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In der Zwischenzeit hatte Ben seinen Wagen seufzend neben Julis Grundstück geparkt. Er hatte gehofft, dass Ellas Auto da stand, wo er seinen nun abgestellt hatte. Aber dem war nicht so. Er hatte jedoch auch eine gefühlte Ewigkeit hierher gebraucht. Wenn es ihm nicht so wichtig wäre, die Sache mit Ella zu klären, wäre er zurückgefahren. Doch es ist wichtig.

Was sollte er jetzt tun? Aufgeben und nach Hause fahren oder Juli fragen, ob er Ella verpasst hatte? Sie würde sich bestimmt bei einer Freundin verkriechen, wenn sie sich nicht zuhause einigelte, richtig? Also war die Wahrscheinlichkeit, dass er zu spät hier eingetroffen war, nicht mal abwegig.

Ächzend machte er den Motor aus und stieß die Wagentür auf. Wenigstens schneite es jetzt nicht mehr so krass, dachte er und stapfte durch den bestimmt 30 Zentimeter hohen Neuschnee. Es knirschte unter jedem seiner Schritte und er hörte Hundegebell. Offenbar spielte Juli oder jemand anderer gerade mit den Pensionshunden im Garten.

Je näher er kam, umso lauter wurden die Geräusche und er konnte zwischen dem Kläffen auch die fröhliche Stimme von Juliana ausmachen. Als er um die Ecke der Thujahecke bog, sah er, wie Juli ein Ding in der Luft schwang, das irgendwie wie eine Angel aussah. Nur war an der langen Schnur kein Haken, sondern ein Spielzeug befestigt. Ein langhaariger Schäferhund lief um Juliana herum und kläffte immer wieder energisch.

Als diese ihn entdeckte, erstarrte sie kurz mitten in der Bewegung und das gab dem Hund die Gelegenheit, das Spielzeug zu packen. Sie ließ den Stock in ihrer Hand fallen, streichelte dem freudig auf dem Gummihuhn herumknatschenden Vierbeiner über sein Fell und kam auf ihn zu. Interesse blitzte in den blauen Augen der blonden, schlanken Frau auf, das sich verstärkte, je näher sie kam. „Ben, hi. Was machst du denn hier? Alles ok mit Ella?"

„Ja, nein." Er seufzte tief und bemerkte, wie Juliana ihn forschend anschaute, ehe er mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht, wie es ihr geht. Sie ist gestern Abend bei mir aufgetaucht und war total durch. Jetzt ist sie verschwunden und ich wollte fragen, ob sie da war. Da du aber die Stirn runzelst und besorgt dreinsiehst, denke ich, ich kenne die Antwort schon."

„Sie ist zu dir gefahren? Wie das?" Kurz sah er Juliana verwirrt an, bis ihm aufging, dass sie ja keinen Schimmer davon hatte, was sich am Nachmittag davor ereignet hatte. Ein Seufzen drang über seine Lippen und er nickte zum Zeichen, dass er die Frage gerne beantworten würde. „Das ist eine längere Geschichte."

„Dann komm rein. Es ist kalt und ich friere hier schon fest. Lucky möchte jetzt auch wieder zu den Anderen. Ich denke, das Gummihuhn ist einen würdevollen Tod gestorben. Zumindest hatte er seinen Spaß. Nicht wahr, mein Süßer?", plapperte Juli und drehte sich zu dem Hund um, der mit einem Fetzen Silikon zwischen den Lefzen zu ihnen gelaufen kam.

Da Juliana wohl sein Einverständnis voraussetzte, weil sie sich schon abwandte und zurück zum Haus lief, öffnete er das Tor und trat hindurch. Schweigend und mit hochgezogenen Schultern folgte er ihr in den Hausflur und blieb im Hintergrund, während sie den Rüden mit einem Handtuch abtrocknete. Juliana war eine von Ellas zwei Freundinnen, mit denen sie durch dick und dünn ging und er konnte nicht abstreiten, dass es ihn beunruhigte, wenn offenbar nicht mal Juli wusste, was genau in Ella vorging.

„Ben?" Sein Kopf ruckte hoch und er schaute in die blauen Augen seines Gegenübers, die ihn wissend musterten. Als ahnte sie, wie sehr ihn das mitnahm. Ist nicht so schwer, du stehst schließlich einfach so vor ihrer Tür.

„Willst du einen Kaffee?" Er nickte nur und zog seine Schuhe aus, um sie zu den anderen zu stellen, die in dem Hausflur unter der langen Garderobe gegenüber des Treppenhauses aufgereiht waren. An die hängte er auch seinen Mantel. Anschließend folgte er ihr still in die untenliegende Wohnung. Sofort stürmten ein paar Hunde auf ihn zu und das zauberte ihm tatsächlich ein Lächeln ins Gesicht, obwohl ihm eigentlich nicht danach war.

