~30~ ohne Widerworte

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Die Bilder der letzten zwei Tage spielten sich in meinem Inneren ab und ließen die Galle in mir aufsteigen. Ich lehnte mich ruckartig zur Seite und kotzte alles aus mir heraus. Jonas reagierte sofort, nahm meine Haare in seine Hand und hielt sie zur Seite. Mit der anderen Hand streichelte er behutsam meinen Rücken und gab mir somit den nötigen Halt.

„Kann ihr jemand Wasser aus dem Auto holen?", hörte ich meinen Exfreund sagen, was ich nur gedämpft wahrnahm. Benebelt von den Erinnerungen, dem Alkohol und den Drogen richtete ich mich wieder auf und wischte mir den Mund mit meinem Handrücken ab. Das Wasser, welches mir gereicht wurde, nahm ich an mich und begann sofort kleine Schlücke zu trinken.

Nachdem ich mich endlich beruhigt hatte, wollte ich nicht länger still und verängstigt sein, weshalb ich zu erzählen begann.
„Felix war ziemlich freundlich zu mir die letzten Tage und meinte, wir würden es langsam angehen lassen. Hätte ich nur geahnt, was er wirklich meinte.. dann..", meine Stimme zerbrach, allein bei dem Gedanken daran. Ich schaffte es nicht, all die Geschehnisse auszusprechen. Schockierend stellte ich fest, dass es, wie ein Film, sich immer wieder in meinem Kopf abspielte. Nur der kurze Rausch, den ich die letzten Tage erlebt hatte, war eine Abhilfe. Ich spürte Jonas seine Hand, die Meine umfasste, damit sein Daumen mich beruhigend streichelte. Vorsichtig zog ich Sauerstoff in meine Lungenflügel und versuchte es erneut.

„Er hat alles Mögliche versucht, damit es mir gut ging. Nur heute Abend... da meinte er, wir könnten einen Schritt weitergehen.", jeder einzelne Muskel im Körper von Jonas spannte sich urplötzlich an, als würde er sich wappnen, für das, was jetzt kommen mag.

„Ich konnte gar nicht so schnell reagieren... da lagen ... seine Lippen auf meine", stotterte ich, gemischt mit den Bildern und das Gefühl, die Lippen meines Bruders zu spüren. Ich hielt dem ganzen nicht mehr stand und fing fürchterlich an zu weinen.

Fassungslos darüber, was mein Bruder gemacht hatte, spürte ich, während die Tränen unweigerlich meine Augen verließen, wie Jonas vor Wut kochte. Seine Atmung ging nur noch stoßweise und auch seine Hände waren zu Fäusten geballen. Um Entspannung in die angespannte Lage zu schaffen, wanderte meine Hand unbedacht auf seine Wange und zwang ihn somit mir in die Augen zu sehen. Schmerzhaft stellte ich fest, dass sie von blanken Hass eingenommen wurden, wobei ich die Liebe zu mir erhofft hatte. Nur was hatte ich mir gedacht, nachdem ich ihn so verletzt hatte?

Gedämpft von meinen Gefühlen wollte ich meine Hand zurückziehen, woran er mich hinderte. Meine Hand umschlossen mit seiner, ruhte noch eine Weile auf seiner Wange, bis ich endlich die Stille erneut unterbrach.

„Mir geht es gut", log ich, als meine Tränen besiegt waren. Jonas schüttelte kaum merklich mit dem Kopf und war bereit, dagegen zu argumentieren.
„Es geht mir gut, ich möchte einfach nur hier weg!"

Ruckartig griff er unter meine Kniekehlen und hob mich im Brautstyle hoch. Als würde ich nichts wiegen, lief er zum geparkten Auto an der Straße, öffnete die hintere Tür und setzte mich behutsam ab. Ohne Worte, setzte er sich neben mich und zog mich in seine Arme. Erschöpft schmiegte ich mich an ihm und erhielt die Liebe und Wärme, die ich so sehr benötigte.

Während Markus das Auto durch die Straßen lenkte, entschloss ich, Jonas nie wieder zu verlassen, komme was wolle. Mein Herz gehörte ihm und es konnte nur vernünftig schlagen, wenn ich in seiner Nähe war.

