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Das Feuer prasselt, während die Marshmallows an den schwarz werdenden Stöcken sich von selbst zu bräunen scheinen. Weiß wird zu honiggold. Seufzend lasse ich mir von dem heißen Marshmallow meinen Mund wärmen während das warme Karamell mir sanft auf der Zunge zerfließt.

Ich hebe den Blick. Die Stille zwischen uns ist unaufhaltsam geworden. „Ich habe einen Jungen überfahren." Jetzt ist es raus. Er blickt mich an. Ich erwarte, dass er vor mir zurückweicht mich anders anfasst, anders behandelt, doch stattdessen bleibt er da, wo er ist. Keine Regung zeigt sich in seinem Geischt außer Verständnis. Er versucht mich zu verstehen. Da ist kein Mitleid, nur Verständnis. Der Wunsch mich verstehen zu wollen.

„Er war fünf." Immer noch bleibt er da lauschend. Das beruhigt mich. „Ich saß im Auto. Es war alles gut. Mein Leben war für einen kleinen glücklichen Moment in Ordnung. Ich fuhr Auto. Es war der erste Tag nach dem Beziehungsaus von Ihm und mir" Ich schlucke. Ich kann seinen Namen immer noch nicht aussprechen. Ich will es auch gar nicht. „Es war der erste Tag, an dem ich wieder so etwas wie Glück verspürte. Und damals, damals habe ich diese unschuldige Momentaufnahme meiner Selbst nicht wertgeschätzt. Und dann war er plötzlich da. Ich hatte ihn gar nicht kommen sehen, war so versunken in meinem Glück, dass ich ihn zu spät sah." Meine Augen beginnen zu schimmern. Die heiße Nässe ist unerträglich, denn ich verdiene diese Tränen nicht. Warum weine ich, wenn ich nicht das Opfer war? Noah bleibt dort, wo er ist. Er geht nicht vor und nicht zurück. Aber auch seine Augen werden feucht.

„Mein Auto wurde langsamer. Ich vollführte eine Notbremsung. Doch es war immer noch zu schnell. Und dann trennte nichts auf der Welt mehr den Jungen und das Auto voneinander. Ich sah wie er fiel und dann hörte ich das grässliche Geräusch der Reifen wie sie über ihn fuhren und unheilbare Spuren an ihm hinterließen." Ich mache eine Pause. Mein Gesicht ist nun eindeutig von Tränen gerötet. „Ich habe einen Jungen getötet, Noah." Er tut immer noch nichts. Er bleibt einfach da. Das verwirrt
mich nun vollends.

„Ich habe einen Jungen getötet und du bleibst? Du bleibst bei einer Mörderin?" Ich weiß gar nicht wieso ich so schreie und ich will auch nicht, dass er geht, aber jeder Andere in seiner Position würde es tun. Jeder Andere würde gehen.

„Es war nicht deine Schuld. Unfälle passieren." Ich schnaube vor Wut. Das sagt mir jeder. Meine Familie, die Polizei, die Richterin, Marilyn und jetzt auch noch er. Ich richte mich auf. „Du bist wie die Anderen. Das sagt sich so leicht. Aber es ist meine Schuld. Ich hätte es voraussehen müssen. Das ist es doch, was sie in Fahrprüfungen tun oder? Sie lehren uns, dass wir immer auf alles vorbereitet sein müssen, vor Allem auf Kinder. Ich bin schuld." Und dann renne ich.

„Holly!" Ich drehe mich um. „Was Noah, was willst du mir noch sagen außer meine Schuld zu verleugnen?" Seine Augen tränen nun auch. „Dass ich dich liebe Holly. So sehr. Und dass ich nicht will, dass ein nun toter fünfjähriger Junge dein Leben zerstört." „Ich liebe dich auch, Noah. Aber er zerstört nicht mein Leben, er gibt mir das, was ich verdient habe." „Und was wäre das?" Seine rabenschwarzen Haare sind zerzaust als er durch diese fährt. „Die Hölle." erwidere ich. „Bin ich das auch für dich? Bin ich auch deine Hölle?" Seine Hände zittern.

Ich lasse meine Arme fallen. „Nein Noah, Nein, du bist nicht meine Hölle. Du bist-" Ich werde still. Wer ist er eigentlich für mich? „Ja, wer bin ich für dich?" fragt er nun auch. „Wer bin ich für dich?" entgegne ich, plötzlich zutiefst verunsichert. Er entfernt sich. Auf einmal scheint der Boden interessanter als ich zu sein. „Ich weiß es nicht." seufzt er schließlich. Ich zucke mit den Schultern doch in mir tobt die Verzweiflung. Oder tobt dort überhaupt noch etwas, wenn nicht Leere? „Dann sind wir uns ja einig."

Und dann stiefele ich davon. Die Emotionen in mir sind zu groß geworden, als dass man Leere noch von Fülle unterscheiden könnte. Er hat mir seine Geschichte noch immer nicht erzählt.

A/N

Finally a new chapter<3

How to liveWhere stories live. Discover now