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Holly

<<Was habt ihr denn jetzt schon wieder angestellt?》seufzt Noahs Therapeut John. Noah und ich grinsen uns an. Die Finger ineinander verschränkt sitzen wir auf den Stühlen, wie als wären wir Zuhause.《Ach John, das ist doch offensichtlich.》Marylin stupst ihn an.《Guck doch mal hin, die Blicke, die Hände.》John blickt hoch. Das erste Mal scheint er uns richtig zu sehen.《Oh》Er schlägt sich die Hand vor den Mund.《Oh, ihr seid-Seid ihr-Also habt ihr euch geküsst?》stottert er rum. Wir nicken im Einklang miteinander.

《Es ist im Garten passiert. Wir sollten ein Beet einpflanzen und dann haben wir ein Wettrennen zu den Tulpenzwiebeln gemacht》Nervös trippele ich von einem Fuß auf den Anderen.《Guck mich nicht so an.》fahre ich Noah im Spaß an.《Was, ich darf dich angucken, du bist jetzt meine Freundin.》Freundin, bei dem Wort könnte ich schon dahinschmelzen.

《Jedenfalls》fahre ich fort, verdammt dazu, die Geschichte zu Ende zu erzählen《ging es nicht mit ganz so fairen Dingen zu.》Ich ignoriere Noahs Auflachen gekonnt.《Ich habe ihn zu Fall gebracht und dann lagen wir irgendwie wild miteinander diskutierend aufeinander und dann》《haben wir uns geküsst.》schließt Noah, nun ganz ernst.

《Und wie war der Kuss?》fragt Marilyn interessiert.《Privat》kommt es aus meinem Mund schon hinausgeschossen, als Noah schwärmt, wie wunderschön unser Kuss doch war. Ich funkele ihn an. Das ist unser Privatleben, was er da gerade vor unseren Therapeuten ausplaudert, die ihn mit großen faszinierten Blicken verfolgen. Ich stoße ihn mit meinem Stiefel unter dem Tisch an und er hört überraschend schnell auf.

《Wir brauchen auch nicht mehr zu wissen》meint John nun.《Das einzige, was ich mich frage, was macht ihr hier mit uns in einem Raum, wenn ihr gerade so glücklich wirkt? Ihr solltet jetzt in der Garten-AG sein.》Ich kann ein Lachen kaum noch unterdrücken.《Johnny, Fynn hat sie doch zu uns geschickt. Sie wissen es glaube ich auch nicht besser als wir.》

《Aber, wenn wir schon hier sind, könnten wir besprechen, das Holly und ich Paartherapie auf Dauer bekommen.》Ich gucke nur noch auf Noahs Lippen, höre gar nicht mehr richtig zu. Wie weich seine Lippen doch im Garten waren. So weich wie Watte und doch anders. So unglaublich unbeschreiblich, dass keines der 600.000 Wörter im englischen Vokabular seine Lippen beschreiben könnte.

Unsere Therapeuten gucken sich an.《Darüber haben wir so oder so schon geredet, also ja, wieso nicht.》antwortet Marylin schließlich. Ich mache innerlich Luftsprünge und mein Herz schlägt Salti.

《Danke, Tausend Dankeschön!》fällt Noah halb auf die Knie. Ich lächle bei seinem Anblick. Noah ist eine Person, die ihren Gefühlen Ausdruck verleiht, Dramatik beimisst und ich liebe ihn dafür und noch für vieles Anderes. Ich liebe ihn und er liebt mich. Verdammt, das will nicht in meinen Kopf hinein.

Er lächelt mich zärtlich an und ich erwidere seinen Ausdruck.《Dann werden der werte Herr und ich uns wohl gemeinsam mit langweiligen Therapiestunden rumschlagen müssen.》《Aber Hallo!》John guckt mich gespielt wütend an.《Du kannst doch nicht einfach unsere Therapie als langweilig abstempeln.》Empörte Blicke werden gewechselt. Ich grinse.《Doch, genauso wie Noah vor euch dankend auf die Knie fallen kann.》《Ich bin nicht auf die Knie gegangen!》《Doch Noah wir haben es alle gesehen!》mischt sich Marilyn ein.《Ok nagut dann bin ich es halt.》erwidert er gespielt betroffen.《Dann gibst du dich also geschlagen?》Schweigen.《Nein, immerhin verleihe ich meinen Emotionen Ausdruck und bin kein emotionaler Eisklotz.》《Ich bin kein emotionaler Eisklotz!》Ich stemme die Hände in die Hüften, ein Lachen unterdrückend.《Man sagt ja, Gegensätze ziehen sich an.》stichelt John, offenbar immer noch damit beschäftigt, dass ich seine Therapie als langweilig empfunden habe.

Ich gucke auf die Uhr.《Ups schon so spät? Wir müssen zum Abendessen Noah.》《Jaja, euch fällt nur kein Konter mehr ein, was?》stiftet Marilyn das Ganze erneut an. Ich begebe mich zur Tür, Noah an der Hand.《Niemals!》erwidern wir gleichzeitig und gucken uns dann belustigt an.

《Kannst du Gedankenlesen oder wieso haben wir gerade beide dasselbe gesagt?》fragt er mich, als wir die Tür schon geschlossen haben.《Nein, ich glaube nur, wir sind uns zu ähnlich, als das wir Gegensätze sein können.》antworte ich darauf mit einem Schmunzeln und dann küsst er mich und ich frage mich nichtmal mehr womit ich das alles eigentlich verdient hatte.

《Denn weißt du was Holly Evans, man muss nicht Südpol und Nordpol sein um sich zu lieben, man kann auch Schweden und Norwegen sein.》Ich bewege meinen Kopf verträumt auf und ab.《Ich wollte schon immer mal nach Europa. Ich wollte schon immer mal nach Schweden.》Er nickt zustimmend.《Ich auch. Ich liebe den Norden, die Kälte, die Menschen dort.》《Meine Oma lebt dort.》füge ich an.《Wirklich?》Er reißt die Augen auf. Ich nicke.《Ja》《Das ist so cool.》Er scheint sich wirklich dafür zu interessieren.《Ich hab sie aber noch nie dort besuchen können.》Ich seufze.《Wieso nicht?》seine Stimme klingt etwas mitleidig, fast schon traurig.《Es kam immer etwas dazwischen, mal war es die Schule, mal die Arbeit meiner Mum, dann die meines Dads, mal hatten wir Geldprobleme.》《Oh Holly das tut mir so leid.》Er schließt mich in seine Arme, eine warme Hand an meiner Wange und dann treffen unsere Lippen erneut aufeinander und plötzlich ist die Welt wieder wärmer, farbvoller. Vielleicht ist es doch schön zu leben.

How to liveOù les histoires vivent. Découvrez maintenant