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Die Geräte, an die sie angeschlossen war, piepten, und Ella wich dem Blick aus, der auf ihrem Gesicht brannte, als hätte sie zu lange in der Sonne gesessen. Ihre Haut spannte genauso, wie sie es bei einem Sonnenbrand tun würde. Aber sie wollte nicht in die vorwurfsvollen braunen Augen sehen, die der Ursprung dieser Empfindung waren.

Sie hörte die leise, sanfte Stimme, die mit ihren Kindern sprach und in ihren Ohren schneidend gellte. Ein Schauer nach dem anderen rieselte über ihr Rückgrat und sie schluckte ihre Wut hinunter. Wie gerne würde sie ihn zurechtweisen und ihm sagen, dass er im Unrecht war.

Doch das würde seine Behauptung, sie wäre irrational und nicht ganz bei Sinnen nur unterstreichen. Trotzdem zitterten ihre Finger, als sie sich eine Strähne ihres Haares hinters Ohr steckte. Sie unterdrückte ein Fluchen, als sich ein paar davon in dem Ding verfingen, das an ihrem Zeigefinger klemmte und die Sauerstoffsättigung ihres Blutes sowie den Puls maß.

Mit fahrigen Bewegungen löste sie die Härchen aus der Klemme und biss sich auf die Lippen, als ihre Augen auf die blauen ihres Sohnes trafen. Die Besorgnis in seinem Blick schnürte ihr augenblicklich noch mehr die Kehle zu und sie beeilte sich, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, während sie nach seiner Hand griff.

„Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht, mein Schatz", flüsterte sie und drückte seine kleinen Finger.

„Tut dir was weh?"

„Ich hab nur ein bisschen Kopfschmerzen, Schatz. Nichts, was nicht wieder weggeht, weißt du?"

„Aber ich hatte auch schon mal Kopfweh und da musste ich nicht ins Krankenhaus", stellte Max fest und sie nickte automatisch, während sie die Stimme seines Vaters auszublenden versuchte, die ihrem Sohn erklärte, wie dumm Mama gewesen war, sich bei diesem Wetter hinters Steuer zu setzen.

Doch ihre Finger verkrampften sich reflexartig und sie setzte zu einem bissigen Kommentar an, der in ihrer Kehle erstarb, als Max seine Hand mit einem Quietschen unter ihrer hervorzog. Sofort flirrten ihre Augen wieder zu ihrem Sohn und der Vorwurf darin verglomm. „Tut mir leid, mein Schatz."

„Kannst du denn nicht aufpassen, Ella? Siehst du nicht, dass er Angst hat, weil du dich so bescheuert benimmst?" Ihr Kopf flog wieder herum zu ihrem Noch-Mann und sofort ergriff sie unfassbarer Schwindel, den sie nur mühsam unter Kontrolle halten konnte. Die Erwiderung schluckte sie ebenso wie die Welle Übelkeit, die sie niederringen wollte.

„Danke für den Hinweis, Tobi", entwischte ihr trotzdem und sie sah, dass ihr Verflossener zu einem weiteren Kommentar ansetzen wollte. Doch dann krachte die Tür an die beigefarbene Wand des Krankenzimmers und Ellas freie Hand fuhr automatisch zu ihrem dröhnenden Kopf, während ihr Körper zusammenzuckte.

„Ella! Geht es dir gut? Scheiße, du hast mich so erschreckt... Hallo Tobi. Hey Max, hi Lara." Julis Gesicht leuchtete förmlich vor Besorgnis und Ella schluckte krampfhaft gegen den sich bildenden Kloß in ihrem Hals an, als sie Ben im Türrahmen entdeckte. Ihr Herz machte einen Hüpfer in ihrer Brust, was das regelmäßige Piepen des Monitors unterbrach, ehe er eine höhere Pulsfrequenz anzeigte als zuvor. Sofort verfinsterte sich Tobis Gesicht nochmal um einige Nuancen und sie fühlte sich noch unbehaglicher.

„Hi", kam von der Tür und sie merkte, wie sie errötete. Max' Gesicht hingegen leuchtete buchstäblich auf und er löste sich von seinem Posten an ihrem Bett. Er rannte erst auf Juli zu, um sie zu umarmen, ehe er sich zu Ben drehte und sich in seine Arme fallen ließ.

Woraufhin Bens Mundwinkel kurz nach oben zuckte, Tobi offenbar gerade noch ein Schnauben unterdrücken konnte und sie ganz knapp ein schwärmerisches Seufzen. Ich muss meine Gefühle dringend in den Griff bekommen.

