17 - Ein und Aus

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Mit wild klopfendem Herzen drehte ich mich zu Josh um. Ich fühlte mich mit einmal zittrig und stand ein wenig neben mir als ich meinen Arm auf seinen legte. Josh schien die Spannung im Raum wie ein Spürhund zu bemerken und sah mich fragend an. „Was ist los?", fragte er mit einem kurzen Blick zu mir und auf seinem Gesicht zeigte sich eine Spur Besorgnis. Anscheinend sah ich genauso angespannt aus wie ich mich fühlte. "Da hinten ist Tom", brachte ich ihn mit dünner Stimme auf den Stand der Dinge und wies leicht mit dem Kopf in die Richtung. Im Bruchteil einer Sekunde hatte Josh die Situation erfasst und ließ seinen Arm in einer geschmeidigen Bewegung um meine Hüfte gleiten als hätte er dies schon oft getan und unterbrach sein Gespräch mit Mrs. Dalton dabei keine Sekunde. Mein Arm blieb auf seinem Oberarm liegen und der größte Teil meines Körpers schmiegte sich nun frontal an ihn. Vermutlich wäre mir das in jeder anderen Situation zu viel Nähe gewesen aber gerade hatte ich das Gefühl mich an etwas festhalten zu müssen. Die Wärme die Josh ausstrahlte war beinahe beruhigend. Ich versuchte eine Miene aufzusetzen die wenigstens so aussah als ob ich mich am Gespräch beteiligte. Dabei hatte ich den Faden längst im Wirbel der Gedanken in meinem Kopf verloren.
Ich versuchte mich auf Joshs Atmung zu konzentrieren. Ein und Aus. Was machte Tom hier? Ein und Aus - das ist nicht wichtig Jane! Mein Innenleben war völlig durcheinander und ich hatte das Gefühl viel zu wenig Luft zu bekommen. Tom war doch nie Fan von solchen Veranstaltungen gewesen und hatte nie hingehen wollen. Vielleicht wollte er nur nie mit dir hingehen.- Schoss es mir durch den Kopf. Die Sandwiches lagen mir plötzlich unangenehm im Magen und mein dummes Herz krampfte sich zusammen. Anscheinend hatte ich mich etwas zu sehr an Josh abgestützt. „Atmen Jane", raunte er plötzlich neben meinem Ohr. Wie ein Roboter reagierte ich auf den Befehl und ließ Sauerstoff in meine Lungen fließen. Der Druck in meinem Magen ließ etwas nach. „Ist alles in Ordnung bei ihnen Jane?", fragte Mrs. Dalton und sah besorgt aus. Ich hatte vollkommen vergessen dass sie auch noch da war. Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Natürlich, ich habe wohl etwas zu schnell gegessen", flunkerte ich und Mrs. Dalton nickte verständnisvoll. „Wollen wir?", fragte Mr. Dalton keine Sekunde später und trat zu uns. Ich hatte gar nicht bemerkt dass er weg gewesen war. Josh löste seinen Arm von meiner Hüfte und legte meine Hand um seinen Arm so dass ich mich einhaken konnte. Wir betraten einen weiteren Saal voller Tische mit jeweils sechs Plätzen. Alle Plätze waren zu einer Bühne mit Leinwand hin ausgerichtet und auf den Tischen stand ein kleines Fähnchen. Ich hatte keine Ahnung was das hier werden sollte. Vielleicht hätte ich mir den Grund der Veranstaltung doch noch etwas besser ansehen sollen. Aber dafür war es jetzt definitiv zu spät.
Gemeinsam setzten wir uns an einen Tisch mit Mr. und Mrs. Dalton und ich war heilfroh als sich ein Paar in den Vierzigern bei uns niederließ. Warum ich die absurde Angst hatte das Tom sich zu uns an den Tisch setzten könnte verstand ich nicht. Das Paar stellte sich als Zak und Tracy Brown vor und bei dem Namen klingelte zwar etwas bei mir aber ich kam nicht darauf. Die Daltons schienen die Browns ebenfalls gut zu kennen, begrüßten sie herzlich und begannen sofort angeregt mit ihnen zu plaudern. Damit hatte ich eine kleine Pause in der ich einfach nur nett da sitzen musste. Mein Gehirn war sowieso viel zu beschäftigt damit nicht im Raum nach Tom zu suchen und stattdessen freundlich zu Lächeln. Da wir einen Tisch beinahe ganz vorne gewählt hatten und der Rest des Saals somit in meinem Rücken lag war es gar nicht so schwierig. Erst Josh, der seine Hand auf meinem Knie ablegte, holte mich aus meiner Starre. „Du siehst ein wenig unheimlich aus wenn du so starrst", raunte er mir zu und beugte sich dabei nah zu mir. Auch war er mit dem Stuhl etwas mehr zu mir gerückt. Mir war klar dass er damit eine gewisse Intimität vorspielen wollte. Ganz kurz schloss ich die Augen. „Ich fühle mich auch ein wenig unheimlich", gestand ich ein und als ich mich zu ihm wandte waren unsere Gesichter auf derselben Höhe. Seine grünen Augen sahen mich ernst an. „Spiel heute einfach alles mit und versuche wenigstens den Abend ein wenig zu genießen. Immerhin sitzt du nicht jeden Tag mit dem CEO von McLaren am Tisch." Seine Worte holten mich, kaum waren sie bei mir angekommen, aus der tiefe meines Kopfes. Als würde ich nach einem Tiefseegang auftauchen. „Was?", hauchte ich ungläubig und schielte kurz zu den Browns. Natürlich, nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Zak Brown, der CEO von McLaren Racing. Ein Amerikaner der zurzeit in England lebte. Wie hatte es mir nicht auffallen können? Mit meinem neuen Wissen fiel es mir plötzlich viel leichter mich am Tischgespräch zu beteiligen und Toms Anwesenheit schob sich in den Teil meines Gehirns welchem ich gerade am wenigsten Aufmerksamkeit schenkte. „Ich freue mich auf die Testergebnisse von nächster Woche Josh", sagte Zak Brown gerade. „Keine Angst sie werden dich auf jeden Fall nicht enttäuschen", erwiderte dieser und ich sah ihn kurz fragend an. Was hatten die beiden miteinander zu tun? Das Gespräch ließ meine Frage jedoch nicht zu. Aus dem Kontext konnte ich mir zusammenreimen das Josh anscheinend an der Entwicklung eines neuen Programms beteiligt war. So genau verstand ich es jedoch nicht da ich von der Materie und den ganzen Fachbegriffen viel zu wenig Ahnung hatte. „Was machen sie beruflich Jane?", fragte mich plötzlich Tracy Brown und ich wandte mich ihr zu. „Entschuldigen sie aber ich langweile mich immer fürchterlich wenn mein Mann zu sehr zu fachsimplen beginnt." Sie lachte kurz auf. „Aber das wird bei ihnen nicht anders sein", sagte sie und nickte zu Josh. Ich lächelte. „Nun ja, bisher hat er sich zurückgehalten", versuchte ich ein wenig auszuweichen. Tracy zog die Augenbrauen hoch. „Dann haben sie ja Glück gehabt, sehen sie nur zu dass es auch so bleibt", sagte sie und blinzelte mir verschwörerisch zu. Ich lächelte breit. „Ich gebe mein Bestes", versprach ich ihr und sie nickte zufrieden. Wenn Sie wüsste. „Nun zurück zu meiner Frage: Was arbeiten sie?". Ich antwortete ihr brav und rasch kamen wir ins Gespräch. Anscheinen fand sie mein Gefachsimple um einiges spannender als das ihres Mannes.
Wir unterhielten uns eine Weile und ich stellte fest dass sie eine sehr bodenständige, angenehme Person war mit der ich mich auf Anhieb verstand. Kurz darauf fand ich auch heraus warum wir alle hier waren heute Abend. Auf der Bühne erschien ein Sprecher und begrüßte die Menge. Daraufhin begann er von Kinderhilfswerken zu erzählen von welchen ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört hatte und plötzlich hatte ich ein schlechtes Gewissen dass ich mich viel zu wenig für die wirklich Bedürftigen dieser Erde einsetzte. Auch wenn meine Familie nur der schlecht verdienenden Mittelschicht angehörte so hatten wir doch immer genug Geld zum Leben gehabt. Ich hatte nie hungern oder mir zu viele Sorgen um meine Ausbildung machen müssen. Noch nie hatte ich es so zu schätzen gewusst wie in diesem Moment. Nach einer Bildschirmpräsentation welche mich beinahe zu Tränen rührte begannen die Spendenaufrufe. Jeweils ein Projekt wurde vorgeschlagen und dazu die Summe eingeblendet welche benötigt wurde um es zu realisieren. Wer spenden wollte konnte mit dem Fähnchen winken und wurde von einem rasch herbeieilenden Mitarbeiter in eine Liste eingetragen. Bei den Beträgen drehte sich mir der Magen um. Die Summen an Geld umfassten locker einen Jahreslohn meinerseits, welchen die Damen und Herren einfach mal so als Spendezweck übrig hatten. Ich sah nicht hin als Josh sich ebenfalls in die Liste eintrug. Lieber wollte ich gar nicht wissen wie viel Geld der Mann neben mir wirklich hatte. Zwischenzeitlich vergaß ich wie reich er war und wollte es mir nicht schon wieder vor Augen führen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit waren alle Projekte vorgestellt und der Sprecher verabschiedete sich. Die Gespräche wurden wieder aufgenommen. „Sehr schön dann hätten wir das auch", brummte Mr. Dalton und erhob sich von seinem Stuhl. Die Anderen erhoben sich ebenfalls und ich tat es ihnen gleich. Anscheinend war die Veranstaltung damit beendet. Wir verabschiedeten die Daltons wobei ich Mrs. Dalton versprechen musste mich einmal mit ihr zum Tee zu treffen.

