~ 5 ~

25 5 10
                                    

Er beobachtete, wie Ella sich zusammennahm, nicht in Tränen auszubrechen, während ihre Freundin ihr irgendwas ins Ohr zu flüstern schien, das er nicht verstand. Noch immer raste sein Herz in seiner Brust, wenn er an den Moment dachte, als Julianas Telefon geklingelt hatte und sein Gegenüber schlagartig kalkweiß geworden war. Die ganze Fahrt über hatte er zu irgendwem im Universum gebetet, obwohl er nicht religiös war.

Die kurze Erleichterung hatte nicht lange angehalten, nachdem er den Raum betreten und Ella in dem Krankenbett entdeckt hatte. Jetzt hatte er eher das Gefühl, die beigen Wände wollten alles Leben mit Sachlichkeit ersticken. Die wenigen gerahmten Landschaftsdrucke, die das karge Zweibettzimmer zieren sollten, lockerten die Atmosphäre nicht wirklich auf. Ich hasse Krankenhäuser.

„Ich hole jetzt mal die Tasche aus dem Auto. Erst musste ich mich davon überzeugen, dass du weiterhin in einem Stück bist", hörte er und das lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Szenerie vor ihm.

Juli drückte Ella einen Kuss auf die Wange, dann richtete sie sich auf, drehte sie sich zu ihm und hielt auffordernd die Hand auf. Nachdem er kapiert hatte, was sie wollte, holte er den Autoschlüssel aus seiner Hosentasche und reichte sie Juli, die daraufhin den Raum verließ. Wieso war sein Hals plötzlich noch kratziger, als er es zuvor schon gewesen war?

Ella wich weiterhin seinem Blick aus. Stattdessen flirrte er umher, als sei sie krampfhaft auf der Suche nach etwas, wo sie ihn fixieren konnte. Die sich erhöhende Pulsfrequenz gepaart mit den heftiger ausschlagenden Wellen auf dem Bildschirm neben ihr bewiesen ebenfalls, wie aufgewühlt sie war.

Er unterdrückte ein Seufzen, löste sich aus seiner Starre und trat zu dem kleinen wackligen Tischchen, um das zwei Stühle standen. Er schnappte sich einen davon und trug ihn zum Bett, wo er ihn fallenließ. Natürlich spürte er, wie sich Ella zusammenriss, ihn nicht merken zu lassen, dass sie jede seiner Bewegungen beobachtete.

Das Quietschen auf dem fleckigen Linoleum, das sein Stuhlrücken hervorrief, ließ sie dennoch mit schmerzlichem Ausdruck zusammenzucken. „Tut mir leid. Dröhnt dein Kopf?"

Wieso nochmal halte ich mich mit Trivialitäten auf, wenn ich ihr doch nur sagen möchte, dass ich sie liebe und sie mich nicht verlassen darf? Er unterdrückte ein Seufzen und strich sich durch seine blonde Wuschelfrisur. Die einzelnen Strähnen mussten heute bestimmt besonders stark von seinem Kopf abstehen, immerhin war er sich mehr als sonst durchgefahren. „Normal. Gehirnerschütterung. Da dröhnt der Schädel einfach."

Seine Augen hefteten sich auf das Gesicht seines Gegenübers, das ihm mit seinen dunkelbraunen Iriden weiter auswich. Er nickte knapp und wollte den Mund öffnen, um ihr zu sagen, dass er nicht zulassen würde, dass ihre Geschichte hier endete. Doch plötzlich erwiderte sie seinen Blick und seufzte.

Sofort zuckte seine Hand nach vorne und wollte ihre Finger in seine nehmen. Aber der Ausdruck in Ellas Augen ließ ihn erstarren. Genauso wie die Tränen, die sich in ihnen sammelten. „Es tut mir leid, Ben."

Ihr brüchiges Hauchen ätzte ein Loch in sein Herz. Er wollte nicht hören, was ihr Gesicht ihm längst in seines schrie, obwohl er sich die größte Mühe gab, das auszublenden. Automatisch schluckte er trocken und wollte widersprechen, doch sie hielt ihn mit ihrem Blick in seinem Bann, während sie erklärte: „Ich wäre so gern in der Lage, dir standhalten zu können. Aber ich kann es nicht."

„Das ist nicht wahr, Ella. Du musst nur du sein, verstehst du? Mehr ist nicht nötig." Jetzt griffen seine Finger doch nach ihren und es versetzte ihm einen atemraubenden Stich in die Brust, als sie ihm ihre Hand augenblicklich entzog.

„Du weißt, dass das nicht stimmt. Dass du mehr verdient hast als mich. Auf meine Eröffnung, dass ich wieder in eine Depression gerutscht bin, hast du mit ‚ok' geantwortet. Aber das ist keine leere Packung Milch, Ben."

Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenWhere stories live. Discover now