Schlussendlich kamen wir beim Hotel an und Jonas trug mich bis aufs Zimmer, obwohl ich meinte, es sei nicht nötig. Allerdings bestand er darauf und setzte mich auf unser gemeinsames Bett ab. Mit dem Vorhaben, mir eine Wanne einzulassen, ging er in das Badezimmer und ließ mich allein. Betrübt sah ich mich um, stellte allerdings keine Veränderungen fest.

„Wir sollten reden", begann Jonas und holte mich somit in die Realität zurück. Bei der Art, wie er es sagte, bekam ich Angst. Wahrscheinlich sollte ich mir nachdem Baden, eine neue Bleibe suchen oder er sagt mir, dass er mich nicht lieben würde. Egal welches Szenario ich mir ausmalte, nahm es kein gutes Ende für mich.

„Es tut mir so unfassbar Leid, was ich dir angetan habe und ich weiß, dass ich es nur schwer wiedergutmachen kann. Ich akzeptiere auch, wenn du mir nicht verzeihen kannst, aber..", ich ergriff die Chance, bevor er hätte was sagen können, doch unterbrach er mich, indem er sich vor mich kniete.

„Was sagst du denn da?", er schien die Ruhe selbst zu sein und musterte mich nach wie vor mit besorgter Miene.

„Ich liebe dich mit jeder Faser meines Körpers und es gab nicht eine Sekunde, in der ich es nicht wusste. Du sollst wissen, dass ich all das aus Liebe zu dir getan habe, was selbstverständlich mein Verhalten nicht rechtfertigt. Aber ich kann nicht ohne dich!", brachte ich völlig aus der Puste hervor und bemerkte erst anschließend, das ich weinte. Jonas wischte mir die einzelnen Tränen vom Gesicht und setzte zum Reden an.

„Darf ich jetzt?", mit einem Nicken bejahte ich seine Frage.
„Ich wünsche mir nichts Sehnlicheres, als dich den Rest meines Lebens an meiner Seite zu wissen, weißt du das eigentlich? Und ja, du hast mir weh getan, aber ich weiß auch wofür und kann darüber hinwegsehen, denn ich liebe dich so sehr, dass es schon beinahe weh tut!"

Meine Lippen suchten die Seine und sofort begannen sie sich im Einklang zu bewegen, was ein Feuerwerk der Gefühle in mir entfachte. Endlich waren wir eins und würden jedes Hindernis, welches uns bevorstand, meistern.

„Versprich mir, dass wir ab sofort keine Geheimnisse mehr haben und immer ehrlich zueinander sind!", unterbrach er den Kuss. Mit einem lauten Ja stimmte ich seiner Aufforderung zu, was mich noch enger in seine Arme trieb.

Erst das Klingeln meines Handys löste mich aus seiner Umarmung. Mit einem mulmigen Gefühl nahm ich den Anruf entgegen und konnte die aufgebrachte Stimme meines Bruders wahrnehmen.

„Wo bist du?"

„Ich bin unterwegs, warum fragst du?", log ich in das Telefon, während ich wie angewurzelt da stand.

„Ich komme dich holen und dann klären wir das!", und mit klären meinte er, dass ich Ärger, wenn nicht sogar Schläge bekommen würde. Denn das war seine Art, Probleme zu klären.

Nein", es war viel mehr ein Hauch, als eine wirklich feste Aussage, da ich nicht den Mut besaß, mich gegen ihn zu wehren.

„Willst du mich verarschen? Du kommst sofort nach Hause, bevor ich dich umbringe!!!", schrie er mit aller Wut, die in ihm saß, mir durch das Telefon. Ich blieb weiterhin still, während er mir eine Predigt hielt und mit Beleidigungen um sich warf. Es war Jonas, der den Mut ergriff und sich endlich für uns wehrte.

„Jetzt hör mir mal zu! Du wirst uns endlich in Ruhe lassen und dich aus dem Leben meiner Freundin verpissen, denn ich schwöre dir, solltest du das nicht tun, dann werde ich dich besuchen kommen."

Ich hörte die Antwort von Felix nicht, doch schien sie Jonas zum Auflachen zu bringen.
„Mein Haus ist mir so egal. Du kannst so viel abfackeln wie dir lustig danach ist und trotzdem werde ich bei deiner Schwester bleiben, denn sie ist mein Mädchen"

„Küss mich, Baby"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt