9 - Muss ich wirklich?

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"Ich fasse einfach nicht dass du mir das so lange verheimlicht hast!", beschwerte sich meine beste Freundin. Wie selbstverständlich war ich nach meinem Gespräch mit Tom zu Eleanors Wohnung gefahren um den Vorfall mit ihr zu besprechen. Erst als ich vor der verschlossenen Wohnungstür gestanden hatte, fiel mir wieder ein dass sie noch nicht von ihrem Familienbesuch zurück war. Das war natürlich schlecht, denn ich hatte jede Menge verschiedenster Gedanken mit ihr zu sortieren. Dachte Tom wirklich es würde alles entschuldigen weil er sich neu verliebt hatte? Das ich dann schon nichts dagegen hätte wenn er mich betrog? Wäre es nicht fair gewesen mit mir Schluss zu machen? Mir und ihr gegenüber? Und warum zur Hölle hatte Tom eine Klage gegen Josh Banks eingereicht? Ich konnte ihm nicht mehr viel bedeutet haben wenn er mich so einfach hinterging und ersetzte. Was also kümmerte es ihn das mich ein reicher Schönling über den Haufen fuhr? Die Tube trug mit ihrem Rattern nicht gerade zu Ordnung in meinem Kopf bei und so hatte ich, kaum zuhause, bei El angerufen. Damit sie mir mit dem Chaos in meinem Kopf helfen und sich beschweren konnte das ich sie nicht früher eingeweiht hatte.
"Tut mir leid El, ich wollte das so schnell wie möglich geklärt haben", sagte ich und fühlte mich schlecht ihr bisher nichts erzählt zu haben. Ich hatte jedoch diesmal nichts ausgelassen. Nicht das kleineste Detail. El war über das Ganze also beinahe besser informiert als ich selbst.
"Verstehe ich doch Süße, das war auch wirklich eine scheiß Aktion von diesem-", sie hielt kurz inne und suchte nach dem richtigen Wort. "-diesem Arsch!" Ich lächelte ein wenig über ihre Ausdrucksweise. Keiner würde vermuten dass Eleanor aus gutem Hause kam. Ich seufzte.
"Schon klar, aber was mache ich denn jetzt?", fragte ich da ich mir einen Lösungsvorschlag erhoffte. El seufzte ratlos und einige Sekunden sagte keine von uns etwas.
"Ich finde du solltest dich bei ihm entschuldigen", durchbrach Eleanor schließlich die Stille.
"Bei Tom?", fragte ich fassungslos und etwas zu laut. Wie konnte sie so etwas auch nur vorschlagen?
"Doch nicht bei diesem Hornochsen!" protestierte sie sofort und schnaubte verächtlich. "Bei Josh Arthur Banks natürlich." Ich runzelte die Stirn und das nicht nur weil sie seinen vollen Namen verwendete.
"Denkst du wirklich?", fragte ich nach kurzer Denkpause unsicher. Ich wusste dass sie Recht hatte und doch wollte ich mich nicht schon wieder mit ihm befassen müssen. Auch wenn mir klar war das ich nicht vor meinen Problemen davonlaufen konnte. Eleanor witterte meinen Fluchtversuch bereits wie ein Wachhund und wies mich sofort zurecht.
"Janie zieh jetzt nicht den Schwanz ein, leg auf und ruf ihn an um dich bei ihm zu entschuldigen", befahl sie mir. "Vielleicht springt diesmal ein Kaffee mit ihm dabei heraus", tönte sie bedeutungsvoll an und ich konnte ihr kokettes Zwinkern vor meinem inneren Auge sehen. Ich stöhnte. Niemals hätte ich ihr von unsrem Tanz und dem Flirt erzählen dürfen. Das war ein Fehler gewesen.
"Das wird nicht passieren", protestierte ich darum sofort und Eleanor lachte glockenhell durch die Leitung. "Das sehen wir noch und jetzt krieg den Arsch hoch Smithy, halt mich auf dem Laufenden!" Ohne auf meine Antwort zu warten legte Eleanor auf und ich ließ das Telefon sinken. Eleanor hatte Recht. Ich musste mich bei Josh Banks entschuldigen. Auch wenn ich mich lieber unter meiner Decke verkrochen hätte und dieses Telefonat noch etwas aufgeschoben hätte. Nur bis nach dem Abendessen. Oder bis zum nächsten Tag damit ich Zeit hatte darüber nachzudenken was ich zu ihm sagen sollte. Bisher hatten sich meine Ideen in Grenzen gehalten. 'Hallo Josh hier ist ihre vermeintliche Stalkerin deren Exfreund ihnen eine Klage angehängt hat. Ich wollte mich nur kurz entschuldigen, schönen Abend?' Ein fantastisches Gespräch. Stöhnend vergrub ich mein Gesicht in den Armen und ließ mich nach hinten auf mein Bett fallen. Ich war eine furchtbare Aufschieberin. Während ich weitere untätige Minuten an die Decke starrte und Worte im Kopf neu zusammensetzte, vibrierte mein Handy. Als ich auf den Bildschirm blickte sah ich das El mich bereits damit terrorisierte endlich bei Josh Banks anzurufen. Sie kannte mich viel zu gut. Ächzend quälte ich mich mit einem Ruck aus dem Bett und kramte in meiner Tasche nach seiner Visitenkarte. Sie sah etwas mitgenommen aus. Langsam tippte ich die Nummer in mein Handy und atmete tief durch bevor ich es mir wählend ans Ohr hielt. Erst als das zweite Tuten erklang fiel mir ein dass ich noch immer nicht wusste was ich zu ihm sagen sollte. Da war war es jedoch bereits zu spät.