„Wirst du in Barcelona dabei sein Jane?", fragte mich Tracy nachdem sie mich zum Abschied auf beide Wangen geküsst hatte. Im Verlauf des Abends hatte sie mir das Du angeboten. Ich sah sie wohl etwas zu verständnislos an. „Beim Rennen natürlich!", lachte sie und sah mich abwartend an. „I-Ich weiß es nicht?", antwortete ich ihr stockend und schielte hilfesuchend zu Josh. „Oh hat er es dir noch nicht gesagt?", fragte sie überrascht und wandte sich sogleich an Josh. „Hast du deiner Liebsten noch nicht erzählt dass ihr zu jedem Rennen erwartet werdet?", fragte sie und überrumpelte ihn damit ein wenig. Er blinzelte kurz. „Nein ich denke diese Information habe ich ihr tatsächlich noch vorenthalten", erwiderte er. Tracy schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Wie kannst du nur Josh, ich erwarte natürlich dass ich Jane wiedersehe", teilte sie ihm mit und entlockte ihm damit ein Lachen. „Das kann ich dir natürlich nicht ausschlagen", erwiderte er charmant und Tracy wirkte zufrieden. Zak reichte mir zum Abschied die Hand und danach trennten sich unsere Wege. Noch etwas hibbelig davon dass ich dem Chef von McLaren Racing die Hand geschüttelt hatte und von seiner Frau wieder erwartet wurde hakte ich mich bei Josh ein. Wir gingen den ganzen Weg zurück zum Ausgang bis wir in der Eingangshalle unsere Mäntel  in Empfang nahmen. „Ich kann kaum glauben dass wir den Chef von McLaren getroffen haben", sagte ich etwas atemlos und mehr zu mir selbst. Josh neben mir lachte kurz auf. „Du weißt wirklich gar nichts über mich oder?", fragte er amüsiert. Blinzelt sah ich ihn an. „Warum?", fragte ich neugierig. Josh schlüpfte in seinen Mantel und half mir in meinen bevor wir nach draußen gingen und er mir eine Antwort gab. „Ich bin gerade dabei das komplette Bordcomputersystem mit McLaren zusammen zu revolutionieren", erklärte er mir und klang dabei ein wenig stolz. „Echt?", fragte ich erstaunt zurück und war froh dass ich keine Reporter ausgemacht hatte welche meine verdatterte Miene hätten einfangen können. Wieder entlockte ich Josh ein Lachen. Gerade als er zu einer Erwiderung ansetzte änderte sich seine Miene für eine Millisekunde. Mit einmal zog er mich ein wenig näher zu sich und brachte seinen Mund nah an mein Ohr. Die plötzliche Nähe schickte elektrische Schauer über meine Haut welche sich in Eis verwandelten als Josh zu Sprechen anfing.

