Kapitel 6

8.5K 481 103
                                    


Weiter geht es!



...



Wir alle standen auf dem großen Platz vor dem Essenszelt und salutierten. Zwischen Luke und Ulf sah ich aus wie ein Kind. General Astor schritt an jedem von uns vorbei.

„Zuerst werde ich euch das Territorium zeigen", sagte er und seine tiefe Stimme beschwor eine Gänsehaut auf meinem Rücken. „Rührt euch!"

Sofort entspannten sich die Muskeln in meinem Körper und die Massen bewegten sich dem General hinterher. Wir ließen die Zelte hinter uns und schritten durch den Eingang. Aus Süden waren wir alle hergekommen. Die hügelige Landschaft lag mit dem saftigen Gras vor uns, doch das schien General Astor uns nicht zeigen zu wollen.

Wir bewegten uns nach Osten, wo der Boden karg und bröckelig war, obwohl der Frühling begonnen hatte. Wir entfernten uns weiter von der Zeltlandschaft und noch bevor wie die Grenze erreichten sah ich das Feld aus fliederfarbenen Blumen.

Eisenkraut.

Es wiegte sich unschuldig im Wind, als ahnte es nichts von der Unsicherheit, die sich über die ganze Truppe gelegt hatte. Dass meine Wölfin es nicht riechen konnte beunruhigte mich nur noch mehr. Hinter dem breiten Feld lag dichter Wald, doch ich konnte keine einzige Fährte aufnehmen.

„Kannst du etwas riechen?", fragte ich Ulf, der nur verwundert den Kopf schüttelte. Für einen Fährtenleser war es wohl ungewohnt, seiner Nase nicht trauen zu können.

„Ihr wisst alle, was das ist und was es für uns bedeutet. Hinter dem Eisenkrautfeld liegt das Eiskrallenrudel."

Stummes Gemurmel entfaltete sich über der Masse aus jungen Kriegern und Luke lehnte sich zu uns hinunter.

„Ich habe gehört die Wölfe in Alpha Eros' Rudel leben noch in Höhlen und weil sie so barbarisch sind hat Alpha Udyr keine Chance gegen sie", raunte er und warf einen verstohlenen Blick auf die andere Seite der Grenze.

„Sag das bloß nicht zu laut", erwiderte ich und stahl einen Blick auf General Astor, doch seine Aufmerksamkeit lag bereits woanders. Im Norden des Lagers stand ein dichter Wald aus Nadelbäumen. Auf diesen steuerte er mit uns im Schlepptau zu. Der Schnee des Winters musste erst vor wenigen Nächten geschmolzen sein, denn von den dunkelgrünen Tannen tropfte der Tau und versickerte in dem lehmigen Boden.

Dennoch war ich dankbar für den Geruch von Natur und Rehen, die sich vor uns versteckten, während die Vögel auf uns herabzwitscherten. Ich ignorierte die Fährten der Tiere, während wir den Wald durchquerten.

Es dauerte nicht lange, bis sich die Bäume lichteten und eine riesige Bergkette unseren Weg versperrte. Auf den Spitzen, die kilometerweit entfernt waren lag noch weißer Schnee auf grauen Felsen.

„Wir werden diese Bergketten nicht überwinden. Dahinter ist nichts als Frostland und die wenigen Wölfe, die dort leben sind mit Alpha Eros verbündet. Es gehört praktisch zum Eiskrallenrudel."

Ich lauschte den Worten, doch meine Ohren machten mich auf etwas in der Ferne aufmerksam: das Plätschern von Wasser. Wir setzten unseren Fußmarsch fort und schon bald erstreckte sich zwischen den Nadelbäumen ein riesiger See. Die ovale Form musste einen Durchmesser von einigen hundert Metern haben. Die dunkle Farbe des Wassers verbarg die Tiefe, während sich grünes Schilf am Ufer sammelte.

„In diesem See könnt ihr euch baden und eure Uniformen waschen. Gleichzeitig wird er nützlich für das Training sein."

Ich schluckte. Schwimmen hatte ich zwar gelernt, doch bis zur anderen Seite des Sees war es ein weiter Weg. Ich bevorzugte festen Boden unter meinen Füßen. Als ich einen Blick zu Luke warf, staunte ich. Anstelle seines immer präsenten Lächelns lag seine Stirn in Falten.

Die Auserwählte des KriegersWhere stories live. Discover now