"Banks?", meldete sich die tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung.
"Hallo äh hier ist Jane", meldete ich mich noch etwas überfordert. "Jane Smith", hängte ich rasch an da Großbritannien nur so vor Janes wimmelte. Kurz blieb es still.
"Jane Smith", sagte er überrascht und ließ sich meinen Namen auf der Zunge zergehen. "Mit ihnen hatte ich nicht so rasch gerechnet. Was verschafft mir die Ehre?" Bildete ich mir den spöttischen Unterton nur ein? Ich beschloss es zu ignorieren da ich gerade genug hatte worüber ich mir Gedanken machte.
"Ja ich also ich-", setzte ich nicht sonderlich intelligent an und versuchte irgendwie das Karussell in meinem Kopf zu stoppen um einen klaren Satz zu formulieren. "Ich wollte mich bei ihnen entschuldigen", platzte ich schließlich platt hinaus. Wieder folgte Stille, in welcher ich fieberhaft überlegte was ich ihm noch sagen wollte.
"Aber?", fragte er kurz darauf in die Stille hinein. "Haben sie es sich anders überlegt?" Ich schüttelte energisch den Kopf.
"Nein, nein ich- es tut mir wirklich leid", beteuerte ich rasch.
"Solange sie nicht die waren welche die Klage gegen mich erhoben hat, denke ich nicht dass es einen Grund für sie gibt sich bei mir zu entschuldigen."
"Doch, doch ich denke das sollte ich", wiedersprach ich. "Mein Ex-Freund erhebt eine unsinnige Klage gegen sie, das liegt auf jeden Fall in meiner Verantwortung, auch wenn ich keine Klage gegen sie erhoben habe."
"Wenn sie darauf bestehen, werde ich es dabei belassen und ihre Entschuldigung annehmen. Wobei ich ihnen in diesem Fall auch eine Entschuldigung schulde. Ich war etwas harsch zu ihnen gestern, das tut mir leid." Ich atmete erleichtert auf. Ein wenig Gewicht wurde von meinen Schultern genommen.
"Ich denke nicht dass sie überreagiert haben. Wäre ich sie hätte ich vermutlich auch sensibel reagiert." Ich wäre ziemlich sicher an der Decke geklebt, das war mir klar. Josh Banks lachte kurz auf.
"Einen kleinen Vorgeschmack davon hatte ich bereits da kann ich es mir vorstellen." Damit spielte er wohl auf meinen kleinen Ausbruch zu Beginn unseres Gespräches gestern an. Da war ich nicht gerade die Ruhe selbst gewesen. Doch bevor ich mich auch für diesen Ausfall entschuldigen konnte sprach er bereits weiter.
"Was gedenken sie nun gegen die Klage zu unternehmen?", fragte er.
"Ich habe in Auftrag gegeben das die Klage zurückgezogen wird", informierte ich ihn.
"Und sie sind überzeugt davon dass das klappt?", gab er etwas skeptisch zurück und ich begann an einer Fluse auf meiner Hose herum zu nesteln.
"Ich denke schon", sagte ich unsicher da ich Tom zwar klar gesagt hatte er solle die Klage zurückziehen, er dies aber nie bestätigt hatte. Das fiel mir erst jetzt auf. Josh bemerkte meine Unsicherheit anscheinend auch und seufzte.
"Tut mir leid Jane aber das ist mir zu unsicher", sagte er. "Wären sie dazu bereit das Ganze mit mir und meinem Anwalt zu besprechen?" Mein Atem stockte etwas und ich schluckte hart. Ich hatte noch nie etwas Derartiges regeln müssen. Mir war jedoch auch klar dass ich nicht darum herum kommen würde.
"Natürlich bin ich dazu bereit", antwortete ich ihm rasch. Meine Antwort war viel sicherer als ich mich fühlte.
"Gut", sagte Josh und klang erleichtert. "Das freut mich. Denken sie, dass sie es sich diese Woche einrichten könnten? Eventuell am Mittwoch gegen vier Uhr?"
"Unter der Woche arbeite ich, da wird es mir nicht möglich sein so früh loszukommen." Mr. Lee würde mich bestimmt nicht früher gehen lassen wenn ich ihm keinen Grund lieferte und ich würde ihm keinesfalls von meinem Drama erzählen das ich mir da eingebrockt hatte.
"Hmm", machte Josh. "Was halten sie dann von Freitagabend? Wie lange arbeiten sie?" Ich überlegte kurz.
"Da kann ich es mir gegen sieben Uhr einrichten", bestätigte ich. Trey würde auf mich verzichten müssen damit ich das regeln konnte. Das hier war viel wichtiger.
"Sehr gut, ich lasse ihnen Uhrzeit und Ort noch zukommen wenn das in Ordnung ist?" Ich bestätigte das und dann verabschiedete sich Josh Banks mit einem "Bis bald Jane Smith" von mir und hatte bereits aufgelegt. 

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©2020 by keeaty


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