„Jane ich möchte jetzt dass du auf gar keinen Fall nach rechts schaust", murmelte er und sein Atem strich mir kitzelnd über den Hals. „Du solltest besser einfach mitspielen und genau jetzt lachen." Mein Herzschlag beschleunigte sich als seine Worte und ihre Bedeutung bei mir ankamen. Ich lachte kurz auf und hoffte dass es nicht ganz so falsch klang wie in meinen Ohren. Mir war klar was das hieß. Tom stand irgendwo da und beobachtete uns. Ich lehnte mich, einem Impuls folgend, zu ihm und küsste Josh auf die Wange. Als ich mich zurücklehnte sah Josh mich mit einer halb hochgezogener Braue ein wenig überrascht an.

"Das soll jemand glauben?', fragte er mich und drehte mich so dass ich direkt vor ihm stand. Er brachte sein Gesicht näher an meins und verflocht seine Finger zwischen uns mit meinen. Mit der anderen Hand strich er mir übers Gesicht und trug ein kleines Lächeln zur Schau. Seine grünen Augen nahmen mich gefangen. Diesmal stolperte mein Herz doch kurz durch die unerwartete Aktion. Seine Finger wanderten über meinen Wangenknochen bis sie an meinem Kinn liegen blieben. Ganz sanft hob er meinen Kopf an. „Bitte Lächeln Jane", murmelte Josh und ich tat wie geheißen. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und fühlte mich ein wenig wacklig dabei ihm zu lange in die Augen zu sehen. Das hier war viel näher als ich dachte dass wir uns je kommen würden. „Nicht erschrecken", hauchte Josh und erstickte meine aufkommende Frage vor was ich mich erschrecken sollte indem er seine Lippen sanft auf meine senkte. 

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Leute: Ich hab bei einem Award mitgemacht und tatsächlich was gewonnen?!  Und zwar beim LEGENDAWARD in der Kategorie Dramalegend den 4ten Platz! *cries* Klar, knapp daneben ist auch vorbei aber ich freue mich trotzdem! Da dachte ich mir gibt's gleich ein Kapitel wenn ich den Sticker kriege. 

Wenn ihr gerne sehen wollt welche tollen Geschichten 'wirklich' gewonnen haben dann schaut doch bei  auf dem Kanal vorbei, da findet ihr den LEGENDAWARD. 

©2020 by keeaty 

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