Ihre Augen flirrten zuerst zu Juli, die nur eine Augenbraue gehoben hatte, dann zu Tobi und Lara. Ihre Tochter verzog ihr Gesicht wie erwartet zu einer unwilligen Maske und hatte die Arme vor der Brust gekreuzt. Genauso wie ihr Vater. Gemeinsam schienen sie Ben mit ihren Blicken erdolchen zu wollen.

Automatisch sank sie etwas in sich zusammen und schluckte trocken. Ben hatte das nicht verdient. Er war nur hier, weil ... Ja, so genau wusste sie das auch nicht. Immerhin hatte sie sich wie ein Feigling davongeschlichen, nachdem sie den Brief gekritzelt hatte und während er noch mit einem Kunden telefoniert hatte.

Sofort stieg Hitze in ihre Wangen und ihr Puls wurde wieder unregelmäßiger. Was dieses Scheißding an ihrem Zeigefinger auch übertrug. Jeder konnte hören, wie ihr Herz stolperte. Was ihre Beschämung nicht milderte.

„Kinder, wir fahren jetzt. Sagt eurer Mutter Tschüss", brach Tobi letztlich das Schweigen, das auf ihre Brust drückte und ihr die Luft zum Atmen nahm.

Trotzdem setzte sie ein Lächeln auf und winkte Max zu sich, der schon einen weinerlichen Flunsch zog. Wie jedes Mal verkrampfte sich dabei ihr Herz. Besonders, wenn sie daran dachte, dass ihr Ex künftig alles dafür tun würde, dass ihre beiden Kinder nicht mehr bei ihr wohnten. Doch sie schob den Gedanken beiseite und küsste ihren kleinen Goldschatz auf die Stirn, der sich sofort unwillig darüberstrich und Ben einen beschämten Blick zuwarf.

Oha, hallte es in ihr, sie ließ von ihm ab und reckte sich etwas, um Lara durch ihr Haar zu streichen. Was diese verhinderte, indem sie ihren Kopf wegzog. Sofort zuckte ihre Hand zurück und sie unterdrückte ein Seufzen. Stattdessen murmelte sie einen Abschiedsgruß, den ihre Tochter abnickte. Anschließend verabschiedete sie sich von Tobi, der ihr nur noch einen finsteren Blick zuwarf, ehe ihre beiden Kinder in seinem Schlepptau aus dem Raum verschwanden.

„Puh, kaum ist er weg, wird die Luft dünner und ich bekomm wieder Sauerstoff in meine Lunge gedrückt", entschied Juli und sie schaute ihre Freundin vorwurfsvoll an. „Was? Ich hab recht, das musst du zugeben. Und ich war höflich. Immerhin hab ich ihn begrüßt. Also spar dir den Gesichtsausdruck, mit dem ich dich ansehen sollte, klar?!"

Sie bemerkte im Augenwinkel, wie Bens Mundwinkel erneut nach oben zuckten, doch sein Lächeln erlosch sofort wieder, als sich seine Augen an ihrem Gesicht festsaugten. Sie wollte ihm sagen, wie leid es ihr tat. Aber ihre Kehle war wie ausgedörrt und sie wusste, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war.

Dennoch marterte sie sein Blick und sie wich ihm schnell wieder aus. Hoffentlich brach Juliana das sich aufbauende Schweigen. Doch ihre blauen Augen ruhten nur still auf ihr, ehe sie sich durch ihr blondes Haar strich und leise seufzte. Dann endlich löste sich Juli von ihrem Posten und trat an ihr Bett.

Noch während ihre Freundin sie an sich zog, sammelte sich ein dicker, fester Kloß unter ihrem Kehlkopf, der schmerzhaft dagegen drückte und jede normale Sauerstoffzufuhr verhinderte. Dafür türmten sich jedoch Tränen in ihren Augen, als sie in Julis Umarmung versank.

„Ich hab mir solche Sorgen gemacht, Ella." Sie wollte ihrer Freundin sagen, wie leid es ihr tat. Das alles. Worin sie sich verfangen hatte. Warum sie so kacke war. Doch sie konnte nicht. Die Worte schafften es nicht am Kloß vorbei, sondern verdickten diesen nur. Sie sah Juliana in die Augen und versuchte, zu artikulieren, was nötig war, aber die bedachte sie nur mit einem bekümmerten Blick und schüttelte den Kopf. „Schon ok. Ich versteh dich. Wir bekommen das hin."

„Es tut mir leid. Alles. Ich weiß nicht ... ich kann nicht..."

Ihr heiseres Flüstern verfing sich in Julis Haar und Ella spürte, wie Juliana kaum merklich abermals mit dem Kopf schüttelte. Sie hatte sie nicht verdient. Keinen von den Menschen, die mein Leben mit mir beschreiten. Ich bin der Regen.

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Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenWhere stories live. Discover now