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❄︎𝗛𝗼𝗹𝗹𝘆❄︎

《Anna, Ruby, Eleyna, Anne, Mary, Liz》Ich schüttele grinsend den Kopf. 《Nei-hein.》《Komm schon, irgendwie musst du doch heißen. Ich habe jetzt bestimmt schon 1000 Namen aufgezählt. 》Ich lächele.《Ehrlich gesagt waren es glaube ich nur 30 und der Richtige war eben noch nicht dabei.》Bittend sieht er mich an. 《Bekomme ich wenigstens einen Tipp?》Ich überlege. 《Na gut. Mein Name passt in diese Zeit.》Verzweifelt guckt er mich an.《Santa?》Ich pruste los. Gut, dass ich gerade kein Wasser im Mund hatte, sonst hätte ich ihn jetzt angespuckt. Dieser Typ ist einfach zum Schreien.《Wie kommst du denn auf die Idee?》frage ich immer noch unter einem zweiten Lachanfall. 《Hätte ja sein können. Es gibt solche Eltern. Die sind dann meistens betrunken, wenn sie den Namen auswählen.》Er bleibt dabei ganz sachlich. Ich lache noch lauter. Ein paar Leute schauen schon zu uns herrüber, doch das stört mich gerade nicht im Geringsten.

Wir befinden uns in der Mittagspause und warum auch immer hat Noah sich direkt mir gegenüber hingesetzt. Zuerst habe ich abweisend reagiert, doch dann hat er mit meinen möglichen Namen begonnen, sodass ich langsam aufgetaut bin.

Ein Gong ertönt. Wir bringen unsere Tablets weg.《Was hast du jetzt?》frage ich ihn gut gelaunt.《Gruppentherapie bei Mr Harson.》antwortet er. 《Du auch?》Überrascht gucke ich ihn an. 《Ja.》erwidert er freudig. Er kennt Mr Harson nur noch nicht. 《Ich freue mich wirklich meinen ersten Tag unter Leuten nicht alleine durchstehen zu müssen.》sagt er nun etwas ernster.《Ach das ist doch selbstverständlich. Ich habe hier selber noch nicht so viele Freunde.》flüstere ich ihm verschwörerisch zu.《Und Unterricht mit Mr Harson ohne einen Freund ist immer schlimm.》füge ich nachträglich bei. 《Ist er so schlimm?》fragt Noah mich überrascht.《Ja, das kannst du mir glauben.》erwidere ich nur tonlos. Er guckt mich an. Fragt aber Gott sei Dank nicht weiter nach.

Wir betreten den Raum. Ich seufze auf. Zum Glück sind wir diesmal pünktlich. Mr Harson guckt mich unter seinen Schlitzaugen streng an, lässt mich jedoch an meinen Platz gehen. Vermutlich hat er Angst, dass ich noch einmal ohnmächtig werde. Ich setze mich hin und packe mein Buch aus. Noah sitzt direkt hinter mir. Ich kann seinen Blick in meinem Rücken förmlich spüren.
《Das Buch braucht ihr heute nicht.》leitet der Lehrer die Stunde ein. Bis Mitte Januar werdet ihr einen Aufsatz zur Frage, warum ihr an besagtem Tag nicht von dieser Welt gehen solltet, einreichen.》

Er wartet. Er wartet auf das einsetzende Gerede, doch nichts passiert. Niemand sagt irgendetwas. Kein Mensch steht auf und sagt, was für einen Vortrag er halten will. Es ist seltsam ruhig in diesem Raum. Angespannt, leer. Keiner kann das Wort Suizid hören, ohne an die Zeit vor Jahr und Tag zurückzudenken. Jeder hat Rückblicke in seine Vergangenheit. Irgendjemand weint leise vor sich hin. Ein Mädchen hat Zuckungen. Ein Junge vergräbt die Hände in seinem Gesicht. Und ich? Ich sitze da. Erinnerungen durchfluten mich. Wie Ströme. Kalte und warme Ströme, doch meistens kalt. Eiskalt.

Das Eiswasser. So kalt war es als ich hineinsprang und gleichzeitig so warm. Das Gefühl nicht mehr atmen zu können und warme Farben. 18 Jahre lang warme Farben, mal kältere, doch nie werden sie schwarz. Dann ein Unfall. Schuld. Kalte dunkle Farben. Grau und schwarz. Mein Leben zieht an mir vorbei und stoppt als ich etwas sehe. Ich sehe etwas in der Dunkelheit. Es sind Augen. Grüne Augen. Sie ziehen mich in den Bann. Ist das der Tod oder das Leben? Werden die Augen mich fallen sehen oder hochziehen?  Eine Hand ergreift meine. Bitte, führe mich in den Tod Hand. Ich möchte nicht mehr leben und das weißt du. Ungesprochene Worte gelangen über meine Lippen, doch sie kommen nicht an. Bitte lass mich sterben. Die Hand verharrt. Bitte lass mich los. Ich möchte nicht mehr leben. Doch sie tut etwas Unaussprechliches. Sie zieht mich nach oben. Sie lässt mich leben. Und dann wird alles schwarz und ich falle, während mich jemand hochzieht.

Jemand schüttelt mich. Es ist Noah. 《Candle, Candy, Christy oder wie auch immer du heißt. Wach auf.》Ich hebe meinen Kopf. Starre in seine Augen. Diese grünen Augen. Wieso kommen sie mir vertraut vor?

Ich verwerfe den Gedanken. Vermutlich weil mein Freund aus der Highschool auch so wunderschöne grüne Augen hatte. Caden hieß er. Ein Soziopath, der meine Gefühle manipuliert hat, war er auch. 16 waren wir. Jung und dumm war ich. Schlau und hochintelligent war er. Ich dachte tatsächlich, ich würde ihn heiraten wollen in ein paar Jahren.

Wie wenig ich damals doch noch wusste. Was die Zukunft für mich bereithalten würde. Dass ein einziger Moment mein Leben zerstören könnte. Nur einen Autounfall hat es gebraucht um mich fallen zu lassen.

Ich habe Caden hinter mir gelassen, nachdem ich das Kreuzworträtsel gelöst hatte. Ich habe mit ihm damals zu meiner eigenen Sicherheit Schluss gemacht. Ich hatte nie etwas gegen Soziopathen, doch Caden war jemand, der manipuliert hat. Er war keiner von den besseren Soziopathen. Er hat mich einfach aus Spaß glauben lassen, ich wäre in ihn verliebt.

《Hallo?Erde an wie auch immer du heißt.》Erneut holt Noah mich aus meiner Vergangenheit. Meiner ach so dunklen Jugend. Ich wende meinen Blick ab. Höre auf in Cadens, nein Noahs Augen zu starren.

Ich höre wie die anderen sich gegenseitig aus ihren Erinnerungen ziehen. Sich rütteln und wieder Normalität zu bewahren. Einige sehen schockiert aus. Andere wütend und wieder andere leer.

Nachdem sich alles wieder etwas beruhigt hat, fängt Mr Harson an zu reden. 《Wie ich sehe ruft besagter Aufsatz immer noch Erinnerungen in euch wach. Es tut mir wirklich leid, aber das wird eure Dauerhausaufgabe für den Dezember und Januar sein. Wenn ihr mir diese Frage erfolgreich beantwortet, seid ihr entlassen. 》Er wartet erneut, lässt das ganze sacken.

Entlassen? Danach steht es uns frei zu gehen! Ich muss diesen Aufsatz schreiben und er muss gut werden. Wirklich sehr gut.

Mr Harson erlaubt uns früher zu gehen. Noah und ich verlassen den Raum. 《Hast du schon eine Idee für den Aufsatz?》fragt er mich. Ich überlege. Doch da ist nichts. Kein einziger Gedanke. Nichtmal im Hinterkopf. Nichts. Mein Kopf ist leer. Denn ich hätte vor Jahr und Tag sterben sollen.

Ich gucke ihn an.《Nein.》Mehr bringe ich nicht mehr zustande. Er stimmt mir ebenfalls zu.《Ich habe auch keinen Schimmer.》seufzend setzen wir unseren Weg fort. Ich will sterben. Ich habe es verdient zu sterben.

《Wie heißt du jetzt eigentlich, Santa?》fragt Noah um die Stimmung wieder aufzulockern. Doch nichts kann  mich jetzt erheitern. Nicht einmal, dass er mich Santa nennt. Ich seufze.

《Holly Evans heiße ich.》

⌨︎A/N☕︎
Wieso Noah wohl die ganze Zeit so glücklich ist?

Nochmal zu der Sache mit dem Soziopath: Nicht alle Soziopathen sind schlechte Menschen. Jedoch sind es mehrere von ihnen, da sie kein Gewissen haben und so auch keine Reue für ihre Taten empfinden können. Sie können aufgrund ihrer hohen Intelligenz Andere leicht manipulieren. Man kann sich auch als Soziopath eine Art von Gewissen aneignen, die man mit körperlichen und nicht seelischen Schmerz verbindet. Nicht das mich hier irgendwer falsch versteht.

How to liveWhere stories live. Discover now