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HOLLY

Es hat geschneit, als ich dich das erste Mal sah in diesem eiskalten See. Es hat geschneit, als meine Lippen das erste Mal deine berührten und es schneite, als du vom Winde verweht wurdest.

Ich starre auf die bleiche Leiche dreißig Meter unter mir. So hoch ist die Psychiatrie. So hoch ist das Dach, auf dem Marilyn, Johnny und Dutzende von Polizisten, Sicherheitskräften und Ich umherschwirren. Beziehungsweise stehe nur ich dort. Alles um mich herum bewegt sich und die Bewegungen verschwimmen, als die Rettungskräfte den Daumen senken und so seinen Tod wahr machen.

Nun endlich bewegen sich meine Füße und ich stürme Hunderte von Treppenstufen hinab. Was haben Aufzüge schon für einen Zweck, wenn man mit ihnen doch nur langsamer ist? Und dann stehe ich dort und der Schnee ist blutrot.

Seine Glieder sind verrenkt und sein Kopf hat eine unnatürliche Rundung. Jeglicher Knochen in seinem Körper ist gebrochen, doch sein Gesicht, irgendwie ist sein Gesicht ganz geblieben. Die Wangen werden aschfahl. Ich sehe, wie sie mit jeder Sekunde bleicher werden und er riecht nach Blut. Unglaublich viel verlorenem Blut. Doch darunter, darunter rieche ich ihn noch. Ich kralle mir die im Fall davongeflogene Jacke. Kein Blutspritzer und doch sein wunderbarer Geruch. Seine grünen Augen stehen weit offen. Sie sind immer noch so grün wie vor ein paar Stunden, nur sind sie jetzt trostlos leer wie ich.

Ich knie mich neben ihn und niemand hält mich zurück, als ich schreie. Ich schreie so laut, dass man es bis nach oben hört. Ich schreie so laut, dass es mir egal ist, wer es hört. Alle sollen wissen welch tapfere Seele von uns gegangen ist. Alle sollen wissen, wie toll er wahr, wie verliebt wir waren, wie sehr es mich schmerzt.

Ich schreie seinen Namen. Noah, ich schreie deinen Namen. Noah, wieso antwortest du nicht?

„Noah"

Doch niemand erwidert Santa oder Holly.

Irgendwann umfassen mich Arme oder sind es Beine und eine Decke umhüllt mich. Fast schon denke ich, es wäre Noah. Fast schon denke ich, das alles war nur ein schlechter Scherz. Fast schon denke ich, es wäre der erste April, doch es ist nur Marilyn mit einer warmen Tasse Tee.

Ich ergreife ihre Arme und lasse den bitteren Tränen ihren Lauf. Die salzige Flüssigkeit brennt in meinen Augen und meine Nase läuft bis ins Unendliche. Doch das ist mir egal. Mir ist alles egal. Außer Noah. Noah ist mir nicht egal. Doch ich bin Noah egal, denn Noah ist tot und es zu denken macht es wahr. Also schlafe ich ein in ihren Armen und wünschte, sie wären Noahs.

How to liveOù les histoires vivent. Découvrez maintenant