take four.

5.7K 361 27
                                    

[Side/Top: Flu!]

                  Die paar Strähnen, die man bei Flu als Pony bezeichnen konnte, klebten ihr vom Regen an der Stirn, wo sich mittlerweile Rinnsale gebildet hatten, die ihr Gesicht hinunter rannten. „Cool“, sagte ich trocken und nickte vor mich hin. „Es ist nach neun.“

„Folgt jetzt wieder einer dieser typischen Arschloch-Sprüche oder lässt Du mich in deine verfickte Wohnung rein?“, flüsterte Flu wesentlich weniger selbstsicher als sonst. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Als ob sie dem meinen aus dem Weg gehen wollte. „Dann komm rein“, antwortete ich ihr. Flu flutschte durch die Tür und steuerte auf mein Sofa zu. Kopf schüttelnd schloss ich meine Wohnungstür und humpelte zum Wandschrank, wo ich ein Handtuch für die pitschnasse Flu herausholte.

„Darf ich die essen?“, fragte das blonde Mädchen mit grossen Augen und zeigte auf die restlichen Chicken Nuggets, welche auf dem Wohnzimmertischchen standen. „Bedien dich einfach.“ „Danke“, strahlte sie nun und verschlang das erste Nugget, so als ob sie seit Tagen nichts zu essen gehabt hätte. Abgemagert wirkte das junge Mädchen nicht, keines Weges. Aber trotzdem freute sie sich jedes Mal wie ein kleines Kind, dass zum aller ersten Mal Schnee sieht, sobald sie den Anblick von Junk Food sieht.

Mittlerweile stand ich in der Küche und goss das zuvor aufgesetzte Wasser in eine Tasse. Nun war der Tee nicht mehr für mich, sondern für Flu. Diese hatte die Wärme um einiges nötiger als ich.

So gut es ohne Gehstock ging, humpelte ich mit dem Tee in meiner Hand auf mein Sofa zu. Vorsichtig stellte ich die Tasse vor Flu auf den Tisch und liess mich ihr gegenüber nieder. „Also?“, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue und sah das junge Mädchen wartend an.

Ich“, nuschelte Flu und schluckte das letzte Stückchen Fleisch, welches noch in ihrem Mund war, hinunter, „ich… hatte halt… Langweile?“ Flus Augen wanderten während sie die Worte stammelte durch den Raum. Suchten sie etwas? Wenn ja was? Ich hatte doch nichts zu bieten, wovon die Kleine profitieren konnte.

„Und darum läufst Du durch den Regen hier her und klingelst mich aus dem Bett?“

Flu lachte kurz auf. Es war kein richtiges Lachen. Es war mehr ein unbeeindrucktes Grunzen. „Als ob Du schon geschlafen hättest. Take Me Out und Chicken Nuggets scheinen in Kombination mit Rotwein deine Lieblingsbeschäftigung zu sein“, murmelte Flu. Vorsichtig stand sie von meinem Sofa auf, damit sie ein zerknittertes Stückchen Papier aus der Hosentasche pulen konnte. „Hier.“

Sie hielt mir den Fetzten entgegen. „Ich hab’s Dir ausgedruckt“, erklärte Flu und wedelte mit dem Ding etwas nervös vor meiner Nase umher. „Bevor Du noch behauptest, ich würde irgendwelche Scheisse über Dich in die Welt setzten.“

„Und warum solltest Du das tun?“, brummte ich trocken und entknüllte das Stückchen Papier vorsichtig. Es war leicht feucht durch den Regen geworden. Doch die Tinte war immer noch beinahe perfekt leserlich.

„Tun das nicht so Junkies wie ich?“, entgegnete Flu. Das Wort Junkies setzte sie mit ihren Fingern in unsichtbare Gänsefüsschen. „Ich könnte Dich ja erpressen. Geld von Dir verlangen. Das scheinst Du scheinbar nämlich wie Sand am Meer zu besitzen.“

Bei diesem Punkt hatte die Kleine leider Recht. Manchmal wäre es mir lieber, wenn ich nur einen Viertel des Vermögens meiner Eltern geerbt hätte. Zum einen würde ich dann nicht in dieser prunkvollen Wohnung leben, in der man von der Terrasse aus die ganze Stadt überblicken konnte. Und andererseits hätte ich eine ganze Stange weniger Geld in überteuerten Rotwein investieren können.

Ich blickte hinunter auf den Ausdruck und las die Überschrift des Zeitungsartikels, datiert vor etwas über zehn Jahren. Ein selbstgefälliges Grinsen machte sich auf meinen Lippen bemerkbar. Über den Rand des Blattes blickte ich hoch zu Flu, welche an einem der letzten Chicken Nuggets knabberte. „Du kleiner mieser Bastard“, fauchte ich. Flus Mundwinkel bewegten sich leicht nach oben, während sie ertappt den Holzboden meines Wohnzimmers musterte.

well built shipsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt