take ten.

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[Side/Top: Flu]

                   Das Kalenderblatt hatte sich gewechselt. Es war Dezember geworden. Zu meinem Glück hatte es noch nicht angefangen zu schneien, denn ich war mir immer noch nicht so sicher, wie ich die Kälte und Glätte des Winters mit meinem Gehstock überleben sollte.

Ich sass in meinem Büro und löste die lächerlichen Kreuzworträtsel der Schülerzeitung. Noch immer quatschte mich Benji Woche für Woche voll mit seinen ganzen Affären. Er fühlte sich wohl dabei mich mit diesem belanglosen Scheiss voll zu quatschen, weswegen ich gar nichts sagte und stets nickte. Und ja, ich war jedes Mal glücklich, wenn er mein Büro verliess und ich mindestens fünf Minuten Ruhe hatte, bevor Flu hineinstürmte.

Ich war gerade dabei zu überlegen, ob es sinnvoll wäre den neusten Tratsch und Klatsch der Promiwelt zu googeln, wurde die Tür meines Büros klangvoll auf und wieder zu gemacht.

„Du warst bei Attila?!“, rief Flu gereizt.

„Tag aber auch“, brummte ich und legte den Kugelschreiber mitsamt der Schülerzeitung beiseite. „Das hast du jetzt aber ziemlich früh mitgekriegt.“

„Ja, sorry das ich den Typen nicht jeden Tag sehe. Ich hab noch anderes zu tun ausser ihm hinterherzurennen“, murmelte Flu genervt. Ich fragte mich ob das junge Mädchen keine Kälte wahrnahm, da sie immer noch in dünnen Strumpfhosen, Shorts und T-Shirt herum rannte. Immerhin trug sie ihre Jacke, aus welcher sie jetzt schlüpfte und über die Stuhllehne warf. Schlecht gelaunt verschränkte sie die Arme und setzte liess sich auf den mir gegenüberliegenden Stuhl fallen.

Stillschweigend musterte ich Flu wie sie genervt auf ihrer Unterlippe herumkaute und nach oben an die Decke starrte. Leise seufzte ich. „War das etwa falsch, dass ich mich mit deinem Bruder an einen Tisch gesetzt habe?“

Flu nickte kaum bemerkbar und verzog den Mund. „Ziemlich falsch sogar.“ Nervös spielte sie an ihren Fingern herum du wich meinen Blicken aus. „Ich versteh’s einfach nicht, warum. Und es nervt mich, dass weder Du noch er in der Lage sind mit mir über diese Dinge zu sprechen. Alles muss man von Allys erfahren. Wirklich alles.“

Flurina“, seufzte ich und fuhr mir durch die Haare, „Nachdem diese Schnepfe von deinem Heim…“ „…ach“, unterbrach Flu mich in einem schnippischen Ton, „darum geht es also. Klein Flurina und das Heim. Willst Du n‘ Update von den neusten Geschehnissen? Den kleinen Kanalratten mit denen ich in einem Zimmer leben muss ist jedes Mittel recht mich rauszuekeln. Also hatten sie die glorreiche Idee sich ein wenig selbst zu vermöbeln und dann zu behaupten, dass ich ihnen eine auf die Fresse gegeben hätte. Dreimal darfst Du raten wem diese Dreckshure von Leiterin mit den übelsten Konsequenten droht.“

Wir schwiegen uns an. Ich atmete tief ein und rieb mir die linke Gesichtshälfte. „Ja, okay. Es war falsch von mir, dass ich Dir nichts davon gesagt habe.“

„Soll ich mir jetzt ein Eis mit deiner Entschuldigung kaufen gehen?“, fauchte Flu. Sie seufzte genervt und strich sich die vorderen Haarsträhnen zu Recht. Die rasierten Haarpartien waren mittlerweile etwas nachgewachsen. „Ich sollte nicht nur Dich dumm anmachen. Atti hat schliesslich auch nichts gesagt. Nie sagt mir jemand was von den wichtigen Dingen. Denken wohl alle noch, dass ich ein kleines Kind bin, dass von nichts eine Ahnung hat.“

Schwach lächelte ich. „Also ich halt Dich für’n ziemlich kluges Ding.“

Skeptisch zog sie die Augenbrauen nach oben, worauf ich mit der Zunge schnalzte und den Kopf schüttelte. „Komm schon. Du löst Matheaufgaben ohne Taschenrechner für die ich zur Nachhilfe gerannt bin.“

„Das ist auch das einzige was ich gut kann“, brummte Flu. Ich schüttelte erneut den Kopf. „Nein. Du kannst auch ziemlich gut zu der Sache stehen, für die Du Dich einsetzt. Du bist überzeugt und plapperst nicht etwas nach, was Du im Fernsehen aufgeschnappt hast. Find das mal bei Jugendlichen deines Alters. Wie viele fünfzehnjährige lesen Zeitung, Flu?“

well built shipsWhere stories live. Discover now