte ich weiter. Das Lächeln auf Joshs Gesicht wurde breiter. Leuchtete regelrecht. „Gut", meinte er nur, bevor er seine Lippen auf meine legte.
Der Kuss war anders als alle zuvor. Einnehmender. Ich verlor mich regelrecht an Joshs Lippen und musste mir eingestehen dass ich noch nie zuvor so empfunden hatte.
Schwer atmend lösten wir uns irgendwann voneinander. Irgendwann hatte ich die Arme um Josh Hals geschlungen und ihn näher gezogen.
„Es gibt noch Nachtisch", sagte Josh unvermittelt. Eine Erwiderung lag mir regelrecht auf der Zunge und ich konnte mich gerade noch bremsen es nicht zu sagen. Doch Josh musste es an meinem Gesicht abgelesen haben. Denn er lachte laut auf. „Den Gedanken hat man nun beinahe gehört Jane, aber ich denke wir sollten mit dem Schokomouse anfangen." Er drückte mir noch einmal einen kurzen Kuss auf die Lippen bevor er sich von mir löste und wir tatsächlich dazu übergingen das Schokomouse zu essen. Das warme, beflügelnde Gefühl blieb jedoch bis ich wieder in meinem eigenen Bett lag. 

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Dieses Kapitel ist entstanden als ich der Kälte getrotzt habe und ich hoffe es hat auch auf euch ein wenig abgefärbt! ;) Bleibt gesund und wir sehen uns nächste Woche <3

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