Kapitel 30

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Meine Knie verwandelten sich in wabbeliges Gelee, als würden sie jeden Moment einfach einbrechen. Die unterliegende Drohung ihrer Worte hallte durch meinen ganzen Körper. Luna Laila konnte doch nicht wissen...

Beta Talon beäugte sie skeptisch.

„Raus damit."

„Oh nein", sagte sie und lachte zynisch, sodass die Ketten um ihre Handgelenke rasselten. „Schwört bei der Mondgöttin, dass mir nichts passieren wird."

„Wir könnten es aus dir herausquälen", knurrte Beta Talon und sein Tonfall jagte einen Schauer über meinen Rücken. Einen ähnlichen Effekt schien er auf Luna Laila zu haben.

„Wölfinnen schlägt man nicht", erwiderte sie, doch die Unsicherheit in ihrer Stimme war zu hören.

„Es gibt noch andere Methoden."

„Genug!", befahl Astor und unterbrach das Gespräch. Er schritt an mir vorbei, als wollte er mich decken. „Bringt sie ins Lager und sorgt dafür, dass sie nicht entkommt."

Das Klirren der Ketten folgte.

Meine Wangen begannen von den Tränen zu jucken und ein unheimlicher Schmerz pochte gegen meinen Hinterkopf. Wie ich mich nach diesem Tag noch auf den Beinen hielt, war mir ein Rätsel. Am Eingang des Rudelhauses stand ein bekanntes Gesicht.

Ulf.

Erleichterung zeichnete sich zusammen mit Trauer auf seiner Miene ab. Alice lag in seinen Armen und hatte ihre kleinen Hände fest um ihn geschlossen. Er küsste ihre Haare und drückte sie fest an sich. Sein Kinn strich über ihren Hals, ein Zeichen der Beruhigung.

Neue Tränen sammelten sich in meinen Augen. Alice hatte es geschafft, Luke nicht. Ich presste die Lippen aufeinander. Astor strich mich der Hand über meinen Nacken, wodurch Funken durch meinen Körper prasselten. Es war ein Zeichen, dass ich mich entspannen sollte. Meine Muskeln waren viel zu verkrampft. Gleichzeitig war es ein Versprechen dafür, dass er hier war, dass ich nicht allein war und dass er so viel Zuneigung zeigte, wie es unter den Augen der anderen Krieger möglich war.

„Es ist vollbracht!", rief Beta Talon und zerstörte die merkwürdige Ruhe. „Die Schreckensherrschaft von Alpha Lam und Luna Laila ist für immer vorbei. Wir heißen jeden aus dem Flussklauenrudel willkommen, der uns die Treue schwört!"

Astor strich weiter über meinen Nacken und half mir die Worte auszublenden, sodass sie nur noch ein verschwommenes Dröhnen waren.

Dann setzten wir uns in Bewegung. Wir verließen das Rudelhaus und traten in den prallen Sonnenschein. Überall standen Silberblutkrieger, die zu Beginn noch auf der anderen Seite des Flusses gestanden hatten. Das Wort über Alpha Lams Tod musste sich schnell verbreitet haben.

Das Elend in den Straßen schien sich in Sehnsucht verwandelt zu haben.

In Hoffnung.

Jeder Schritt fühlte sich in der Hitze schwerer an, als würde man sich durch Treibsand quälen. Ich behielt die stoische Fassade auf, bis wir durch den Wald den Fluss erreichten.

In unserer Abwesenheit hatten die Krieger einen großen Übergang aufgebaut, damit mehrere Wölfe auf einmal hinübergehen konnten und keine Angst haben mussten hineinzufallen.

Die kühlen Spritzer und das Rauschen waren eine willkommene Abwechslung. Astor war die ganze Zeit neben mir, als wir ins Lager zurückkamen. Hunderte Wölfe warteten dort auf uns und jubelten. Klatschen und Rufe drangen an mein Ohr, doch ich konnte nichts davon erwidern. War ich im Schock?

Die Auserwählte des KriegersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt