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❄︎𝗛𝗼𝗹𝗹𝘆❄︎

Es ist wie als wäre ich nicht ich selbst. Wie als wäre eine andere in mir, die kurz den Part der Holly übernehmen würde. So kalt höre ich mich an. Kalt hat meine Stimme ihm gegenüber noch nie geklungen.

《Geh weg.》
Doch er bleibt.
《Ich möchte, dass du gehst.》
Er bleibt stehen.
《Bitte gehe jetzt Noah. Muss ich vor dir auf die Knie gehen, damit du es tust?》flehe ich schon fast.
Er geht nicht weg. Verdammt er geht nicht weg. Wieso bleibt er stehen? Was braucht er von mir denn so dringend?

《Holly, ich》setzt er an. Doch ich blicke ihm nur in seine unglaublich grünen Augen. 《Nein, du versuchst dich erst gar nicht zu erklären. Du gehst jetzt.》Ich schaue ihm tief in die Augen, zwinge Hass in sie. Ich versuche das Santa zu vergessen. Ich versuche all das Gute an ihm zu vergessen, doch es geht nicht. Ich kann ihn nicht hassen. Ich kann keinen unbändigen Hass in meine Augen zwingen und in dem Moment wird mir klar, dass Noah mir vielleicht wirklich nur helfen wollte.

《Noah!》rufe ich. Doch er hat sich schon von mir abgewendet. Er scheint noch in Hörweite zu sein, doch er möchte anscheinend nicht mit mir reden. Nicht mehr und das Seltsame ist, dass ich es verstehen kann. Ich würde auch nicht mit jemandem wie mir sprechen wollen. Er ignoriert mich.

Ein letztes Mal dreht er sich um. Sein Blick streift meinen. Eiskalt ist er nun. Keine Wärme ist dort mehr enthalten. Das hoffnungsvolle Grün enthält kein Leben mehr. Es sieht aus, wie ein Loch. Ein Fall. Ein Fall in eine bodenlose Tiefe. Er hätte mich genauso gut mit seinem Blick erdolchen können.

Dann ist er nur noch ein Punkt in der Ferne.

Ich muss etwas darüber schreiben, bevor es mich verschlingt und auffrisst wie ein Löwe eine Antilope, denn Worte helfen mir die Dinge zu verarbeiten. Und immer, wenn ich etwas schreibe, werde ich mir über die Dinge klarer.

Dear Diary,
Ich werde dich nur noch Diary nennen, weil er, Noah nichts mehr mit mir zu tun haben will.

Manchmal sagen Blicke mehr als Worte, hat meine Oma mir früher immer gesagt. Damals konnte ich ihr nicht glauben. Ich habe die Wörter schon immer geliebt und habe nichts mächtiger, als Wörter gefunden, bis ich seine Blicke einfing. Sie haben mir mehr zugesetzt als jedes Wort es konnte und auch, wenn ich ihn erst wenige Zeit kenne, so sind seine Blicke wirklicher als jedes Wort. Wahrhafter und mächtiger irgendwie. Einzigartig. Und kein Wort reicht aus um seine Blicke zu beschreiben. Kein einziges Wort, auch wenn ich Tausende schreiben würde, es wäre nie genug. Er ist zu gut für mich. Er hat mir nur helfen wollen und ich Dussel habe es nicht erkannt. Habe ihn stattdessen angeschriehen, mehrmals. Ich kann verstehen, wieso er gegangen ist. Ich kann es verstehen.

Yours Holly.

Ich schließe das Tagebuch, öffne es wieder um es erneut zu schließen.

Ich ziehe den Vorhang auf, noch etwas wackelig bin ich auf den Beinen und doch schaffe ich es irgendwie zur nächsten Krankenschwester. 《Wann darf ich gehen?》frage ich ausdruckslos. Überrascht blinzelt sie mich an. 《Und dein Name war wie?》 《Holly》erwidere ich.《Holly Evans?》hakt sie nach. Ich nicke.《Ja, Holly Evans.》《Wie geht es dir denn Holly?》Ich seufze. 《Wie soll es mir schon gehen. Wie es Menschen mit Depressionen eben geht. Leer. 》Mitleidig verzieht sie das Gesicht.《Aber wenn sie physisch meinen, dann ja ich bin noch etwas wackelig auf den Beinen und überall an meinen Gliedmaßen befinden sich Schrammen, aber sonst ist alles okay.》Sie blinzelt mich an, überlegt kurz um dann zu sagen《Ich glaube, wir behalten dich noch eine Nacht hier. Zur Beobachtung selbstverständlich und dann darfst du wieder zurück in deinen Raum gehen.》Ich nicke verständlich. 《Ok, danke.》Danach wende ich mich ab und ziehe die Vorhänge wieder zu.

Ich liege im Bett und starre an die Decke. Manchmal vernehme ich Geraschel und hoffe, es ist Noah. Doch er ist es nicht. Nur ein anderer Besuch für einen anderen Menschen. Einmal öffnet sich der Vorhang und ich schrecke hoch, in der Hoffnung grüne Augen zu sehen, doch dort ist kein Grün. Nur braun.

Die Krankenschwester bringt mir mein Essen. Ich rühre es nicht an. Ich habe keinen Hunger heute. Sie verlässt den Raum wieder. Mein Magen knurrt nicht. Mein Finger knackt nicht. Meine Augen quietschen nicht, wenn ich sie reibe. Nur mein Herz klopft. Nur meine Brust und mein Bauch heben und senken sich noch. Nur das Blut strömt noch durch meinen Körper. Wie können wir eine Handbewegung steuern, aber nicht unser Herz? Wie atmen wir jede Sekunde von selbst, wenn wir unsere Beine still halten können? Wie können wir Gliedmaßen kontrollieren, aber nicht doch Herzen, Lungen oder Blut? Manchmal wünschte ich wir könnten es. Dann wäre ich jetzt schon nicht mehr. Ein Geist oder ein Nichts. Wer auch immer ich danach wäre, ich hätte meine Schuld bezahlt. 'Auge um Auge, Zahn um Zahn' hieß es doch in der Bibel, die wir in der Schule immer lasen. Gilt dies auch für unser Leben? 

Ich bin zwar nicht religiös, aber interessieren tut es mich doch. Was macht ein gläubiger Mensch, wenn er jemanden umgebracht hat? Handelt er nach der Bibel oder nicht?

Lange liege ich noch da und starre an die Decke. Wenn ich sie lange genug anstarre, sieht sie aus wie ein Sternenhimmel. Ich frage sie Fragen, die sie mir nie beantworten wird. Die Antworten stehen in den Sternen. Unerreichbar und doch so nah. Nur einen Handgriff von mir entfernt und ich weiß egal wie groß ich wäre, ich könnte nie einen Stern berühren. Ich könnte nie eine Antwort auf irgendeine meiner Fragen finden. Doch will ich überhaupt eine Antwort auf meine Fragen? Will ich wissen, was nach dem Tod passiert, ehe ich unter der Erde bin? Ich weiß es nicht mehr und in meiner Verwirrtheit schlafe ich ein.

Böse Träume verfolgen mich. Denn meine Fassade hat Risse bekommen und diese hat sie schon seit längerer Zeit. Werden die Risse jemals heilen?

A/N
Holly und Noah erleben ein Drama hoch zehn, sodass beide in einem Gefühlschaos aus richtig und falsch versinken. Doch vielleicht brauchen wir manchmal diese Phasen, in denen wir nicht mehr wissen wo oben und unten ist, um am Ende förmlich wie der Phönix aus der Asche zu steigen, wenn ihr wisst was ich meine. *versucht poetisch zu klingen*

Man, ich schreib die A/N im Moment lieber als das Buch, auch wenn ich das natürlich auch mag.

Hat eigentlich noch irgendwer die meisten Ideen in der Nacht, wenn man eigentlich zu Bett gehen sollte? Ich werde irgendwie immer erst abends von dem sogenannten Tatendrang ergriffen, während es mir tagsüber teilweise daran fehlt. Aber solange ich für die Schule noch genug Tatendrang besitze, ist ja noch alles gut. Anyways ich schreib die meisten Kapitel irgendwann um 22h oder 23h, weil ich da meine Ideenphase habe haha. Ich bin richtig zur Nachteule mutiert.

How to liveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt