take thirty two.

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„Wann heben wir endlich ab?", fragte Attila. Er starrte aufgeregt aus dem Fenster des Flugzeugs. Wäre es möglich gewesen es zu öffnen, so hätte er sich ganz bestimmt rausgelehnt um alles besser sehen zu können.

Es war zehn in der Früh, zwei Tage vor dem Konzert. Am Vorabend hatte ich noch hastig einen Koffer für den blonden Strassenjungen im Ausverkauf ergattert. Den einzigen, den ich neben meinem noch zuhause hatte war jener von Edgar. Höchst personalisiert. Selbst wenn Attila endlich die Wahrheit gewusst hätte – ich hätte es nicht übers Herz gebracht das verklebte Ding an jemand anderen auszuleihen.

Attila war die ganze vergangene Woche bereits aus dem Häuschen. Je näher der Tag des Abflugs kam, desto nervöser und hibbeliger wurde er. Es war unerträglich. Zum einen war es ja süss, wie sehr er sich über die Reise freute. Aber andererseits war sein Verhalten etwas nervenaufreibend. Ziemlich nervenaufreibend. Es waren nicht die einfachen Fragen, welche kleine Kinder einem stellen, bevor sie das erste Mal mit Mami und Papi einen Flieger bestiegen. Attila mochte zwar volljährig sein – nichtsdestotrotz hatte er gestern Abend beim Abendessen die Frage rausgehauen, welche Währung Deutschland denn hätte und ob er mit Englisch überhaupt sich mit anderen unterhalten könnte. Oh. Und er hatte auch kurz eine Panikattacke gehabt als er über die Zeitverschiebung und das dort herrschende Klima nachgedacht hatte. Ich hatte in den letzten Tagen ziemlich starke Nerven nötig gehabt.

„Nael?", fragte Attila just in dem Moment als ich mir die Kopfhörer in die Ohren gesteckt hatte. Leise seufzend riss ich sie raus und blickte genervt zu Attila. Dieser grinste schief. „Schmeckt das Essen über den Wolken wirklich anders als unten auf der Erde?", fragte der Blonde, was mich erneut dazu brachte genervt aufzustöhnen. „Du kannst es ja gleich selbst probieren." „Aber ich kann nicht Essen, während ich raus aus dem Fenster starre, damit mir ja nichts entgeht!" „Attila, Du fliegst in vier Tagen wieder von Düsseldorf zurück nach Sheffield. Du hast doppelt die Chance eine neue Erfahrung zu machen."

„Was passiert wenn wir abstürzen?", fragte Attila panisch mit geweiteten Augen. Das Gespräch hatten wir bereits vor wenigen Tagen geführt, als Attila sich darüber schlau gemacht hatte wie oft es passieren kann, dass so ein Flugzeug abstürzte. Vorteil an kleinen Kindern war, dass diese noch nicht schlau genug waren solche Sachen selbst nachzuschlagen. „Denk. Einfach. Nicht. An solche Sachen", zischte ich genervt und stöpselte mir wieder die Kopfhörer in die Ohren.

Ich war schon so oft geflogen, dass ich das ganze Tamtam beim Start des Fluges immer ausblenden konnte. Für Attila hingegen war das der erste Flug seines Lebens, weswegen er ziemlich aus dem Häuschen auf seinem Sessel herum wippte und aus dem Fenster starrte. „Nael!", quiekte er freudig, „Guck! Wir heben ab!"

Nickend schloss ich die Augen. „Das ist schön", gähnte ich und merkte, wie meine übliche Flugroutine ihren Lauf nahm. Wie gesagt; Ich war schon viel zu oft in meinem Leben geflogen, sodass ich die meisten Flüge über schlief. Angst, dass man abstürzten konnte hatte ich nie, trotz allem was man immer mal wieder zu hören bekam. Ich war einfach nur froh, meine Ruhe zu haben, während Attila neben mir vermutlich das gesamte Flugzeug unterhielt. Aber davon würde ich alles nichts mitbekommen.

Irgendwann während des Fluges wurde ich wach. Mein Ohr fühlte sich komisch an, da jemand den Kopfhörer darin etwas gewaltsam rausgerissen hatte. Ich wollte Attila bereits anschreien; doch dieser lag lautstark schnarchend auf meiner Schulter, mein Kopfhörer dazwischen eingezwängt. Schwach lächelte ich. Leise seufzend lehnte ich meinen Kopf an seinen. Ich lehnte mich etwas zurück in den Sitz und strich Attila durch die blondgefärbten Haare. Vorsichtig schloss ich die Augen und schlief mit einem leisen Gähnen wieder ein.

well built shipsWhere stories live. Discover now