Kapitel 28

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Es dauerte nicht lange, bis improvisierte Brücken über den reißenden Fluss gingen. Die Krieger auf der anderen Seite hatten sich in die Wälder zurückgezogen als Zeichen von Frieden.

Was wollten Alpha Lam und Luna Laila? Wieso luden sie uns ein, wenn sie doch zuvor selbst angegriffen hatten?

„Seid ihr bereit?", fragte Astor unsere kleine Truppe.

„Ja General Astor!", bellten die tiefen Stimmen der Elitekrieger. Ulf und Luke standen neben mir, während Beta Talon bereits die Brücke musterte.

Astor stieg als erstes auf das Holz, unter dem die sprudelnden Massen hinwegzogen. Als ich an der Reihe war, setzte ich einen zittrigen Fuß auf die durchnässte Planke. Worein war ich nur hier geraten? Das Rauschen erstickte alle Geräusche um mich herum und feiner Wassernebel kühlte meine Haut. Ich spürte Astors brennenden Blick auf mir, doch konzentrierte mich völlig auf meine Schritte.

Mein Herz dankte mir für den festen Boden, den ich auf der anderen Seite wieder unter meinen Füßen spüren konnte.

„Kann ich wieder zurückgehen? Irgendwie ist das hier doch zu real", raunte Luke, während er sich umblickte. Ich wusste genau, was er meinte.

Wir waren in feindlichem Territorium.

Die Gerüche waren meiner Nase fremd und meine Wölfin spannte ihre Muskeln an. Wer wusste schon, was alles hier lauerte...

Astor ließ sich davon nichts anmerken. Er ging auf einen der Flussklauenkrieger zu, der uns den Weg wies. Wir tauchten in den Wald ein, der staubtrocken vor uns lag. Äste zerknackten unter unseren Schritten, während alle in stiller Anspannung dem Weg folgten.

Wir durchbrachen die Baumkronen und in Sicht kam ein kleines Dorf. Der Gestank von vergammeltem Fisch und Exkrementen verpestete die Luft, die vor wenigen Momenten noch frisch gewesen war. Die Menschen, die uns sahen, neigten ihren Kopf vor uns oder versteckten sich in ihren Hütten.

Arme Kreaturen.

Ihre abgemagerten Knochen ragten hervor, als hätten sie von den Wölfen nichts zu Essen bekommen. Als die Krieger ihres Rudels hindurchkamen, verstummten jegliche Klagen. Der staubige Boden wirbelte unter unseren Schritten auf und die Mittagshitze erzeugte einen beißenden Geruch von Schweiß.

Wann hatten sie sich das letzte Mal gewaschen?

Mein Entsetzten wurde durchbrochen, als ein riesiges Haus vor uns auftauchte. Unzählige Krieger standen davor, als müssten sie es vor Eindringlingen schützen, vor uns. Ich rückte näher an Astors Rücken, der wie ein Schild war.

Bei unserem Anblick öffneten die Wächter wortlos die Pforten des Rudelhauses, dessen Dunkelheit uns erwartete.

„Alice", flüsterte Ulf. Er musste die Fährte seiner Tochter unter den Schichten aus Elend und Dreck gewittert haben. Ganz leicht, wie ein Hauch, erahnte ich den Geruch der Schleife. Er war jedoch älter, als sei sie nur einmal hier vorbeigekommen und er führte direkt ins Rudelhaus.

Astor drehte sich zu uns um.

„Ihr wisst, was zu tun ist", sagte er zu den Kriegern, die einmal nickten. Beta Talon flankierte ihn, als er sich umdrehte und in die Dunkelheit eintrat. Mein Herz begann schwerer zu schlagen, als wir ihm folgten.

Kälte umschlang uns, als wären wir in einer Höhle und nur dank meiner Wölfin konnte ich die Gestalten im Inneren erkennen.

„Alice!"

Dort saß sie, das kleine Mädchen an einem Kindertisch. Bei Ulfs Ruf zuckte ihr Kopf hoch. Ihre Augen waren knallrot, genauso wie ihre Wangen, als hätte sie die ganze Zeit über geweint.

Die Auserwählte des KriegersOnde histórias criam vida. Descubra agora