take forty three.

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Attila sass auf dem Sofa und war dabei die Patches an seiner Jacke neu anzunähen. Ich runzelte die Stirn, als ich den blonden Strassenjungen so da sitzen sah. Das letzte Mal, dass ich jemanden bei dieser Tätigkeit hier gesehen hatte war Edgar. Beide kauerten in exakt derselben Position auf dem schwarzen Leder, während sie konzentriert nähten.

Ich schluckte leer als ich den sanften Stich ins Herz spürte. Leise tapste ich an Attila vorbei in die Küche und holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Heilmittel gegen den Stich ins Herz; ihr versteht schon. Vorsichtig schloss ich die Tür, als Attila lautstark zu fluchen begann. „Verdammte Scheissnadel!"

„Blutest Du?", fragte ich und öffnete mit einer lässigen Handbewegung die Bierflasche. „Ist es nicht zu früh zum Saufen?", entgegnete Attila ohne auch nur von seinem Kunstwerk aufzusehen. Ertappt schielte ich zur Uhr, welche in der Küche hing. „Also ich empfinde zwei am Nachmittag nicht zu früh für ein Bier."

Attila hob den Kopf und starrte einen kleinen Moment in die Leere. „Dann sollten sie ja bald zurück sein", kommentierte Attila zusammenhangslos und widmete sich dann wieder dem Patch auf seiner Jacke. Leise seufzend nahm ich einen Schluck aus der Flasche. Innerlich versuchte ich bis drei zu zählen. Doch Attila liess mich nicht mal bis zwei kommen.

„Warum darf Flu mit Rick zu Ikea und ich nicht?", maulte Attila. Er hatte sich mit einer schnellen Bewegung in meine Richtung. Ich stand noch immer mit dem Bier in der Hand in der Küche herum und starrte den blonden Strassenjungen etwas fassungslos an. „Weil Du nie in deinem Zimmer schläfst, vielleicht?"

Warte", sagte Attila. Der blonde Strassenjunge legte seine Näharbeit beiseite und kletterte über die Sofalehne, „Wenn ich anfangen würde in dem Zimmer zu schlafen, dann dürfte ich auch mit Flu und Rick mitfahren?"

Leise seufzte ich. „Würdest Du denn...?"

„Nein", sagte Attila trocken.

„Fall beendet." Ich nahm einen kräftigen Schluck aus dem Bier und stellte die halbleere Flasche auf den Küchentisch ab. Attila seufzte lautstark auf dem Sofa. „Was wenn ich aber ein neues Bett will?", fragte der blnode Strassenjunge.

Ich rollte mit den Augen. „Mein Bett. Verstehst Du? Mein Bett! Also entscheide ich darüber ob wir uns ein neues Bett ins Haus holen oder nicht." „Ausser ich würde im für mich vorgesehenen Zimmer schlafen." „Korrekt", seufzte ich und kniff mir in dabei in den Nasenrücken. Attila war nach Monaten noch immer ein scheusslich nervender Mitbewohner. Trotzdem mochte ich ihn irgendwie auf seine eigene Art und Weise.

„Kommst Du mit eine Rauchen?", fragte Attila aus dem Nichts. Als ich meinen Nasenrücken los lies und in seine Richtung sah, stand der blonde Strassenjunge vor mir und grinste mich schief an.

„Du weisst ich rauche nicht", antwortete ich. Attila grinste noch immer, griff nach der Flasche Bier auf dem Tisch und drückte es mir in die Hand. „Wir können einfach auch nur zusammen auf dem Balkon sitzen, trinken und reden während ich meine Kippe rauche", zwinkerte Attila mir zu und holte sich selbst eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank.

Schultern zuckend folgte ich meinem blonden Mitbewohner nach draussen. Mittlerweile hatten wir April. Endlich wurde es wieder wärmer und angenehmer, sodass man draussen problemlos ohne Jacke und lange Ärmel rumlaufen konnte.

Ich liess mich auf meinem üblichen Sitzplatz auf dem Balkon nieder, während Attila die Hängeschaukel in Beschlag nahm. Vermutlich sah ich ihn nicht das erste Mal darin sitzen. Nichtsdestotrotz schluckte ich leer beim Anblick. Es war Edgars einstiger Lieblingsplatz gewesen, auf dem er so oft gesessen hatte und Gitarre gespielt hatte. Mehr und mehr nahm Attila all diese Plätze ein. Obwohl ich im letzten halben Jahr genug Zeit hatte mich an Attila in meinem Leben zu gewöhnen – ich konnte es nicht ganz. Irgendetwas in mir fürchtete sich davor, dass Edgar in Vergessenheit geraten könnte, wenn ich Attila voll und ganz Platz in meinem Leben liesse.

well built shipsWhere stories live. Discover now