33 - Alles und irgendwie nichts

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Die nächsten Tage zogen, wie in einen Schleier gewickelt, an mir vorbei. Ich war völlig abwesend und auch meinem Umfeld fiel das auf. Wie hätte es ihnen auch entgehen können, wenn man mich für alles mindestens zweimal ansprechen musste. Zumal wurde meine Trennung ab Dienstag in der Presse diskutiert. Damit war dann auch dem letzten Idioten klar, warum ich mich aufführte wie ein Zombie. Ich war auch genauso Hirnlos wie einer und wurde gefühlte tausendmal pro Tag, von meinem Chef dafür kritisiert.

Meine Eltern riefen jeden Tag an und erfanden immerzu neue Gründe um mit mir zu reden. Das hatte an besagtem Sonntagabend angefangen, da sie ein schlechtes Gefühl in der Magengegend hatte und das dringende Bedürfnis mich anzurufen. Mütterlicher Instinkt grenzte irgendwie an Magie. Seither wusste ich über die Leben meiner Eltern besser Bescheid, als sie selbst.

Hannah versuchte krampfhaft Mr. Lee abzulenken und warf mir hin und wieder mitleidige Blicke zu. Für mehr als ein schwaches, dankbares Lächeln meinerseits, hatte es aber doch nicht gereicht.

Irgendwie fühlte sich die Trennung von Josh, viel schlimmer an als die von Tom. Woran das lag, wusste ich auch nicht. Es war mir auch egal. So wie alles.

Trey war damit jedoch überhaupt nicht einverstanden. Er versuchte mich mit allem möglichen aufzuheitern. Erzählte mir lustige Instanzen aus seinem Leben, machte sich bei jeder Gelegenheit, die sich ihm bot, zum Affen und schnitt Grimassen hinter Lees Rücken.
Zudem schleppte er Schokobons mit sich herum und immer wenn ich auch nur die geringsten Anzeichen eines traurigen Gesichtes machte, drückte er mir eins in die Hand. Meist aß ich es widerstandslos, auch wenn es nach nur wenig schmeckte. Auch Michele gab sich alle Mühe mir in irgendeiner Form zu helfen. Ich merkte wie viel Arbeit sie mir abnahm, wie oft sie Mr. Lee ablenkte und mir immer mal wieder an die Schulter stieß, wenn ich während der Arbeit abdriftete und in meinen Gedanken verschwand.

Ich Video chattete jeden Abend mit El. Meist sagten wir kaum etwas, sondern ich sah ihr dabei zu, wie sie in ihrem Büro saß und Artikel verfasste. Sie war einfach da und sah zu, dass ich mich nicht selbst verrückt machte. An den Wochenenden fuhr ich zu meinen Eltern.

So ging es zwei Wochen lang, ohne dass ich auch nur ein Sterbenswörtchen von Josh gehört hätte.

Als ich, nach einer weiteren anstrengenden Woche, in unseren Vorgarten einbog, sah unsere Nachbarin Mrs. Jenkins über den Zaun. „Ach, Betty!", rief sie erfreut und winkte mir enthusiastisch zu. Ich hob die Hand. „Hallo Mrs. Jenkins, wie geht's?" Ich erinnerte sie nicht daran, dass ich nicht ihre Freundin Betty war, das hatte keinen Sinn. Mrs. Jenkins winkte ab. „Der Rücken, wie immer", sagte sie und während sie mich musterte, begann sich ihre Stirn in Falten zu legen. „Du siehst nicht gut aus, Liebes. Du solltest mit dem Sherry aufhören", bemerkte sie und ich nickte nur. „Werde ich machen, danke Mrs. Jenkins", antwortete ich ihr und hob die Hand zum Abschied. Sie winkte mir zu, bereits abgelenkt von einer ihrer Katzen. Anscheinend sah ich aus wie eine Alkoholikerin, fabelhaft.

Meine Eltern warteten bereits auf mich und schlossen mich fest in die Arme. Sie sagten nicht viel dazu, mussten sie aber auch nicht. Ich konnte das Mitleid in Moms Blick und den Ärger auf Dads Gesicht, noch immer gut erkennen.

Wir aßen, vermieden das Thema Josh und Dad gab seine liebsten Geschichten aus dem Hotel zum Besten. Ich kannte sie zwar alle auswendig, gab mir aber Mühe erheitert auszusehen, Dad zuliebe.

Nach dem Abendessen kuschelten wir uns auf die Couch und Mom schaltete eine Gameshow ein. Normalerweise hätte ich mich vor Lachen auf dem Boden gewälzt, doch es reichte kaum für ein Hochziehen der Mundwinkel.

„Ich mache mir einen Tee, will sonst noch jemand einen?", fragte ich, als die Show vorbei war. Mom wollte, Dad nicht, so wie immer. Ich tapste in die Küche, fühlte Wasser in den Wasserkocher und lehnte mich an den Tresen während ich wartete.

let's play pretendWhere stories live. Discover now