34 - Einhornkackpink

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„Bist du dir auch ganz sicher?", fragte ich kritisch und fuhr mit den Händen durch Treys hellgraues Haar. Dieser saß in einem der Friseurstühle im Laden meiner Mutter und nickte aufgeregt.
Es war Mittwoch, drei Wochen nach Joshs öffentlicher Verlobung im Fernseher und es ging mir blendend. Zumindest sah es von außen so aus. Ich lachte mit meinen Mitarbeitern, erledigte meine Arbeit so gut wie noch nie zuvor und versuchte mir das klaffende Loch in meiner Brust nicht anmerken zu lassen. So richtig überzeugt waren meine Freunde zwar noch nicht, aber je länger ich die Fassade aufrechterhielt, desto mehr wurde es mir abgekauft.
Trey hatte aufgehört mich mit Schokolade vollzustopfen und auch meine Eltern behandelten mich nicht mehr wie ein rohes Ei. Ich hätte es beinahe selbst geglaubt, wenn ich nicht jede Nacht mit Tränen in den Augen aufwachen würde. 

Auf der Schwelle zwischen Traum und Wach. Nur da bekam ich den Schmerz wirklich zu spüren. Diese Millisekunden, zeigten mir klar was mich erwartete, sollte sich der Schleier um mich jemals lüften. Es war ein Schmerz, den ich niemals länger erleben wollte.
„Absolut, ich will dass es so richtig knallt!", bestätigte mir Trey. Ich zuckte die Schultern. „Na schön, dein Wort sei mir Befehl", witzelte ich und machte mich an die Arbeit um Trey Haare in ein knalliges pink zu verwandeln.

„Warum sehen ihre H'aare aus als hätte ihnen eine Einhorn auf die Kopf gemascht?", rief Mr. Lee bestürzt aus, als Trey am nächsten Morgen durch die Tür trat.
„Guten Morgen Mr. Lee", begrüßte dieser ihn gelassen. „Gefällt es ihnen nicht?" Die Frage war vollkommen unnötig, da Mr. Lees Blick Bände sprach. „Nischt wirklich", sagte er bloß, da sein Telefon klingelte. Während Mr. Lee den Anruf entgegennahm, drehte sich Trey zu mir um und hielt einen Daumen hoch. Sein Kopf war noch dran, davor hatten wir uns am meisten gefürchtet.
„Um Himmelswillen Trey, was ist das da auf deinem Kopf?", fragte in diesem Moment Michele, welche hinter uns durch die Tür trat. Trey schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Laut Mr. Lee Einhornkackpink", verkündete er stolz. Michele schüttelte den Kopf.
„Wir gehen damit am Samstag in den Club, kommst du mit?", fragte er Michele und sie schüttelte den Kopf noch heftiger. „Oh nein, mit dir gehe ich ganz bestimmt nicht mehr in einen Club", wehrte sie ab.

Vollkommen verständlich, wie ich fand, wenn man bedachte, wie unser Ausflug letzte Woche geendet hatte. Michele war mit uns aus gewesen und die beiden hatten nicht nur ein bisschen zu viel getrunken, sondern viel zu viel. Ich hatte mich etwas früher am Riemen gerissen und am nächsten Tag bereits gehörige Kopfschmerzen gehabt. Den Kater von Michele wollte ich mir da gar nicht vorstellen. „Na schön, dann geh ich eben alleine mit Janie", sagte Trey und legte mir einen Arm um die Schulter.

Da Trey keine andere Möglichkeit mehr sah, mich auf andere Gedanken zu bringen, schleppte er mich jedes Wochenende in einen Club. Die Luft im Club war unglaublich stickig und die Musik so laut, dass sie bis tief in meinen Knochen nachhallte. Der Alkohol, welcher durch meine Adern floss, wurde gut durchgerüttelt. 

Es war Samstag, ich stand inmitten verschwitzter Tanzender und versuchte mir ein Getränk zu bestellen. Der Barkeeper hatte noch keine Sekunde in meine Richtung geschaut und ich wurde langsam echt sauer. Gerade als ich mich nach vorne lehnte, um ihm zuzuwinken tauchte Trey neben mir auf.
„Willst du mich verdursten lassen?", fragte er über die Musik hinweg und legte einen Arm um meine Schulter. „Nicht ich, der Barkeeper", verteidigte ich mich. Trey verdrehte die Augen. "Ist ja auch kein Wunder bei deinem Aufzug." Damit spielte er auf mein Outfit, bestehend aus Glitzerrock und schwarzem Top an. Trey fand es schrecklich und überhaupt nicht zeitgemäß. Er ging sogar so weit zu behaupten, dass mich der Türsteher nie eingelassen hätte und ich nur dank seiner Extravaganz hier im Club stehen durfte. Vermutlich hatte er damit sogar ein bisschen recht. Trey stach einfach immer aus der Menge heraus.
So hob er auch jetzt die Hand und innert drei Sekunden stand der Barkeeper vor uns und lächelte Trey breit an. „Was kann ich dir bringen, Süßer?".

„Das ist einfach unfair!", beschwerte ich mich als wir uns mit den Plastikbechern ein wenig an den Rand stellten. Trey lachte. „Ich hab doch gesagt, es liegt an deinem Aufzug. Du kannst nicht in einen Club gehen und denken, dass du mit einem läppischen Top durchkommst." Er machte eine abwertende Bewegung. Ich wusste, dass er Recht hatte. „Jaja", machte ich darum nur und nippte an meinem Gin-Tonic. Er war nicht mal halb so gut wie bei Eddy, aber im Moment war das egal.

„Huch wer ist denn dieses Geschöpf?", fragte Trey, hörbar interessiert und deutete auf einen hochgewachsenen, blonden, jungen Mann an der Bar. Ich begann zu lachen als ich begriff, wen ich vor mir hatte. Mit der freien Hand griff ich nach Treys und genoss den verdutzten Ausdruck auf seinem Gesicht. „Komm, ich stelle ihn dir vor." Ich zog Trey hinter mir her und kämpfte mich zu dem Blonden vor.
„Hey Kleiner!", rief ich als ich hinter ihm ankam und ließ Trey Hand los um ihm auf die Schulter zu tippen. „Sag mal bist du überhaupt alt genug, um hier zu sein?" Der junge Mann vor uns drehte sich zu uns um. Die offensichtliche Verwirrung auf seinem Gesicht wechselte sofort als er mich erkannte.

„Janie!", freute sich mein Cousin Ben und schloss mich in die Arme. „Bist du kleiner geworden?", fragte Ben in die Umarmung hinein und ich wich zurück, um ihm einen Klapps auf den Oberarm zu verpassen. Ben lachte frech. „Was machst du hier?", fragten wir dann, beinahe gleichzeitig. Wir lachten. „Kyle hat entschieden herzukommen", antwortete mir Ben dann. „Bei mir war es Trey", sagte ich und zog meinen Freund nach vorne. „Trey das ist mein Cousin Ben." Trey und Ben reichten sich kurz die Hand.
„Ich bin ihr Seelenverwandter", korrigierte mich Trey und zwinkerte Ben zu. „Ich hab schon von dir gehört", lachte Ben. „Spezielle Haarfarbe. Ist das Janies Werk?" Er deutete auf Treys Schopf. „Einhornpink", antworteten Trey und ich unisono.
Überrascht sahen wir uns an und brachen in Gelächter aus. Durch den Alkohol in meinem Blutkreislauf fühlte es sich befreiend und leicht an und ich lachte etwas länger. 

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