26 - Die Stimme der Vernunft dreht durch

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Obwohl ich wirklich dringend eine Antwort auf meine Frage wollte, verlor sie zwischen dem Ganzen Trubel immer mehr an Gewicht. Es gab einfach zu viel zu tun.
Da der Sommer unsere Hauptsaison für Events war, hatten wir alle mindestens drei Projekte mit denen wir jonglierten und dazu auch jeweils mindestens einen Nervenzusammenbruch. Mr. Lee toppte uns alle und hatte mindestens drei Nervenzusammenbrüche in der Minute. Er ernährte sich nur noch von seinem Super-Kaffee und ich war mir sicher dass er damit sein Diabetesziel bis Juni spätestens erreichte.
Er hatte zu unserer Begegnung an Joshs Anlass nichts weiter gesagt sondern war viel zu beschäftigt damit mich herum zu scheuchen. Immer weniger fühlte ich mich wie die Grinsekatze und stattdessen wie der Hase aus Alice im Wunderland – gehetzt und immer zu spät.
Das Einzige worauf ich mich in dieser Zeit wirklich freute waren die Besuche bei meinen Eltern um mit Dad die ersten Runden des Grand Prix zu schauen und die Sonntagmorgen an denen ich El wiedersah. Sie hatte immer viel zu erzählen und ließ mich für ein paar Stunden in eine ganz andere Welt entschwinden.
Wie ich es befürchtet hatte fehlte sie mir ungeheuerlich. Aber ich gönnte ihr die Reise nach New York. Sie schien wirklich Spaß zu haben.

Tom hatte weiter noch keine Anstalten gemacht die Klage zurückzuziehen und ich fragte mich wie verbissen man eigentlich sein konnte. Meine Mutter hatte mir erzählt er sei sogar bei ihnen aufgetaucht und sie hätte ihn mit Schimpf und Schande davongejagt. Ich hatte keine Ahnung was er mit diesem Spiel erreichen wollte. Er hatte doch jemanden, was wollte er also noch von mir?
Wenn er damit aufhören würde könnte ich endlich aus dem kleinen Rampenlicht in dem ich dank Josh stand verschwinden.
Josh.
Mein fake-Freund.
Der sich in den ganzen vier Wochen nur zwei Mal gemeldet hatte. Darüber war ich so enttäuscht dass es mich wütend machte daran zu denken. Warum genau wusste ich nicht, wir waren schließlich nicht wirklich zusammen.

Bevor ich mich versah war es April und die Frage darüber, warum er mich geküsst hatte, wurde wieder omnipräsent. Es war Montag nach einem viel zu kurzen Wochenende. Ich hoffte sie wenigstens durch Arbeit ein wenig aus meinem Kopf verdrängen zu können, scheiterte jedoch kläglich.
Trey hatte einen schlechten Tag da er Streit mit seinem Lover hatte und heulte sich bei mir aus, kaum hatte ich mich an meinen Tisch gesetzt. Immerhin war der Chef mit Michele und Hannah unterwegs und wollte mal einfach nichts von mir.
Ich tröstete Trey so gut ich konnte und versuchte ihm dann die Arbeit im Keller schmackhaft zu machen um meine Ruhe zu haben. Auch wenn ich damit keine wirklich gute Freundin war. Aber ich war mit meinen Projekten noch nicht so weit dass ich mich entspannen konnte. Kaum war Trey gegangen tauchte Mr. Lee doch noch auf und brachte meine hart erkämpfte Ruhe durcheinander. Hannah verdrehte im Minutentakt die Augen und Michele sah bereits jetzt völlig fertig aus, dabei war es noch nicht mal Mittag.
Der Chef hingegen orderte an, ihm alle möglichen Kostümbände herzuholen, dass wir uns über das alte Rom schlau machen sollten und regte sich auf dass sein Kaffee noch nicht da war.
Immerhin hatte ich auf meinem Weg zum Café und zurück geschlagene zehn Minuten meine Ruhe auch wenn das bedeutete dass die Frage wieder durch meinen Kopf kreiste.

Die Laune von Mr. Im-Juni-habe-ich-Diabetes wurde nicht besser je länger der Tag ging. Er regte sich über jede Kleinigkeit auf und sprach mehr Französisch als etwas anderes. Als er uns endlich gehen ließ waren Michele, Hannah, Trey und ich vollkommen am Ende unserer nervlichen Strapazierfähigkeit.
„Ich glaube, ich brauche einen Drink", sagte Hannah als wir zu viert aus dem Gebäude traten. Trey seufzte. „Hört, hört die Frau hat gute Ideen", lobte er und legte Hannah einen Arm um die Schulter.
„Es ist Montag", warf ich halbherzig ein. Michele stieß mich an. „Sei nicht so eine Langweilerin Jane, den Drink haben wir uns jetzt verdient", sagte sie und öffnete die Glastür nach draußen. Erst da merkte sie dass wir sie alle mit offenem Mund anstarrten. „Was ist, kommt ihr?", fragte sie und sah uns abwartend an.
"Die Stimme der Vernunft ist durchgedreht", rutschte es mir raus. Michele grinste breit. „Mach den Mund zu Jane. Denkst du ich bin so jung Mutter geworden weil ich immer so verantwortungsvoll war?" Sie zwinkerte mir zu und ich konnte nicht anders als los zu prusten.
Das war eine ganz neue Seite an meiner Freundin. „Ich bin so stolz auf dich!", jauchzte Trey, stürmte vor und küsste Michele mit einem lauten Schmatzen auf die Wange. „Los gehen wir!", rief er und zog Michele an der Hand mit sich nach draußen.
„Nah dann wollen wir mal", sagte Hannah und hakte sich lachend bei mir ein bevor wir den anderen folgten.

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