Kapitel 44

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„Du hast ihn umgebracht", sagte ich, doch das Zittern in meiner Stimme verriet meine Unsicherheit.

Beta Talon kam näher wie ein schleichendes Raubtier. Seine grünen Augen glänzten bei der Angst, die ich ausstrahlte.

„Aber wo denkst du hin? Er hat sich selbst das Leben genommen."

„Das wird dir niemand abkaufen", zischte ich und blickte auf Alpha Udyrs Körper. Reglos lag er da. Es musste Eisenkraut gewesen sein. Seine braunen Augen waren weit aufgerissen, als hätte er Schmerzen gehabt. Mein Herz verkrampfte sich. Ich wich weiter zurück.

Ein Lachen hallte durch den Raum.

„Aber niemand wird wissen, dass er tot ist", sagte Beta Talon. „Wenn ich die Leiche entsorgt habe, ist es, als wäre nie etwas geschehen. Er hat sich monatelang nicht gezeigt bis zu den Anhörungen."

Das Herz in meiner Brust jagte auf und ab und suchte nach einer Lösung. Plötzlich stieß ich gegen den eiskalten, rauen Stein. Beta Talons Grinsen verstärkte sich. Ich brauchte Zeit.

„Wie konntest du ihn töten? Wieso?"

„Er hätte Silberblut nur an dem Ruhm gehindert, der uns allen zusteht."

Ich folgte seinem Blick zu einer der Wände und entdeckte das Bild von Astors Mutter.

„Seine Gefährtin war deine Schwester! Das ist Hochverrat!", rief ich, auch in der Hoffnung, dass mich jemand hörte.

Zornig schoss Talons Blick zurück zu mir.

„Ganz genau, ich erfülle nur ihren Traum! Sie wollte in einer Welt ohne Krieg leben und ich werde alles tun, damit ihre Hoffnung endlich Wirklichkeit wird!"

Mit weiten Augen starrte ich ihn an.

„Du bist verrückt", flüsterte ich und tastete mich am Felsen entlang. Wenn ich zum Fenster kam...

„Verrückt? Ich habe den besten Weg gewählt", sagte er. „Wenn es nur noch ein Rudel gibt, können dazwischen auch keine Kriege mehr stattfinden. Ich wähle eben die effektivste Methode. Seit fast zehn Jahren stehen wir nun über den Menschen. Bald wird das Jubiläum gefeiert. Bis dahin wird die ganze Welt nur noch den Namen Silberblut tragen und an dem Tag werde ich auch verkünden, dass Udyr von uns gegangen ist, dass er seinen Auftrag erfüllt hat und die Mondgöttin ihn zu sich geholt hat. Er wird als Held sterben und ich werde Alpha der Welt."

Ich tastete hinter meinem Rücken nach dem Fenster.

„Das wird niemals geschehen. Das werden die Rudel niemals zulassen und Astor erst recht nicht. Du hast seinen Vater umgebracht!"

Beta Talons Miene verfinsterte sich.

„Es tut mir sehr leid um meinen Neffen, dass er so eine neugierige Gefährtin erwischt hat. Ich hatte so viel Hoffnung in ihn."

„Wie gut, dass du diese Hoffnung verloren hast."

Mein Blick zuckte zur Tür und dort zwischen den Splittern stand er.

Astor.

Mein Herz flatterte erleichtert auf. Seine tödliche Miene richtete sich gegen seinen Onkel, während sein Herz wütend pochte. Seine Brust hob und senkte sich, als er in den Raum trat. Selbst Beta Talon wich einen Schritt zurück, bevor er seinen Stand festigte.

„Was willst du tun, mich umbringen? Dann bist du für das Rudel der Mörder."

Seine Worte prallten an Astor ab, ohne eine Wirkung zu hinterlassen. Es war ihm egal, was andere denken würden. Er wollte Rache und es stand niemand zwischen ihm und dem Mörder seines Vaters.

Die Auserwählte des KriegersWhere stories live. Discover now