take nine.

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[Side/Top: Nael]

                   „Es ist echt schön Dich nochmals unter den Lebenden anzutreffen“, lachte der Typ, worauf ich tief einatmete und nickte. „Es ist auch schön Dich wieder zu sehen Oinatz.“

„Wann lernst Du es endlich, dass es Rick heisst?“, fragte er mich Augenzwinkernd. Ich nickte immer noch und musterte einen der Typen, den ich in den letzten acht Monaten nicht gesehen hatte. Oinatz Richardson, von jedem Rick genannt, begann mich nun von oben bis unten abzuchecken „Hast Du etwas Zeit? Ich lad Dich auf n‘ Bier ein“, sagte Rick, „Und jetzt sag bitte nicht nein, Nate. Das Du den Kontakt zu uns abgebrochen hast, schmerzt schon genug.“

Ich hatte den Kontakt zu den Menschen, mit denen ich einst beinahe jede freie Minute verbracht hatte, nicht abgebrochen. Ich fand mich nur nicht in der Lage ihnen wieder unter die Augen zu treten. An allem was geschehen war, fand ich mich schuldig.

Nervös musterte ich Rick. Er hatte sich in den Monaten unserer Funkstille kaum verändert. Zwar war aus seinen einstigen Stoppeln ein prächtiger Vollbart geworden, aber sonst schien Rick immer noch der Alte zu sein. Er trug noch immer diese abgewetzte Jeansjacke mit den vielen Aufnähern von Bands und politischen Statements, während darunter ein dunkelgrauer Sweater hervorblitze. Seine blaugrauen Augen durchbohrten mich beinahe, während Rick immer noch auf meine Antwort zu seiner Frage wartete. Er fuhr sich durch die braunen, kurzgeschorenen Haare ohne mich dabei aus den Augen zulassen. Etwas nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum und dachte darüber nach, was ich tun würde, wenn ich seine Einladung abschlagen würde. Die Antwort war simpel: Dasselbe wie jeden Abend; Ich würde mit Fast Food und Alkohol auf meiner heimischen Couch sitzen und mir schlechtproduzierte Fernsehsendungen ansehen. Mit dem Gedanken, dass mir ein wenig sozialer Kontakt gut tun würde, willigte ich auf Ricks Vorschlag ein.

Es hätte mir eigentlich von Anfang an klar sein müssen, dass ich früher oder später auf meinen alten Weggefährten Rick treffen würde. Sein Plattenladen mit der oben angrenzenden Wohnung lag schliesslich nur ein paar Strassen weiter von meiner bevorzugten Einkaufspassage. Ricks Laden befand sich in einem der vielen Altbauten in der Nähe des angrenzenden Flusses.

Ich beobachtete ihn, wie er die Tür des Ladens aufschloss. Das „Geschlossen“-Schild, welches im Fenster hing, liess er umgedreht. Ich wartete etwas schüchtern an der Tür, während Rick zur Kasse lief und einen Zettel aus irgendeiner der vielen Schubladen des Tresens zog. Gut leserlich kritzelte er eine Entschuldigung darauf, weswegen der Laden geschlossen blieb und klebte ihn für mögliche Kunden sichtbar neben das „Geschlossen“-Schild.

„Du warst zwar schon im Laden aber noch nie in der Wohnung, richtig?“, fragte mich Rick, worauf ich stumm nickte. Lachend rollte er mit den Augen und warf den Kopf in den Nacken. „Schüchtert Dich mein Bart dermassen ein, dass es Dir die Sprache verschlagen hat?“ „Nein“, flüsterte ich und schluckte leer, „gar nicht.“

Rick lächelte und zwinkerte mir zu. „Na dann komm. Vielleicht wirst Du oben etwas gesprächiger.“

Ich folgte ihm zur hintersten Ecke des Ladens. Er schloss eine weisse Tür mit der Aufschrift „Privat“ auf und schaltete das Licht ein. „Vorsicht Treppe!“, warnte mich Rick vor, während ich ihm im wahrsten Sinne des Wortes hinterher stolperte.

Oben angekommen befanden wir uns direkt im Wohnzimmer. Ricks Wohnung war bedeutend kleiner als meine, jedoch hatte sie trotzdem ihren eigenen Charme. Die meisten Wände waren passend zum Fussboden mit Holz verkleistert worden und passten somit gut zum Kamin, der in der Mitte stand. Die Wohnung erinnerte von der Inneneinrichtung an ein kleines Chalet. „Setz dich nur hin“, sagte Rick und legte mir beim Vorbeigehen kurz die Hand auf die Schulter, sodass ich kaum bemerkbar zusammenzuckte. Schwach lächelte ich und humpelte hinüber zu dem Sofa. Ich beobachtete ihn dabei wie er auf den Balkon und ein paar Holzscheite holen ging.

well built shipsWhere stories live. Discover now