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Holly

Okay morgen, höre ich meine Worte in einer Endlosschleife bestehend aus 10 Buchstaben und zwei Satzgliedern wiederhallen. Morgen ist ein Freitag. Eigentlich ist das ein guter Tag.

Noah, Summer und ich haben bis auf den Vormittag mit unseren Therapeuten alle frei. Meistens mache ich mit jeweils einem von ihnen etwas, je nachdem, wer gerade nicht in seinem Zimmer eingesperrt ist, weil er oder sie einen Rückfall hatte.

Okay morgen. Mein Tonfall klang zurückhaltend, fast wie als wollte ich mich Noah nicht öffnen und tatsächlich denke ich das immer noch. Ich hasse es meine wahren Gefühle Leuten zu offenbaren. Ich brauche meistens Zeit, wirklich sehr viel Zeit. Aber ich liebe Noah doch. Sollte es mit ihm nicht anders sein? Kann ich mit ihm nicht auch in die Tiefe meiner Emotionen eintauchen?

Gefühle jedoch sind etwas, was hinter eine Fassade gehört, so und nicht anders hat mein Großvater sich einmal ausgedrückt und obwohl ich damals mit dem Rest meiner Familie unter lautem Protest mit ihm einen Streit darüber begonnen habe, so zweifele ich nun an meinem früheren Ich. Das alles war, bevor ich den kleinen Jungen überfahren habe, bevor ich den wahren Ernst des Lebens erfahren musste, bevor ich zur Täterin wurde und bevor ich 1 Jahr lang eine helle fröhliche Fassade aufrecht erhielt um meiner Familie vorzuspielen, mir ginge es gut, damit ich nicht in eine Psychiatrie musste. Doch welch Ironie, mein Plan ist fehlgeschlagen, denn jetzt sitze ich hier in dieser Anstalt, in der mir die Möglichkeit einfach wegzusterben genommen wurde, in der mir nichts Anderes bleibt, als zu überleben, denn leben kann ich es nicht nennen. Niemals.

Niemals außer mit Noah.

Ich drehe mich zu ihm um, zu dem Jungen den ich liebe. <<Holst du mich ab?>> Er schüttelt belustigt den Kopf. <<Wir haben doch Paartherapie seit heute.>> Ich nicke.<<Stimmt, wie konnte ich nur so dumm sein.>> <<Bist wohl kein Ravenclaw, was?>> Neckend stupst er mich in die Seite und es ist wie als würden mich zarte Schmetterlingsflügel umstreichen. Ich nicke fast schon zu schnell. <<Ich hab den Hogwartshouse test nie gemacht.>> Er hebt die Augenbrauen hoch. So hoch wie Wolken am Himmel wirken sie dort. Schwarze buschige Wolken. <<Das müssen wir unbedingt machen, sobald wir hier raus sind....>> <<Wenn wir hier jemals rauskommen>> erfülle ich die Stille. <<Aber wenigstens können wir uns hier auch für immer lieben.>> füge ich vergnügt hinzu und gebe ihm einen langen sanften Kuss. <<Weißt du Holly, du bist mein neues Antidepressiva.>> Er beugt sich vor und gibt mir noch einen Kuss. Ich grinse und wende meine letzte Willenskraft auf um mich von ihm abzuwenden und mir mein Essen zu schnappen. <<Und du verkürzt die Wartezeit bei der Essensausgabe um Unmengen.>> Er grinst und holt sich auch einen Teller.

Ich werde zumindest versuchen mich Noah morgen zu öffnen. Wer, wenn nicht er hätte diese Chance verdient und wer, wenn nicht er könnte mir helfen?

How to liveWhere stories live. Discover now