Kapitel 22

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„Gute Arbeit, Eschwald. Ich bin wirklich beeindruckt von deinen Überlebensfähigkeiten", sagte Delta Ivan und legte mir eine schwere Hand auf die Schulter.

„Danke", erwiderte ich. Normalerweise vergingen die schönsten Tage immer am schnellsten, doch langsam begann Astors Abwesenheit an mir zu nagen. Ich konnte letzte Nacht kaum schlafen und nun senkte sich die Sonne wieder dem Horizont entgegen.

Delta Ivan verzog sich in seine kleine Hütte. Meine Wölfin knurrte ihm hinterher, als wollte sie ihn nochmal nach Astors Aufenthalt fragen. Was ist, wenn er nicht wiederkam? Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. War ihm etwas passiert? Der Himmel färbte sich dunkel und graue Wolken zogen über den Horizont.

Ich schlenderte zu meinem Schlafplatz, der hauptsächlich aus Ästen bestand und von Lukes und Ulfs abgetrennt war. Ich kletterte hinein und legte mich auf den Boden.

Das Lagerfeuer war nur noch ein Haufen Asche und warf goldene Schatten an die Baumstämme. Ich drehte mich hin und her, doch fand keine gute Position zum Schlafen. Meine Wölfin tat mir mit ihrer unruhigen Art auch keinen Gefallen. Ich schloss die Augen.

Das Zirpen von Grillen und anderen Insekten vibrierte über den Waldboden. Ein Chor aus schnarchenden Kriegern legte sich über die Nacht. Die Gerüche schienen so intensiv wie nie zuvor. Ich nahm meine Uniform und roch daran. Mal abgesehen von dem Schweiß des heutigen Tages hing eine schwache Note meiner Fährte an dem Stoff.

Ich setzte mich auf.

Der Trank.

Ich brauchte den Trank.

Sonst würde sich morgen jeder fragen, wo der Geruch einer Wölfin herkam und es würde nicht lange brauchen, bis ich als Ursache erkannt worden wäre.

So leise ich konnte schlüpfte ich aus meinem Schlafplatz. Einige Soldaten waren noch wach und warfen mir einen kurzen Blick zu, bevor sie ihre Augen wieder dem Himmel zurichteten. Ich schlich aus dem Lager.

Die Fährte von Astor war seit gestern kaum noch zu riechen. Wäre nicht meine Wölfin, die bei dem kleinsten Anzeichen durchdrehte, wüsste ich nicht, wo lang ich gehen müsste. Ab und zu trat ich auf trockene Äste, die ein lautes Knacken von sich gaben. Anstatt zu den Beerensträuchern, bog ich in Richtung des Zeltplatzes ab.

Eine angenehme Brise wehte von hinten gegen meinen Nacken, als wollte sie mich schneller in Astors Richtung treiben. Ob ihm etwas zugestoßen war? Bei dem Gedanken ging ich einen Schritt schneller durch den Wald.

Plötzlich erklang ein Rauschen und mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich erstarrte zu Eis und blickte mich um. Die dunklen Schemen der Baumstämme mit den Büschen verwehrten mir eine weite Sicht. Doch das Rauschen blieb. Mit jeder Sekunde wurde es lauter, wie eine Welle, die auf mich zukam.

Ein Angriff?

Ich konnte nichts riechen, da der Wind von Norden wehte. Meine Augen weiteten sich, als ich durch die Nacht Pfoten erkannte. Viele Pfoten.

Ohne zu Zögern fuhr ich herum und sprintete mit voller Geschwindigkeit Richtung Waldlager. Meine Beine donnerten gegen die Erde und das Rauschen von unzähligen Angreifern folgte mir.

„Angriff!", rief ich, als die ersten Schlafplätze in Sicht kamen. Bei einigen Kriegern erzeugte mein Rufen die gewünschte Reaktion. Sie sprangen auf ihre Füße, rüttelten sich gegenseitig wach, während ich vor dem toten Feuer zum Stehen kam.

„Da, hört!", keuchte ich und alle verstummten. Das Rauschen kam näher. Als hätte das Geräusch von näherkommenden Truppen einen Instinkt in ihnen geweckt, stellten sich die Krieger Schulter an Schulter vor das Lager. Ich konnte kaum an ihnen vorbeigucken. Es war ein heilloses Durcheinander.

Die Auserwählte des KriegersWhere stories live. Discover now