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Summer blickt mich intensiv an.《Tut mir leid Holly. Wir können befreundet sein, aber bitte bitte fass mich nicht an. Auch wenn es freundschaftliche Umarmungen sein sollen. Das geht im Moment einfach nicht.》Ich schaue sie verwirrt an.

《Warum bist du hier, wo du doch heute noch vor mir zurückgewichen bist? Wolltest du nicht nichts mehr mit mir zu tun haben?》

Wir stehen in der Cafeteria. Um uns herum sind einige Leute. Alle sind vertieft oder beschäftigt mit irgendwas. Wir haben beide eine Freistunde. Mr Harson war krank, zu meinem Glück. Ich muss nämlich immer noch die Hausaufgaben vom letzten Mal nachholen. Wie ich diesen Lehrer doch hasse.

Jetzt schleicht sich ein leiser Ausdruck von Wut in Summers Augen. 《Denkst du etwa so Holly? Dass ich vor dir zurückgewichen bin, weil ich dich nicht mag? Ich hätte es mir ja gleich denken können.》Sie macht Anstalten zu gehen.

Ich renne ihr hinterher.《Summer, Warte! So habe ich das nicht gemeint!》Doch genauso hast du es gemeint. Finde nur ruhig weiterhin die falschen Worte, du Idiotin, murmelt eine leise Stimme in meinem Kopf. Ich bleibe stehen. Nein, ich werde ihr nicht hinterher rennen. Ich finde doch sowieso nur die falschen Worte. Die falschen Gesten gehen von mir aus. Ich bin keine gute Freundin und ich kann es auch nicht sein. Eigentlich verdiene ich auch keine Freundin. Ich verdiene keine Summer.

Ich wende mich ab. Ich täte ihr nicht gut. Es wäre falsch mit ihr befreundet zu sein, wenn ich keine Freundin sein kann. Ich bin nicht gut genug und ich war es auch nie. Ich war nie gut genug für meine Familie, denn sonst säße ich jetzt nicht hier. Ich war nie gut genug für die Kinder in der Schule, denn sonst hätten sie mich nicht gemobbt. Ich war nie gut genug für Summer oder Noah, denn sonst wären sie jetzt neben mir und ich war nie gut genug für dieses Leben, denn sonst hätte ich es nicht zerstört.

Ich war nie gut genug für irgendetwas und wenn alle um mich herum Fortschritte machen und aus ihren Depressionen herauszukommen scheinen, bleibe ich stehen. Ich bleibe stehen, denn ich kann nicht mehr sinken. Ich bin am Boden des Loches, in das ich gefallen bin. Ich verharre, denn ich habe alles zerstört. Noah, Summer, wer will denn noch etwas mit mir zu tun haben? Wer holt mich aus dem Loch heraus? Wo ist das Seil, dass sie Leuten wie mir zuwerfen oder gibt es das nicht für mich? Denn ich hätte das Seil wirklich gerne. Ich würde es ergreifen. Ja, ich würde es nehmen. Vielleicht würde ich es fangen. Aber es erscheint nicht. Ich habe es nicht verdient. Es wird nie kommen und ich werde da unten bleiben in meiner persönlichen Hölle. Das Seil wird nicht mehr kommen. Ich habe kein Recht darauf.

Ich habe es zerstört. Mein Leben ist kaputt. Es liegt da in vielen Teilen vor mir und ich bin zerbrochen. Wie kann ich äußerlich so normal aussehen, während es mir scheiße geht? Ich bin defekt, aber niemand sieht es. Den äußeren Schein aufrecht erhalten, damit sie keine Fragen stellen. Damit sie denken, mir geht es besser.

Ich brauche keine blöden Fragen. Ich brauche keine Fragen, die ich selbst nicht beantworten kann. Ich brauche sie einfach nicht, denn die Antworten sind zu tief. Irgendwo auf dem Grund, auf dem ich stehe und nach ihnen suche. Doch der Grund ist steinhart und ich habe keine Schaufel. Ich grabe und grabe jeden Tag doch nie komme ich Fragen wie dem Sinn des Lebens auch nur ein Stück näher, denn der Boden ist zu fest, als das ich ihn mit meinen Händen, hätte durchwühlen können. Ich bräuchte eine Schaufel oder eine Spitzhacke oder einen Spaten. Irgendetwas anderes als meine Hände. Doch es ist nichts da. Niemand gibt mir eine Schaufel. Niemand kann sich meiner erbarmen. Ich muss es selbst herausfinden, sagen sie. Doch das kann ich nicht. Wo ist eure Hilfe Therapeuten? Oder sind es nur eure Fragen? Denn wenn das eure Hilfe sein soll, dann ist es keine Große.

Ich setze mich an einen Tisch. Meine Hausaufgaben, ich muss meine Aufgaben machen. Ich muss funktionieren. Funktionieren und die Aufgaben machen, mehr nicht. Ich schaue auf das Arbeitsblatt.

Diese Stunde kreieren wir Selbsthilfegruppen. Bereitet hierfür bitte einen Redebeitrag über euer Problem und den Suizidgrund vor.
In freudiger Erwartung, Mr Harson

In freudiger Erwartung, fast hätte ich aufgelacht. Vermutlich freut er sich darauf uns zu quälen. Das ist schließlich sein einziges Hobby.

Ich schnappe mir ein Blatt und einen Stift und notiere einige Stichpunkte.
Suizidgrund: •Hab kleinen Jungen überfahren, wurde früher gemobbt

Problem: Ich habe Depressionen, wie jeder andere auch in diesem Institut. Woher soll ich mein Problem kennen? Ich gebe mir Schuld an demTod des Jungen, doch tut das nicht jeder? Wäre es nicht falsch, sich als schuldlos zu bezeichnen? Ich glaube nicht, dass das mein Problem ist. Ich glaube meine Therapeutin kann das besser analysieren als ich.

Ich setze einen Punkt, was soll ich auch sonst schreiben? Wer kann denn schon gut sagen, was sein Problem ist?

Niemand.

A/N
Ich muss leider sagen, dass dies das einzige Kapitel ist, was ich bisher habe. Aber ich dachte, an Ostern wäre es für euch vielleicht schön ein neues Kapitel zu haben. Es tut mir auch wirklich leid, aber ich kann ja auch nichts für meine ideenlosen Phasen und ich möchte mit dem Buch auch nicht aufhören, weil es glaube ich einige von euch wirklich mögen und ich es unfair euch gegenüber fände, ein Buch ohne Ende hinunterzunehmen. Ich hab auch schon ein Ende im Kopf. Ich hab nur noch keine Idee wie ich zu meinem Ende komme. Ich hoffe, ihr könnt das nachvollziehen und mir verzeihen, dass ich so lange Pausen zwischen den Kapiteln mache.

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