Kapitel 10

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„Ganz ruhig", versuchte Luke, doch der Rohling stieß ihn aus dem Weg und packte mich am Kragen. Er wuchtete mich in die Luft und presste mich gegen die Wand. Meine Beine waren weich wie Pudding.

„Wegen dir mussten wir heute den ganzen Tag schwimmen und wir haben kein Abendessen bekommen", stieß er zwischen seinen Zähnen hervor. Am liebsten hätte ich bei dem Mundgeruch den Kopf zur Seite gedreht, doch meine Angst verhinderte es.

Die Gedanken rasten auf der Suche nach einer Antwort, welche nicht dazu führte, dass sich seine Faust in meinem Gesicht landete. Als hätte er in meinen Kopf geguckt holte er aus.

„Stopp!", rief ich.

Der Rohling sah mich verwirrt an, doch seine geballten Finger waren in der Luft verharrt. Ich hatte nur eine Chance...

„Willst du Kekse?"


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Völlig entgeistert starrte mich der Rohling an. Seine Faust hing vergessen in der Luft, wie eine ausgekühlte Drohung. Er zog die Augenbrauen zusammen.

„Ja!", rief er und überraschte sich beinahe selbst. Er ließ mich zurück auf meine wackeligen Beine fallen. Sofort kramte ich in meiner Tasche unter dem bedrohlichen Blick des Rohlings.

Erleichterung beflügelte meinen Herzschlag, als ich das kühle Metall der Keksdose spürte. Ich hob sie heraus und öffnete den Deckel.

„Hier."

Als wäre es eine Schatztruhe starrte er mit fast kindlicher Erwartung hinein, während der süße Duft von Hafergebäck um uns herum schwebte. Mit seiner Pranke fuhr er in die Dose, die mir unter der Kraft beinahe aus den Händen rutschte.

Ich konnte nichts tun außer zusehen, wie er meinen einzigen Lichtschimmer in seinen Mund stopfte und genüsslich zerkaute. Er wischte sich die Krümel aus dem Bart und starrte mich an. Seine Augenbrauen zeigten immer noch nach unten.

„Danke", knurrte er und verzog sich in Richtung seiner Pritsche. Ich atmete auf. Alle um uns herum setzten sich auch wieder in Bewegung, als hätten sie nicht mit Spannung erwartet, wie mich der Rohling zu Brei schlug. Der Rothaarige schien die verflogene Wut in sich aufgenommen zu haben, so finster wie er mich anstarrte. Seine grünen Augen durchbohrten mich wie der Blick einer Schlange. Vielleicht hätte ich lieber ihm einen Keks anbieten sollen.

„Einfache Muskeln, einfacher Mann", raunte Ulf, der selbst noch geschockt dem Rohling hinterherblickte.

„Ist alles in Ordnung?", fragte Luke, der sich den Staub von der Uniform klopfte. Ich nickte nur und atmete tief durch. Ich war fertig mit diesem Tag. Vielleicht würde morgen besser werden...




„Nicht so langsam!", brüllte Ivan, während meine Lungenflügel brannten. Mein ganzer Körper war ein Schlachtfeld und meine Beinmuskeln zitterten und schrien nach einer Pause. Meine Arme hatten sich in Blei verwandelt und ich konnte sie kaum noch hochheben.

Trotzdem quälte ich mich weiter durch den Parkour aus Bäumen, Hürden und einer Schlammgrube. Der graue Regen, der auf uns herabprasselte, fügte noch das letzte Bisschen an Elend hinzu, das neue Tränen in meine Augen schießen ließ.

Nicht weinen...

Wieso musste ich immer weinen?

Einfach ein Schritt nach dem anderen. Ich hievte mich zurück auf die Beine, während der Schlamm meine ganze Vorderseite bedeckte. Ich blickte nach hinten und riss die Augen auf. Der Rothaarige war mir dicht auf den Fersen und hatte seine Augen auf mich geheftet.

Die Auserwählte des KriegersWhere stories live. Discover now