Er ging in die Knie und streichelte die Hundemeute, die sich aus allen Größen und verschiedenen Rassen zusammensetzte. Als er sich wieder erhob, bemerkte er, wie Juli ihn breit angrinste. „Sie haben schon was Therapeutisches, oder? Mit ihrer Art der Aufmerksamkeit geht mir jedes Mal das Herz auf, egal, wie mies ich drauf bin."

„Hm, ja." Da Juliana die Hunde jetzt schmunzelnd in die einzelnen Räume scheuchte, ehe sie auf die Küche zustrebte, folgte er ihr wieder still. In dem kleinen Zimmer hingen Fotos von Julianas Patchworkfamilie und es war ein bisschen unordentlich. Hundefutter stapelte sich auf der geräumigen Anrichte, die sie wohl als Arbeitsfläche nutzten, weil davon auf der Küche kaum Platz war.

Er beobachtete, wie Juliana zu der Kaffeepadmaschine trat und über dieser aus dem Schränkchen eine Tasse holte, von der ihm ein unförmiges buntes Einhorn entgegensprang und musste reflexartig schmunzeln. Juli fing das offenbar auf, denn sie grinste ihn an und zuckte mit den Schultern. „Süß, oder? DA kann man auch keine schlechte Laune mehr haben. Setz dich doch. Ich bin gleich bei dir."

Er murmelte eine Zustimmung und umrundete die Anrichte, um an dessen Ende auf einen der beiden Hocker zu fallen. Währenddessen füllte Kaffeeduft den Raum und er hörte, wie die Maschine das Wasser durch das Pad drückte. Juliana griff in den Kühlschrank und holte Milch heraus, ehe sie ihm die Tüte reichte und dann nach dem Zucker kramte. Zuletzt setzte sie sich zu ihm und nahm sich eine der Zitronenlimoflaschen, die sich ebenfalls auf der Anrichte tummelten. „Dann erzähl mal."

Erschöpft strich er sich über sein Gesicht, ehe er nickte. „Ich bin gestern zu ihr gefahren. Genauer gesagt, stand ich schon vor ihrer Haustür, als Ella nach Hause kam. Ich ... ich musste das klären, was ich verbockt habe."

Er sah, wie Julianas Augen kurz freudig aufleuchteten, doch sie schwieg. „Ich hab ihr erzählt, wie es zu der Situation kam und warum ich mich so verhalten habe. Ich war gar nicht drauf aus, dass sie mir verzeiht. Aber ich hatte die Hoffnung. Ella hat mich trotzdem nach Hause geschickt."

„Darf ich neugierig sein?" Interesse leuchtete im Gesicht seines Gegenübers auf und sofort schnürte sich wieder seine Brust zu.

„Ich musste meine Ehre verteidigen, weil ich ... ich bin nicht zeugungsfähig." Die Worte drückten sich schneller an die Oberfläche, als er das erwartet hatte und jetzt wich er Julianas Blick aus, die erstaunt die Augenbrauen hochzog.

„Das ist unlogisch." Seine Augen flogen zurück zu Julis Gesicht, die die Stirn gerunzelt hatte und ihn irritiert anschaute. „Wieso musst du da deine Ehre verteidigen? Macht dich dieser Fakt zu irgendwas besonderen? Ändert ja nichts an deiner Persönlichkeit, oder?"

Er merkte, wie ihm die Mimik entglitt, ehe er sich fing und murmelte: „Offenbar nicht."

„Ziemlich sicher nicht. Also, ich kann verstehen, dass du diesen ‚Mangel' betrauerst, weil da scheinbar auch Träume drangehangen haben. Aber wieso man darum seine Ehre verteidigen muss und deswegen so eine Scheiße von sich gibt, wie du es getan hast, kapiere ich nicht. Ich glaube nicht, dass deine Unfruchtbarkeit wirklich das Problem ist. Das wäre unlogisch."

Verwirrt schaute er Ellas Freundin an und schob nachdenklich seinen Unterkiefer vor, während er sie musterte. Juliana strahlte keinen Anflug von Unsicherheit aus. Sie war vollkommen überzeugt von ihrer Äußerung. Doch wieso das so war, weil sie sich kaum kannten, verstand ER nicht. „Sie hat dich also weggeschickt. Das wiederum wundert mich nicht. Bei allem, was gerade auf sie einprügelt."

Juli sah so aus, als ginge sie davon aus, dass er wüsste, wovon sie redete. Was nicht der Fall war. Was ihr wohl aufging, denn sie seufzte. „Sie hat dir nicht erzählt, dass Tobi wahrmacht und ihren Anspruch auf Sorgerecht prüfen lässt, oder?"

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Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenKde žijí příběhy. Začni objevovat